Bonehead wartete nicht auf eine Einladung. Kaum, dass er den schluchzenden Baiter beiseitegetreten hatte, sprang er auf Zed zu und hieb mit dem Schlagring nach dessen Gesicht. Die Faust beschrieb einen Bogen durch die Luft, denn Zed hatte sich geduckt. Der zweite Schlag hatte das gleiche Resultat. Bonehead drängte sich an seinen Gegner heran, den linken Arm zur Abwehr erhoben, um mit dem rechten mordlustig auf Zed einzuprügeln.
»Immer drauf! Immer drauf!«, schrillte das Weib.
Bonehead versuchte es mit aller Macht und brutaler Gewalt. Nur blieb ihm der Erfolg versagt, denn wo er auch mit seiner messingbewehrten Faust zuschlug, war kein Zed zu treffen. Schneller und schneller regneten die Schläge nieder, aber Zed wich ihnen umso schneller aus. Boneheads Stirn glänzte von Schweiß und sein Atem wogte wild in seiner Brust.
Eine Gruppe Männer, anscheinend vom Cat’s Paw, begann sich betrunken grölend durch die nach Skellys ungeschicktem Hinauskrabbeln an einer Angel hängengebliebenen Tür zu drücken. Zed beachtete sie nicht. Seine gesamte Aufmerksamkeit war darauf konzentriert, dem Schlagring auszuweichen.
»Steh still und kämpfe, du kackschwarzer Feigling!«, brüllte Bonehead. Speichel flog ihm aus dem Mund und seine Schläge wurden immer ungenauer und schwächer.
Verzweifelt griff Bonehead mit der linken Hand nach Zeds Krawatte, um ihn stillzuhalten. Doch kaum, dass seine Finger den Seidenstoff umschlossen, holte Zed zu einem Kinnhaken aus. Das solide und schreckliche Krachen von Fleisch auf Fleisch ließ das betrunkene Gegröle verstummen, als hätte sich soeben ein religiöses Wunder ereignet. Boneheads Augen rollten in ihren Höhlen zurück, seine Knie wurden schwach, aber er klammerte sich noch immer an Zed und seine rechte Faust schwang mehr instinktiv als geplant nach oben, denn sein Gehirn war offensichtlich nicht mehr ganz bei der Sache.
Zed wich dem Schlag durch eine leichte Kopfbewegung mühelos aus. Dann hob er Bonehead Boskins wie einen Sack Maismehl hoch, holte mit ihm aus und warf ihn mit dem Knochenkopf voran durch das zugenagelte Fenster, das schon so viele andere, wenn auch kleinere Opfer von Streitereien passiert hatten. Als Bonehead auf seinem schmerzhaften Weg auf die Wall Street hinaus durch die Bretter krachte, erzitterte die gesamte Fassade des Wirtshauses so stark, dass die dort versammelten Männer Angst hatten, es würde über ihnen zusammenstürzen. Als schreiende Masse liefen sie um ihr Leben. Die Dachsparren ächzten, Sägespäne rieselten herunter und die Ketten quietschten, als die Lampen an ihnen hin und her pendelten.
Hauptwachtmeister Gardner Lillehorne tauchte im ramponierten Türrahmen auf. »Was, in Teufels Namen, geht hier vor?«
»Sir! Sir!« Nack war wieder auf den Beinen und stolperte zur Tür. Matthew fiel auf, dass der Wachtmeister entweder seinen Brandy auf der Hose verschüttet hatte oder dringend einen Nachttopf brauchte. »Hab versucht’s zu unterbinden, Sir! Ich schwör’s!« Er kam in Zeds Nähe und schreckte zurück, als befürchtete er, das Wirtshaus auf Boneheads Art zu verlassen.
»Schweigt«, gab Lillehorne zurück. In einen visuell schwer verdaulichen, aber modisch kürbisfarbenen Anzug und Dreispitz, mit gelben Strümpfen und polierten braunen Stiefeln gekleidet, betrat er den Schankraum und rümpfte angeekelt die Nase, als er die Szene betrachtete. »Gibt es Tote?«
»Der Neger wollte uns umbringen!«, kreischte das Weib. Sie hatte sich die Freiheit genommen, die nicht ausgetrunkenen Brandybecher vom Tisch der Dockarbeiter zu holen, und hielt in jeder Hand einen. »Guckt doch, was er diesen armen Seelen angetan hat!«
Lillehorne schlug mit seiner behandschuhten Linken auf den silbernen Löwenkopf seines schwarzlackierten Spazierstocks. Sein langes bleiches Gesicht mit dem sorgfältig getrimmten schwarzen Ziegenbart und Schnauzer war dem Raum zugewandt. Seine schmalen schwarzen Augen waren von der gleichen Farbe wie sein mit einem gelben Band zu einem Zopf gebundenes Haar, von dem manche sagten, es sei mit indischer Tinte gefärbt.
Baiter greinte noch immer und hielt die Hände über die Überreste seiner Nase. Die Hafenarbeiter begannen sich zu rühren. Einer der beiden erbrach einen Strom übelriechender Flüssigkeit, die Lillehorne nach Luft schnappen und ein gelbes Taschentuch vor seine Nasenlöcher halten ließ. George und sein Freund waren wieder bei Bewusstsein, saßen aber immer noch an ihrem Tisch und blinzelten, als wunderten sie sich, was eigentlich die ganze Aufregung verursacht hatte. Zwei der Gentlemen versuchten den Degenkämpfer wiederzubeleben, dessen Beine zu zucken angefangen hatten, als wollte er vor dem Becher davonlaufen, der ihn ins Land der Träume befördert hatte. Hinten im Schankraum stand der Fiedler beschützend vor seiner Geige. Schaulustige riefen fröhlich von der Straße herein und spähten durch die Tür und das Loch, durch das Bonehead das Wirtshaus verlassen hatte.
»Widerwärtig«, sagte Lillehorne. Sein kalter Blick glitt über Matthew hinweg, fiel auf den riesigen Sklaven, der bewegungslos mit hängendem Kopf dastand, und blieb an Hudson Greathouse hängen. »Als ich Skelly zwei Straßen weiter brüllen hörte, hätte ich wissen sollen, dass Ihr hier seid. Ihr seid der einzige in dieser Stadt, der dem alten Knaben dermaßen Angst einjagen kann, dass er seinen Bart verliert. Oder ist der Sklave für das hier verantwortlich?«
»Ich weiß das Kompliment zu schätzen«, meinte Greathouse, der immer noch sein selbstzufriedenes und ärgerlich aufreizendes Lächeln im Gesicht hatte. »Aber ich bin mir sicher, dass Ihr, wenn Ihr mit den Zeugen sprecht – den nüchternen Zeugen, meine ich –, hören werdet, wie Mr. McCaggers‘ Sklave lediglich vermieden hat, verletzt zu werden. Und mich ebenso davor bewahrte – auf äußerst fähige Weise, finde ich.«
Lillehorne wandte seine Aufmerksamkeit Zed zu, der den Boden fixierte. Einige der Rufe draußen begannen böse zu klingen. Matthew hörte »Leichengräberneger«, »kackschwarzes Biest« und Schlimmeres, gepaart mit »Mord« und »teeren und federn.«
»‘s ist gegen’s Gesetz!« Nack erinnerte sich plötzlich an seinen Posten. »Sir! ‘s ist gegen’s Gesetz für ‘n Sklaven, inner Schänke zu sein!«
»Ins Gefängnis mit ihm!«, schrie das Weib zwischen mehreren Schlucken Brandy. »Zur Hölle auch, die sollen alle unters Gefängnis!«
»Das Gefängnis?« Greathouse zog die Augenbrauen hoch. »Ach, Gardner! Findet Ihr, dass das eine gute Idee ist? Ich meine … drei oder vier Tage da drin – selbst nach nur einem Tag wäre ich vielleicht schon zu schwach, meinen Pflichten nachzukommen. Und da ich und ich allein ganz freimütig zugebe, diesen Ort als Treffpunkt für Mr. McCaggers‘ Sklaven ausgesucht zu haben, würde ich derjenige sein, den das Gesetz bestraft.«
»Ich denke, die gehör‘n an den Pranger, Sir! Allesamt!« Nacks bösartige kleinen Äuglein glänzten. Er drückte Matthew den Schlagstock gegen die Brust. »Oder sie haben‘s Brandeisen verdient!«
Lillehorne schwieg. Die Rufe auf der Straße wurden immer wilder. Er legte den Kopf schief, sah zu Greathouse, dann zu Zed hinüber und daraufhin wieder zu Greathouse. Der Hauptwachtmeister war ein zierlicher schlanker Mann, der um einiges kleiner als Matthew war und neben den beiden großen Männern wie ein Zwerg wirkte. Trotzdem war sein Ehrgeiz, in New York aufzusteigen, der eines Goliaths. Eines Tages Bürgermeister oder gar Gouverneur der Kolonie zu werden war sein erklärtes Ziel.
»Was wird‘s also sein, Sir?«, drängte Nack. »Der Pranger oder das Brandeisen?«
»Gut möglich, dass der Pranger schon besetzt sein wird«, erwiderte Lillehorne, ohne Nack anzuschauen. »Und zwar mit einem feigen Wachtmeister, der sich im Dienst besinnungslos betrunken hat und diesen Gesetzesbruch unter seiner Nase geschehen gelassen hat. Und hört bitte auf, von Brandeisen zu reden, sonst bekommt Ihr noch eins auf den Hintern.«
»Aber … Sir … ich meine …«, stotterte Nack, der knallrot angelaufen war.
»Ruhe.« Lillehorne scheuchte ihn mit dem Spazierstock zur Seite. Dann machte er einen Schritt auf Greathouse zu und starrte ihm fast die Nasenlöcher hoch. »Hört mir gut zu, Sir. Ich lasse mich nicht herumschubsen, verstanden? Egal, worum es geht. Ich weiß nicht, was für ein Spielchen Ihr heute Abend spielt, und vielleicht will ich es auch gar nicht wissen. Aber ich will nicht, dass es wieder vorkommt. Habe ich mich verständlich ausgedrückt, Sir?«
»Ganz