Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Gustav Goedel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Goedel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 4064066116279
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nach entgegengesetzter Richtung wie auf der südlichen, nämlich auf dieser mit, auf jener entgegen dem Zeiger einer Uhr. Es geht ihnen eine eigentümliche Windstille und tiefer Barometerfall voraus. Seitdem man das Drehungsgesetz kennt, kann man ausweichen, unter Umständen aber sogar die Drehung benutzen zu einer desto schnelleren Fahrt.

       Inhaltsverzeichnis

      Davit, das. Vorrichtung zum Aufhissen und Aufhängen der Schiffsbeiboote. Meyers Konversationslexikon behauptet mit einer Sicherheit die einer besseren Sache würdig wäre, das Wort sei englisch. Gewiß wird es jenseits des Kanals in derselben Bedeutung gebraucht, aber seine Wiege hat an deutscher Seeküste gestanden. Denn weder in der englischen Form davit, noch in der schwedischen david, noch in der dänischen davit, noch in der holländischen jutt gibt das Wort irgend einen Sinn, den gibt es nur im Deutschen, und zwar in seine Bestandteile zerlegt und in seiner ursprünglichen niederdeutschen Form: Dove Jitte, d. h. taube Jütte. Jütte ist ein gangbarer weiblicher Vorname, Koseform von Judith. Der Name diente einst allgemein zur allgemeinen Bezeichnung des weiblichen Geschlechts. Man sagt noch heute vielfach mal Jitte für albernes Frauenzimmer. Aus dem Mittelalter ist uns der Spruch erhalten: „Lange Kleder un körten syn, dat is syne arth der leven yuten,‟ Im „Reinke de Vos‟ heißt es, da Braun der Bär beim Bauer Rustefyl in die Klemme geraten war: „De Kärkher unde de koester bede. De kwemen dar ok mid erem geräde. De papen-meiershe (Pfarrköchin), de het fru Jütte, de was de, de de baste grütte konde bereiden un koken‟ ... Um Bremen herum und mehr nach Oldenburg und Ostfriesland hin sagte man Jitte. Eine „dove Jitte‟ ist nach dem „Bremer Wörterbuch‟ „ein Weibsbild das nicht gut hört.‟ „Jumfer Jitte mit dem holten Titte, Schimpfname für ein junges Frauenzimmer, deren Busen nicht sonderlich begabt ist.‟ Es kommt auch die Bezeichnung „dumme Jitte‟ eben so häufig vor wie dumme Trine, dumme Liese, schlampige Suse, faule Grete, dove Greetje. Ueberhaupt spielt die Volkssprache gern mit dergleichen Frauennamen. Man denke nur an „schnelle Kathrine.‟ So sagt man „Jumfer Kattel‟ für „menses‟ „Gretchen in der Küche‟ heißt ein ungeborenes Mädchen, wie „Jan im Keller‟ ein ungeborener Knabe. „Gretchen vom Deich‟ wird das Kreuzbramsegel genannt. „Frau Johanna‟, dame Janne, nannten die französischen Matrosen eine dickbauchige korbumflochtene Flasche, was mißverstanden als Demijohn ins englische überging und von da nach Norddeutschland kam, wo es für Korbflaschen, in denen Portwein, Madeira und dergleichen Getränke versandt werden, gebraucht wird und sich eine deutsche Aussprache mit ungewöhnlich langem i gefallen lassen muß. „Liese‟ heißt ein Trinkkrug nicht unbedeutenden Inhalts; „Liese‟ nannten die Soldaten in früheren Zeiten das Strohbündel, auf dem sie liegen mußten, wenn sie Stockprügel bekamen. Wie gern das Volk dergleichen Namen wählt, lehren die volkstümlichen Namen für Nigella damascena: Braut in Haaren, Jungfer im Grünen, Gretel im Grünen, Teufel im Busch, Gretel in der Hütte, Gretchen im Busch, Gretel in der Hecke, Gretel unter den Stauden. Und wie gern der Seemann mit dem ewig Weiblichen zu thun hat, beweist der Name „Jungfer‟ für einen Block von eigenartiger Gestalt. So ist es denn nicht zu verwundern, daß wir in seinem Munde die „dove Jitte‟ finden. Was aber bezeichnet er damit? Daß der Davit früher keine so verbesserte Vorrichtung zum Schwingen war wie heute, liegt auf der Hand. Vor hundert Jahren begnügte man sich noch mit einer recht einfachen Sache. Einfach sogar wörtlich genommen, denn damals bestand der Davit nicht aus zwei, sondern nur aus einem Balken, der zuerst gar nicht zum Bootaussetzen oder Einsetzen, sondern nur zum Ankerlichten bestimmt war. Roeding, der zu Hamburg 1794 das vortreffliche „Allgemeine Wörterbuch der Marine‟ herausgegeben hat schreibt über „taube Jütte‟: „Eine kurze und etwas gekrümmte Sparre von starkem Holz, an deren einem Ende sich eine Scheibe befindet. Sie wird gebraucht, wenn man den Anker im Boot lichtet. Man setzt nämlich die Jütte hinten ins Boot, so daß das Ende, woran die Scheibe befindlich, etwas über den Spiegel des Boots ragt. Über die Scheibe legt man alsdann das Bojereep und windet mit dem Bratspill darauf.‟ „Ähnliche, aber gerade Jütten gebraucht man auch in den Marssen, die Luvpardunen auszusetzen oder zu spannen‟ ... Man kann sich nun leicht vorstellen, daß die eine in Betracht kommende Sparre so in die Spur eingesetzt wurde, daß ein Mann sie mit beiden Armen umfaßte, etwa wie einer seine Jütte umarmt; es war aber nur eine hölzerne, herz- und gefühllose, „taube‟, dove Jütte (wie man auch von einer tauben Nuß spricht). Einmal nun im Scherz dove Jütte oder dove Jitt genannt, leuchtete dieser scherzende Vergleich bald allgemein ein, fand Beifall, Nachahmung, Aufnahme und erwarb sich schließlich in der zusammengezogenen bequeme Form davit (etwa über Dovjit, Dowit) Bürgerrecht in der Seemannssprache. Das Wort müßte demnach eigentlich die Davit heißen, wie der Seemann auch wohl sagt, die Marine schreibt aber der Davit; das Davit kann man auch hören, so daß für jeden Geschmack gesorgt ist. Die moderne Aussprache ist allerdings anglisierend Dävit.

      Deck, Mehrzahl: die Decks, seemännisch niemals Verdeck, ist, wie Decke, Dach, decken verwandt mit dem lateinischen tegere, bedecken, tectum, Dach; griechisch tegos, Dach. — Die Schiffe der Handelsmarine werden nach den Bauvorschriften des Germanischen Lloyds gemäß der Anordnung ihrer Decks benannt. Es gibt: 1. Volldeckschiffe mit drei oder vier Decks, 2. Spardeckschiffe, von etwas leichterer Bauart, 3. Hurrikan (Orkan-) Deckschiffe, 4. Sturmdeckschiffe, 5. Schiffe mit teilweisem Sturmdeck, 6. Schutzdeckschiffe, 7. Schiffe mit Schattendeck oder Schirmdeck (wie auf vielen Flußdampfern), 8. Glattdeckschiffe (ohne Aufbauten), 9. Brunnendeckschiffe (haben vorne und hinten je einen Aufbau, die Vertiefung dazwischen heißt der Brunnen), 10. Walrückendeckschiffe, bei denen die Seiten des Schiffes bogenförmig in das Hauptdeck übergehen, 11. Turmdeck- und Kofferdeckschiffe, bei denen der Laderaum gleichsam einen großen Koffer bildet, zum Selbsttrimmen der Ladung eingerichtet; darauf dann ein kleines Deck, das Turmdeck heißt, 12. Tankschiffe, (s. Tank). Bei einem der neuen großen Passagierdampfer unterscheidet man von oben nach unten gerechnet: 1. Bootsdeck, 2. oberes Promenadendeck, 3. Promenadendeck, 4. Brückendeck, 5. Hauptdeck, 6. Zwischendeck, 7. Unterdeck, 8. Orlopdeck. Dieses letztere war ursprünglich das einzige Deck, das zum Gehen für Menschen bestimmt war. Dieses Gehen an Deck hieß mittelniederdeutsch over (deck) lopen, daraus ist overlop geworden, (bei Kilianus overlop = boord van't schip) und das ist zu Orlop zusammengezogen; hat also mit Urlaub nichts zu tun, die wörtliche Übersetzung würde vielmehr etwa Lauf(-planke) sein. Insofern ein Deck aus (Decks-) Planken, aus Brettern, Dielen besteht hieß ein solches althochdeutsch dilla, mittelhochdeutsch dille, altnordisch thilja = Ruderbank; französisch tillac, spanisch tilla, portugiesisch tilha, Deck. — Früher sagte man zuweilen auch Raum anstatt Deck, s. Raum.

      Deckoffizier, der, eine ziemlich unglückliche allgemeine, zusammenfassende Bezeichnung für Maschinisten, Feuermeister, Feuerwerker, Bootsleute, Steuerleute, Zimmermeister, Materialienverwalter. Welcher Gedankengang der Bildung dieses jungen Wortes zu Grunde lag ist nicht recht erfindlich, es müßte denn sein, daß ursprünglich jedem der Deckoffiziere eines der verschiedenen Decks zur besonderen Beaufsichtigung zugedacht war. Aber auch das hat sich schon lange geändert; hat doch z. B. über das Zwischendeck ein Leutnant die Aufsicht und heißt dann Zwischendecksoffizier.

      Declination, s. Variation.

      Deich, der. Der das Land vor der See schützende Erdwall, im Hochdeutschen, in das das Wort erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts aus dem Niederdeutschen gedrungen ist, gewöhnlich Damm genannt. Ein für den ganzen Bestand vieler Länderstrecken unentbehrliches aber sehr kostspieliges Werk der Menschenhand, daher in doppeltem Sinne treffend in Ostfriesland „de golden hoop‟, der goldene Reif genannt. Das Wort ist mit Teig und mit Teich verwandt, sie stammen alle drei aus der Wurzel digh, bestreichen, verkitten, dichten, tasten, tastend formen (aus einer weichen, schlammigen Masse). Der Deich wird aus weicher, ausgegrabener Erde geformt. Weil diese Arbeit hauptsächlich mit dem Spaten geschieht, so hieß im altfriesischen dyka graben, und in dem ihm so nahe verwandten Angelsächsischen dic zugleich Deich und Graben. Altfranzösisch dik, französisch digue. Die Deichgeschworenen hießen altfriesisch dikaldermon. Die Leute die einen Deich bauen heißen diker und sind bei ihrer schweren Arbeit für ihren guten Appetit bekannt, wie sonst wohl die Scheunendrescher. Es konnte in früheren Tagen die Last des Deichens einem Besitzer so schwer werden, daß er lieber sein ganzes Besitztum aufgab und in die Fremde zog. Das tat er, indem er seinen