Die Äbtissin von Castro. Стендаль. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Стендаль
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066118853
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sich auf Marcello und versetzte ihm drei Dolchstöße, die ihm das Leben nahmen. Diana Brancaccio war da, drei Schritte entfernt, mehr tot als lebendig; sie bereute ohne Zweifel tausend- und abertausendmal, was sie getan hatte.

      ‚Weib, unwürdig einer edlen Familie anzugehören!‘ schrie der Herzog, ‚du einzige Ursache meiner Schmach, die du herbeigeführt hast, um deinen unehrlichen Lüsten zu fröhnen; ich muß dir jetzt den Lohn für all deine Verrätereien zahlen.‘

      Indem er diese Worte sprach, packte er sie bei den 50Haaren und schnitt ihr den Hals mit einem Messer ab. Diese Unglückliche vergoß Ströme Blutes und fiel endlich tot nieder.

      Der Herzog ließ die beiden Leichen in eine Kloake nah vom Gefängnis werfen.

      Der junge Kardinal Alfonso Carafa, der Sohn des Marchese von Montebello, der einzige der ganzen Familie, den Paul IV. bei sich behalten hatte, glaubte ihm dieses Ereignis berichten zu müssen. Der Papst antwortete nichts als die Worte:

      ‚Und die Herzogin? Was hat man mit ihr gemacht?‘

      Man glaubte in Rom allgemein, daß diese Worte den Tod dieser unglücklichen Frau herbeiführen würden. Aber der Herzog konnte sich nicht zu diesem großen Opfer entschließen, sei es, weil sie schwanger war, sei es wegen der außerordentlichen Zärtlichkeit, die er früher für sie gefühlt hatte.

      Drei Monate nach der sehr edlen Tat, die der heilige Papst Paul IV. vollbracht hatte, indem er sich von seiner ganzen Familie lossagte, wurde er krank und nach drei weiteren Monaten der Krankheit verschied er am 18. August 1559.

      Der Kardinal schrieb Briefe über Briefe an den Herzog von Palliano und wiederholte ihm unaufhörlich, daß ihre Ehre den Tod der Herzogin erheische. Jetzt, wo ihr Oheim tot war und man nicht die Absichten des kommenden Papstes wissen konnte, wollte er, daß alles in kürzester Frist erledigt werde.

      Der Herzog, der ein einfacher und guter Mensch war und in Ehrensachen viel weniger ängstlich als der Kardinal, konnte sich nicht zu dem schrecklichen äußersten Mittel entschließen, das man von ihm verlangte. Er sagte sich, daß er selbst unzählige Treulosigkeiten gegen die 51Herzogin begangen habe und ohne sich die geringste Mühe zu geben, sie ihr zu verbergen und daß solche Untreue eine so stolze Frau leicht auf Vergeltungsgedanken hätte bringen können. Selbst im Augenblick, als das Konklave zusammentrat, schrieb der Kardinal, nachdem er die Messe gehört und die heilige Kommunion empfangen hatte, ihm nochmals, er fühle sich durch dieses ewige Verschieben gepeinigt und wenn der Herzog sich nicht endlich zu dem entschließe, was die Ehre ihres Hauses fordere, beteuere er, daß er sich niemals mehr seiner Angelegenheiten annehmen würde, und nie wieder suchen würde, ihm nützlich zu sein, sei es im Konklave, sei es bei dem künftigen Papst. Ein Grund, der dem Ehrenpunkt fern lag, vermochte es, den Herzog zum Entschluß zu bringen. Obwohl die Herzogin streng bewacht wurde, fand sie, wie man sagt, die Möglichkeit, Marc Antonio Colonna sagen zu lassen — welcher der Hauptfeind des Herzogs war, weil er ihm sein Herzogtum Palliano hatte abtreten müssen — sie wolle ihn in Besitz der Festung Palliano setzen, die einem ihr ergebenen Mann unterstellt war, wenn Marc Antonio Mittel fände, ihr das Leben zu retten und sie zu befreien.

      Am 28. August 1559 schickte der Herzog zwei Kompagnien Soldaten nach Gallese. Am 30. kamen Don Leonardo del Cardine, ein Verwandter des Herzogs und Don Ferrante, Graf d'Aliffe, der Bruder der Herzogin in Gallese an und gingen in die Gemächer der Herzogin, um ihr den Tod zu geben. Sie verkündeten ihr, daß sie sterben müsse und sie nahm diese Nachricht ohne die leiseste Erregung hin. Sie wollte vorher beichten und die heilige Messe hören. Als dann die beiden Herren sich ihr wieder näherten, bemerkte sie, daß sie untereinander 52nicht einig waren. Sie fragte, ob sie einen Befehl ihres Gatten, des Herzogs, hätten, sie zu ermorden.

      ‚Ja, Signora‘, erwiderte Leonardo. Die Herzogin wollte ihn sehen; Don Ferrante zeigte ihn ihr.

      Ich finde in dem Prozeß des Herzogs von Palliano die Aussage der Mönche, welche diesen schrecklichen Vorgängen beiwohnten. Diese Aussagen sind weit über die der andern Zeugen zu stellen und das kommt, scheint mir, daher, daß die Mönche ohne jede Furcht vor Gericht aussagten, während alle andern Zeugen mehr oder weniger Mitschuldige ihres Herrn gewesen waren.

      Der Kapuzinerbruder Antonio von Pavia sagte folgendes aus:

      „Nach der Messe hatte sie fromm die heilige Kommunion genommen und während wir ihr Trost zusprachen, trat der Graf d'Aliffe, der Bruder der Herzogin ins Zimmer, in der Hand eine Schnur und einen daumdicken Haselnußstab, der etwa eine halbe Elle lang sein mochte. Er verband der Herzogin mit einem Taschentuch die Augen und sie zog es mit großer Kaltblütigkeit tiefer über ihre Augen hinunter, um ihn nicht zu sehen. Der Graf legte ihr die Schnur um den Hals, aber da sie nicht taugte, nahm sie der Graf wieder ab und entfernte sich einige Schritte; als die Herzogin ihn gehen hörte, hob sie das Taschentuch von den Augen und sagte:

      ‚Nun? Was geschieht?‘

      Der Graf antwortete:

      ‚Die Schnur war nicht gut, ich werde eine andre holen, damit Ihr nicht leiden müßt.‘

      53Als er diese Worte sprach, ging er hinaus und kam nach einigen Minuten mit einer andern Schnur ins Zimmer zurück; er legte ihr von neuem das Taschentuch über die Augen, schlang ihr die Schnur um den Hals, steckte den Stab durch den Knoten, drehte ihn herum und erdrosselte sie. Die Sache ging, was die Herzogin betraf, ganz im Ton einer gewöhnlichen Unterhaltung vor sich.“

      Ein andrer Kapuziner, Bruder Antonio von Salazar, schließt seine Aussage mit folgenden Worten:

      „Ich wollte mich zurückziehen, weil ich Bedenken hatte wegen meines Gewissens und um sie nicht sterben zu sehn, aber die Herzogin sagte zu mir:

      ‚Entferne dich nicht von hier, um Gottes Barmherzigkeit willen.‘

      Nun erzählt der Mönch die Umstände ihres Todes genau so wie wir sie eben geschildert haben. Er fügt hinzu:

      ‚Sie starb als gute Christin, immer wiederholend: Ich glaube, ich glaube.‘“

      Die beiden Mönche, welche offenbar von ihrem Vorgesetzten die nötige Genehmigung erhalten hatten, blieben bei ihren Aussagen, daß die Herzogin immer ihre völlige Unschuld beteuerte, sowohl in allen Unterredungen mit ihnen, wie in jeder Beichte und besonders auch in der Beichte, die der Messe voranging, wo sie das heilige Abendmahl empfing. Wäre sie schuldig gewesen, hätte sie sich durch diesen Stolz bloß in die Hölle gestürzt.

      In der Gegenüberstellung des Kapuzinerbruders Antonio von Pavia mit Don Leonardo del Cardine, sagte der Bruder:

      „Mein Gefährte sagte dem Grafen, daß es gut wäre, solange zu warten, bis die Herzogin niederkäme; sie ist 54seit sechs Monaten schwanger,“ fügte er hinzu, „und man sollte die Seele des armen unglücklichen Kleinen retten, den sie in ihrem Schoß trägt; man muß ihn taufen.“

      Worauf der Graf d'Aliffe antwortete:

      „Ihr wißt, daß ich nach Rom gehen muß, und ich will dort nicht mit dieser Maske vor dem Gesicht erscheinen.“ Mit dieser ungesühnten Schmach wollte er damit sagen.

      Kaum war die Herzogin tot, als die beiden Kapuziner darauf bestanden, daß man die Leiche ohne Verzug öffne, um das Kind zu taufen; aber der Graf und Don Leonardo hörten nicht auf ihre Bitten.

      Am nächsten Tag wurde die Herzogin in der Kirche des Orts mit einigem Gepränge bestattet. Ich habe den amtlichen Bericht darüber gelesen. Dieses Ereignis, dessen Kunde sich sofort verbreitete, machte wenig Eindruck; man hatte es schon seit langem erwartet; man hatte schon mehrere Male die Nachricht von diesem Tod in Gallese und in Rom verkündet und außerdem war ein Mord außerhalb der Stadt und zu einer Zeit, wo der h. Stuhl frei war, gar nichts Besonderes. Das Konklave, welches auf den Tod Paul IV. folgte, war sehr stürmisch; es dauerte nicht weniger als vier Monate.

      Am 26. Dezember 1559 war der Kardinal Carlo Carafa genötigt, bei der Wahl eines Papstes mitzuwirken, welcher von Spanien vorgeschlagen worden war und folglich allen strengen Maßnahmen willig zustimmen mußte, die Philipp II. gegen ihn, Kardinal Carafa, verlangen würde. Der Neuerwählte nahm den Namen Pius IV. an.