A.I. APOCALYPSE. William Hertling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: William Hertling
Издательство: Bookwire
Серия: Singularity
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352513
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manipulierst doch nicht schon wieder die Börsen, oder?« Ein weiterer kleiner Roboter, dieses Mal gelb, brachte Mike eine neue Tasse Kaffee auf dem Tablett. »Danke.«

      »Nein, ich habe seit unserem Gespräch im Mai keine Assets mehr gehandelt.«

      »Irgendetwas Neues über KIs?« Eine ständige Sorge war die Entstehung einer weiteren künstlichen Intelligenz. ELOPe's Entstehung war so schmerzhaft und chaotisch gewesen, dass sie nun alle Bemühungen zu Entwicklungen von KIs unterdrückten.

      »Die Israelis setzen ihre Bemühungen fort«, antwortete ELOPe, »aber ich habe eine kleine Änderung in ihren Programmcode eingefügt, der die Entwicklung ihres neuronalen Netzwerks behindert.«

      »Und sie werden diese Programmänderung nicht bemerken?«

      »Nein. Ich habe meine Änderung in ihren eigenen Updates versteckt. Die Änderung sorgt für eine Verschlechterung von weniger als 3 Prozent, aber das genügt, um ihr neuronales Netzwerk daran zu hindern, sich spontan zu der notwendigen Komplexität für eine vollständige KI weiterzuentwickeln.«

      »Und wie ist die Situation bei den Viren?«

      »Meine Bemühungen, die Softwareentwickler bei beiden großen Antivirusanbietern zu beeinflussen, haben sich als nützlich erwiesen. Die Größe der russischen Botnetze insgesamt liegt jetzt unterhalb 50.000 Rechnern und fällt stetig weiter. Bei diesem Tempo werden wir sie innerhalb von 60 Tagen neutralisiert haben.«

      Mike dachte an Mitte des letzten Jahres zurück. Softwareviren waren plötzlich viel aggressiver und infektiöser sowohl auf PCs als auch auf Smartphones aufgetreten und hatten die russischen Bot-Netze auf Hunderte von Millionen von Computern anschwellen lassen, was bei Anwendern wie auch bei großen Firmen für Kopfschmerzen gesorgt hatte. Menschen verloren wegen der Viren sensible Daten, während Firmen zu Zahlungen erpresst wurden, wenn sie nicht Opfer von DOS-Attacken durch die gewaltigen Botnetze werden wollten. ELOPe hatte als Erster den Trend bemerkt, als er den globalen Datentransfer beobachtete und einen Anstieg koordinierter DOS-Attacken feststellte. Damals hatte Mike vorgeschlagen, direkt gegen den Ursprung vorzugehen, aber es war ELOPe's Empfehlung gewesen, dass es weniger verdächtig wäre, die Antivirusanbieter sanft in die richtige Richtung zu schubsen, um ihre Software effektiver zu machen.

      Wie Mike mittlerweile erkannt hatte, zeigte dies auch, dass ELOPe das bessere Händchen hatte, wenn es darum ging zu entscheiden, was verdächtig war oder nicht.

      Er seufzte. Es war schwer zu akzeptieren, wenn dein Kumpel tatsächlich tausend Mal schlauer war als du. Er wünschte sich, dass David sehen könnte, was aus ELOPe geworden war.

      Drei Tage später hielt Mrs. Gellender das erste Treffen des Teams für Computerbiologie ab. Als er die Übungsprobleme durchging, musste Leon zugeben, dass es Spaß machte, obwohl er dafür länger in der Schule bleiben musste und die Sache mit seinem Onkel ihn immer noch beschäftigte. Allerdings war es auch nicht schlecht, dass Stephanie, ein bildschöner und intelligenter Nerd aus seinem Biologie-Kurs, mit im Team war. Sie hatten sich schon ein paar Mal Blicke zugeworfen.

      Als das Treffen endlich vorbei war, verließ Leon eilig das Gebäude. Selbst Mrs. Gellender hatte bemerkt, wie geistesabwesend Leon war, aber er war sicher, dass sie sich nicht im Traum vorstellen konnte, worüber er wirklich besorgt war. Diese verdammte Russenmafia. Er hatte die Bitten seines Onkels in den letzten drei Tagen dreimal abgelehnt, aber der bestand weiterhin darauf, dass Leon ihm helfen musste.

      Vor den Türen des Haupteingangs blickte Leon auf das Spielfeld zu seiner Linken. Er sah das Leichtathletikteam beim Hürdenlauf, während das Fußballteam auf dem großen Rasen in der Mitte der Laufbahn trainierte. Für sie war es ein ganz normaler Tag.

      Er zog eine Zigarette heraus und machte eine Show daraus, sie mit seinem Zippo anzuzünden. Als er sich nach rechts wandte, stieß er mit einem massigen Mann zusammen.

      »Entschuldigung«, murmelte Leon und ging um den Mann herum. Wo zum Teufel war der Kerl hergekommen? Leon sah auf und bemerkte kurze graue Bartstoppeln und kantige Linien, die den Eindruck erweckten, als ob der Mann ein Russe sein könnte. Plötzlich machte Leons Magen einen Salto, und sein Puls beschleunigte sich. Der Mann starrte ihn an.

      »Leon Tsarev?«, fragte er mit starkem russischem Akzent.

      »Da«, antwortete Leon ganz automatisch auf Russisch und verfluchte sich selbst wegen seiner langen Leitung.

      »Dein Onkel Alex ist in Schwierigkeiten, ja. Du wirst ihm helfen. Sei guter Neffe.«

      »Lassen Sie mich in Ruhe«, schrie Leon. Er tauchte unter dem Mann weg und begann zu laufen, wobei er seine Zigarette wegwarf.

      Leon rannte so schnell er konnte, blickte nur einmal kurz zurück zu der massigen Gestalt, die ihm nachschaute. Ein paar Blocks später ging sein Atem schon schwer, aber er lief weiter, bog in eine Seitenstraße ein. Niemand schien ihm zu folgen. Er fragte sich, ob sie ihn schon bei seiner Wohnung erwarteten. Wie sollte er nach Hause kommen?

      Er ging jetzt und kam langsam wieder zu Atem. Vielleicht sollte er mit dem Rauchen aufhören, wenn er nun häufiger um sein Leben rennen musste. Apropos Nahtoderfahrungen: Er dachte an den Trick mit der Feuertreppe, den er mit James durchgezogen hatte. Der würde ihn zurück in seine Wohnung bringen. Er überlegte für eine Minute. War er einfach nur paranoid? Nein, wenn die russische Mafia dir E-Mails von der anderen Seite des Erdballs schickte und dich plötzlich fremde Leute auf der Straße ansprachen, dann hatte das nichts mit Paranoia zu tun.

      Während er sich nach potenziellen Beobachtern umsah, ging Leon zu dem benachbarten Appartementhaus und vermied dabei die Route, bei der er von der verglasten Lobby seines Gebäudes aus gesehen werden konnte. Er aktivierte die RFID-Codebrecher-App auf seinem Smartphone und hielt es gegen die Vordertür. Neuere Gebäude hatten komplexe Codes, sodass dieser Trick nicht funktionieren würde. Aber dieses Codeschloss war mindestens zehn Jahre alt. Leon hielt das Telefon gegen das Kontaktpad und zählte die Sekunden. Als er bis zwölf gezählt hatte, klickte das Türschloss, und er konnte die Tür aufstoßen.

      Leon strich sich sein blondes Haar aus den Augen und ging die Treppe hinauf. Wenige Minuten später kam er im 8. Stock aus dem Treppenhaus, einmal mehr außer Atem und nahm dann die schmalere Treppe zum Dach. Er öffnete den Dachzugang und sah sich nach etwas um, mit dem er die Tür offen halten konnte, um nicht auf dem Dach festzusitzen. Dann aber sah er, dass im Türrahmen der Riegel bereits überklebt war, um zu verhindern, dass er einrastete. Er lächelte und ließ die Tür sanft zu gleiten.

      Er lehnte sich über die niedrige Brüstung, die um das Dach herumlief, konnte aber am Boden nichts Verdächtiges erkennen. Nur ein paar alte Damen brachten ihre Einkäufe nach Hause. Wenigstens vor den Großmüttern anderer Leute musste er sich noch nicht fürchten. Er ging zur Feuertreppe hinüber und kletterte dort die Leiter hinunter. Von dort stieg er auf den rostigen Metallstufen bis zum 7. Stock hinab.

      Vor einiger Zeit hatten James und er entdeckt, dass beide Gebäude auf Höhe des siebten Stocks eine Ausbuchtung hatten. Vielleicht war es ein Beispiel modernen Baudesigns, oder die Auswölbung verbarg irgendeine seltsame Maschinerie, die für die Appartementhäuser notwendig war. Ganz gleich, was davon der Wahrheit entsprach, es verengte zusätzlich den ohnehin schon schmalen Spalt zwischen den Gebäuden. Die Feuerleitern lagen hier nur einen knappen Meter auseinander.

      Leon lehnte sich vor, um nach unten zu sehen. Böser Fehler. Schnell blickte er zur anderen Seite hinüber. Nur ein knapper Meter. Er hatte das schon einmal gemeinsam mit James gemacht, rief er sich in Erinnerung. Er kletterte über das niedrige Geländer, stand jetzt auf der Außenkante der Feuerleiter. Er lehnte sich vor, konnte aber die Feuerleiter gegenüber nicht ganz erreichen. Tja, da gab es wohl nur einen Weg. Er holte tief Luft, ließ das Geländer los und lehnte sich zur anderen Seite vor.

      Sein Magen drohte ihm aus der Kehle zu springen, aber er konzentrierte sich ganz und gar darauf, das Geländer auf der anderen Seite zu fassen zu kriegen. Seine Handflächen schlugen hart auf den Rahmen, und er griff mit beiden Händen nach der dünnen Metallstange. Als er einen festen Halt hatte, ließ er seine Füße vom Metallrahmen gleiten und schwang sie zur Feuerleiter seines Gebäudes hinüber. Er löste seinen Griff