Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen. Diogenes Laertius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diogenes Laertius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783843800181
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und einige lebendige Wesen gebildet werden. Sonne und Mond halten sie für Götter und nennen die erstere Osiris, den letzteren Isis und deuten sie durch einen Käfer, Drachen, Habicht und andere Tiere an, wie Manethon in seinem kurzen Begriff der Naturlehre und Hekätus im 1. Buche von der ägyptischen Philosophie schreiben. Sie stellen Bilder auf und legen Heiligtümer an, weil sie die Gestalt der Gottheit nicht wissen. (11) Die Welt halten sie für erzeugt, für zerstörbar und für kugelförmig. Die Sterne halten sie für Feuer, durch deren Einfluss alles auf der Erde hervorgebracht werde. Der Mond werde verfinstert, wenn er in den Schatten der Erde komme. Die Seele sei unsterblich, und wandere aus einem Körper in den anderen. Die Regen entstünden durch Umwandlung der Luft. Diese und andere Dinge lehren sie über die Natur, wie Hekätus und Aristagoras schreiben. Sie haben auch Gerechtigkeitsgesetze gemacht, die sie dem Hermes zuschreiben. Sie verehren auch die nützlichen Tiere als göttlich. Ferner behaupten sie, die Sterndeuterei, die Rechnungskunde und die Erdmesskunst erfunden zu haben. – So weit von der Erfindung.

      8. (12) Den Namen Philosophie hat Pythagoras zuerst gebraucht und sich einen Philosophen genannt, da er sich mit Leon, dem Beherrscher der Sikyonier oder Philiaster unterhielt, wie der pontische Heraklides in seinem Buch von der Entseelten schreibt, denn kein Mensch sei weise, sagte er, sondern nur allein Gott. Vorher wurde nämlich das, was jetzt Philosophie heißt, Sophia oder Weisheit genannt, und die Männer, welche diese lehrten, hießen Sophen, oder Weise, als solche, die in die Tiefen der Seele ganz eingedrungen wären: Philosophen aber, oder Liebhaber der Weisheit, hießen die Schüler derselben.

      9. Nicht aber Sophen allein, sondern auch Sophisten wurden die Weisen genannt, welchen letztern Namen man auch den Dichtern beilegte; denn Kratin nennt im Archiloch, wo er Homer und Hesiod rühmt, diese beiden Sophisten. (13) Den Namen Weise führten folgende: Thales, Solon, Periander, Kleobul, Chilon, Bias, Pittakus; zu welchen man noch den Skythen Anacharsis, den Cheneer Myson, den Syrer Pherekydes, und den Kreter Epimenides hinzusezt. Einige zählen auch noch den Athener Fürsten Pisistrat darunter. Diese heißen Weise.

      10. Es gab aber eine zweifache Folge der Philosophen; eine von Anaximander und die andere von Pythagoras, wovon jeder den Thales gehört hat, Pythagoras aber war ein Zuhörer des Pherekydes. Die Philosophie der ersteren bekam den Namen der Ionischen, weil Thales ein Ionier aus Milet war, und Anaximander unterrichtete: die zweite ward von Pythagoras die italische genannt, weil dieser meistens in Italien lebte. (14) Jene, die ionische, hörte mit Klitomach, Chrysipp und Theophrast auf, die italische aber mit Epikur. Denn auf Thales folgte Anaximander, auf diesen Anaximenes, auf diesen Anaxagoras, auf diesen Archelaus, und auf diesen Sokrates, der Erfinder der Moralphilosophie. Auf ihn folgten mehrere Sokratiker, unter welchen Platon die alte Akademie stiftete, auf welchen Speusipp, Xenokrat, Polemon, Krantor und Krates folgten. Arkesilaus, der Nachfolger des letzteren, stiftete die mittlere Akademie, und auf ihn folgte Lakydes, ein Philosoph der mittleren Akademie, auf diesen Karneades und auf diesen Klitomach, bis auf welchen sie sich auf diese Art fortpflanzte. (15) Die Folge der Philosophen bis auf Chrysipp war diese: Sokrates’ Nachfolger war Antisthenes, auf diesen folgte Diogenes der Hund [= Kyniker], auf diesen Krates der Thebaner, auf diesen Zenon der Kittier, auf diesen Kleanth, auf diesen Chrysipp. Die Folge bis auf Theophrast war diese: Platons Zuhörer war Aristoteles, und dessen Zuhörer Theophrast. So pflanzte sich die ionische Philosophie fort. Die italische Philosophie nahm folgenden Gang: Pherekydes lehrte den Pythagoras, dem sein Sohn Telauges folgte, und diesen folgten Xenophanes, Parmenides, Zenon von Elea, Leukipp, Demokrit, auf welchen mehrere, und namentlich Nausphanes und Naukydes, folgten, deren Nachfolger Epikur war.

      11. (16) Von den Philosophen sind einige Dogmatiker, andere Ephektiker gewesen. Dogmatiker sind diejenigen, welche über die Dinge so, als wenn sie begriffen werden könnten, entscheiden. Ephektiker aber, die nichts bestimmen und so sprechen, als wenn nichts mit Gewissheit begriffen werden könne. Einige von ihnen haben Schriften hinterlassen, andere haben gar nichts geschrieben, zu welchen letzteren nach einigen Sokrates, Stipo, Philipp, Menedem, Pyrrhon, Theodor, Karneades und Bryson, nach andern auch noch Pythagoras und bis auf einige Briefe auch der Chier Ariston gehören. Einige haben nur ein Buch geschrieben, als Meliß, Parmenides, Anaxagoras; Zenon schrieb viele Bücher, noch mehr Xenophanes, noch mehr Demokrit, noch mehr Aristoteles, noch mehr Epikur, und noch mehr Chrysipp.

      12. (17) Einige Philosophen wurden nach den Städten benannt, wie die Elischen, Megarischen, Eretrischen, und Kyrenäischen; andere von den Lehrplätzen, wie die Akademischen und Stoischen; noch andere von zufälligen Dingen, wie die Peripatetiker: wieder andere hatten einen Spottnamen, wie die Kyniker; noch andere waren von ihren Gegenständen benannt, wie die Eudämoniker; einige benannte man von ihren Einbildungen, wie die Philalethen, die Elenchtiker, die Analogiker. Einige wurden nach ihren Lehrern benannt, wie die Sokratiker, die Epikureer, und mehrere. Einige heißen wegen ihrer Naturforschungen Physiker; andere von ihren Beschäftigungen mit der Moral Ethiker. Von der Art ihres Vortrags hießen einige auch Dialektiker, weil sie nach einer besonderen Schärfe und Genauigkeit des Ausdrucks strebten.

      13. (18) Es hat aber die Philosophie drei Teile, die Physik, Ethik und Dialektik. Die Physik beschäftigt sich mit der ganzen Welt und was in derselben befindlich ist; die Ethik mit dem menschlichen Leben und den Dingen, die sich auf uns beziehen; die Dialektik sucht für beide Seiten einer Sache Gründe auf. Bis auf Archelaus war nur die Physik üblich; seit Sokrates aber, wie schon vorher gesagt worden, die Ethik, und Zenon von Elea brachte die Dialektik empor. In der Ethischen Philosophie gab es 10 Sekten: die Akademische, Kyrenäische, Eleische, Megarische, Kynische, Eretrische, Dialektische, Peripatetische, Stoische und Epikurische. (19) Das Haupt der älteren Akademie war Platon, der mittlern Arkesilaus und der neueren Lakydes. Das Haupt der Kyrenäischen Sekte war Aristipp, der Eleischen Phädon der Eleer; der Megarischen Euklides der Megareer, der Kynischen Antisthenes der Athener; der Eretischen Menedem der Eretrier, der Dialektischen Klitomach der Karthager, der Peripatetischen, Aristoteles der Stagirit; der Stoischen Zenon der Kittier; der Epikureische wird von Epikur selbst benannt. Hippobot in seiner Schrift über die Philosophensekten sagt, dass deren neun und neun Schulen gewesen: die Megarische, Eretrische, Kyrenäische, Epikureische, Annikerische, Tyeodorische, Zenonische oder Stoische, die ältere Akademische, die Peripatetische: (20) der Kynischen, Eleischen, und Dialektischen erwähnt er nicht. Die Pyrrhonische Sekte rechnen die meisten nicht mit, wegen ihrer geringen Bekanntheit. Andere sagen, man könne sie in gewissen Stücken zwar eine Sekte nennen, in gewissen Stücken aber auch nicht; sie scheint aber eine Sekte zu sein. Eine Sekte ist nämlich diejenige, die in Ansehung dessen, was scheint, gewisse Gründe befolgt, oder zu befolgen scheint, und so könnte man mit Grund auch die Skeptische eine Sekte nennen: nennen wir aber eine Sekte diejenige, die mit einander übereinstimmende Lehrsätze behauptet, so möchte ihr der Namen einer Sekte nicht zukommen, denn sie hat keine Lehrsätze. Dies vom Entstehen der Philosophie, von den aufeinander folgenden Philosophen, von ihren Abteilungen und den verschiedenen Sekten in derselben.

      14. (21) Seit kurzem ist aber auch noch eine eklektische Sekte durch den Alexandriner Potamon eingeführt worden, der diejenigen Lehrsätze der verschiedenen Sekten auswählte, die ihm gefielen. Er hielt aber dafür, wie er in seinem Handbuche sagt, dass es Kennzeichen der Wahrheit gebe; eines, von welchem das Urteil ausgeht, oder das anführende und eines, durch welches geurteilt wird, oder die allergenaueste Vorstellung. Der Anfang aller Dinge sei die Materie, deren Beschaffenheit, Wirkung und Ort, woraus und von wem, wo und worin. Das Ziel, wohin alles strebe, sei ein in allen Tugenden vollkommenes Leben und ohne die körperlichen, natürlichen und äußeren Güter. Ich will aber nun von den Männern selbst reden, und zwar zuerst von Thales.

      Erstes Buch

      Erstes Kapitel

       Thales

      1. (22) Thales war, wie Herodot, Duris und Demokrit sagen, ein Sohn des Hexamius und der Kleobuline, aus dem Hause der Theliden, die zu den edelsten Phönikern gehörten und von Kadmus und Agenor abstammen, wie auch Platon bezeugt. Er bekam den Namen eines Weisen zuerst, als Damasius Archon zu Athen war, zu welcher Zeit auch die Sieben den Namen der Weisen bekommen haben, wie der Phalerier Demetrius