Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Gustav Goedel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Goedel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 4064066116279
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immer häufiger angewandt wird. („Lootsen- und Betonnungswesen‟). Nach der Farbe unterschieden giebt es weiße, schwarze, rote, gestreifte und gewürfelte Bojen. Nach ihrem Zweck: Ankerboje, Anseglungsboje, Hafenboje, Mooringsboje, Rettungsboje, Signalboje, Verholboje, Vertäuboje, Festmacherboje, Warnboje, Warpboje, Wrackboje, Deviationsboje. Boje ist ein Lehnwort aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich nur Fessel. Bei dem lateinischen Schriftsteller Festus kommt es mit der Erklärung vor: „genus vinculorum tam ferreae quam ligneae,‟ ist dann in das Altitalienische übergangen, wo es noch boja hieß, ins Provençalische, wo es die Form boia annahm, und ins Französische, wo es altfranzösisch als buie, Kette, Fessel vorkommt. — Weil der Henker dem Spitzbuben gleichsam eine Halsfessel anlegt, so heißt er im Italienischen boja. Boja bedeutet nicht bloß Kette, sondern irgend ein zum Fesseln geeignetes Ding, zum Beispiel einen Riemen, aus einer Tierhaut, genauer einer Ochsenhaut geschnitten, und da bos der Ochse heißt, so ist also Riemen aus Ochsenhaut die älteste Bedeutung. Nun fesselte man, band man fest an solchen Riemen, an ein Tau, an eine Kette ein Stück Holz in der Weise, daß das eine Ende am Holze fest war, das andere an einem auf dem Meeresgrunde liegenden Stein. Und bald übertrug man den Namen des haltenden Dinges auf das Gehaltene und nannte das Stück Holz nach der boja, die es festhielt, Boje. Offenbar hat sich diese Bedeutungsübertragung auf dem Durchgang durch das Französische vollzogen, wo 1702 Boje in der Form bouée vorkommt: „une marque faite d'un morceau de bois ataché à l'orin.‟ — Aber noch weiter ist man mit der Übertragung der Bedeutung gegangen, so weit, daß von der ursprünglichen gar nichts mehr vorhanden ist. Diese Neugeburt kam in drei Abschnitten zu Stande: 1. Boje = Fessel. 2., Boje = gefesseltes Stück Holz oder Kork oder dergl. 3., ein Stück (Ring von) Kork ganz ohne Fessel, frei durch die Luft als Rettungsboje dem ins Wasser Gefallenen zugeworfen. — Doch war im Holländischen vor 200 Jahren die Bedeutung Fessel auch den Seeleuten noch durchaus geläufig, denn einen „in de ysers of boyen setten‟, hieß einen in Eisen, in Fesseln legen. Kilianus, über 150 Jahre früher, hat das Wort als bouye = vinculum pedis; dann aber auch = anchoralia tabula, anchorae index in superficie aquae natans, also Ankerboje. Diese Bedeutung im übertragenen Sinne ist also die älteste und ist auch hauptsächlich in das Bewußtsein der (nichtseemännischen) Schriftsteller übergegangen: Schreibt doch Weiland: „boei = eene ton, of een blok hetwelk op het water dryft en de plaats aanwyst, waar het anker ligt.‟ Sonst kennt er auch boei noch als Band, „met de stalen boei aan 't been.‟ In der Mehrzahl heißt es: Gefängniß. Auch bildlich gebraucht: „met de boejen des huwelyks (der Ehe) belast.‟ — Siehe auch „Tonnenboyer.‟

      Bollwerk, das, kommt in der Seemannssprache nur im Sinne von „hölzerne Brücke‟ vor, aus Pfählen und Bohlen entlang einer Mauer, einem Wall oder Damm als Liegeplatz für Schiffe erbaut, oder auch ins Wasser hinausgebaut zum (vorübergehenden) Anlegen von Schiffen. So leidet es keinen Zweifel, daß das Wort von Bohle kommt. Schon im „Seebuch‟ 1400 lesen wir: „unde van Nergeden to Revele achter dat bolwerk, dat sind dre weke seys.‟ „dat Kors ist ost.‟ („weke sees‟ ist ein noch zweifelhaftes Wegemaß zur See aus jener Zeit.) Aus dieser Segelanweisung ersehen wir, wie sehr die Hansa auf gute Hafenanlagen bedacht war. — Das deutsche Wort drang als boulevard ins Französische; es war also von den Leuten zu Mainz doppelt Unrecht, daß sie anfänglich ihre schönste neue Straße Boulevard genannt haben. — Von Bollwerk kommt ein Zeitwort bollwerken, das ein Bollwerk machen bedeutet, figürlich aber für schwer arbeiten, scherzweise auch als verbollwerken für verarbeiten, bewältigen, verprügeln gebraucht wird.

      Bolzen, der. Alle die verschiedenen Arten von Bolzen die es an Bord gibt, haben, wie im ganzen deutschen Sprachgebiet, die Bedeutung eines (längeren oder kürzeren, dickeren oder dünneren) Nagels. Man unterscheidet aber je nach Gestalt und Bestimmung Ringbolzen, die am Kopfe einen beweglichen Ring haben, Augbolzen, deren Kopf ein Auge, eine augenförmige Öffnung hat; Splintbolzen, die an der Spitze ein kleines längliches Loch zum Durchstecken eines Splints haben usw. „Klar beim Bolzen!‟ ist ein aus seemännischem Munde oft zu hörendes, scherzweise auch da, wo es gar keine Bolzen zu besetzen und zu bedienen gibt, gebrauchtes Kommando mit der Bedeutung „nun aufgepaßt!‟

      Bonnet, das, ist bei uns veraltet, bei den Franzosen aber kommt es als bonnette, den Engländern als bonnet noch vor. Es ist eine Vergrößerung der Untersegel, die bei gutem Wetter und beständigem Winde angebracht wird. Also etwas Ähnliches wie Leesegel, nur daß ein solches neben dem eigentlichen Segel, das Bonnet aber an der Unterkante des Segels angebracht wird. Mittelhochdeutsch bonit, 1461: „en holk, geheten Marienknecht, mit deme segel, bonitzs, veer kabels, veer ankers‟ u. s. w. Bonnet war der Name einer Art von Zeug, Leinwand oder dergl., daher eine aus solchem Zeug verfertigte Mütze bonnet hieß und in England heute noch so heißt. Aus gleichem oder ähnlichem Zeug war auch die Verlängerung des Segels; man gebrauchte sie auch zum Verstopfen eines Lecks. — Da das Bonnet eine Verlängerung des Segels bedeutete, so nahm es auch, den Begriff Verlängerung besonders auffassend, ganz allgemein die Bedeutung „Verlängerung‟ an, Verlängerung eines Baumes, einer Leiter, eines Löschbordes u. s. w. — Eine andere Erklärung ist, da obige nicht ganz überzeugend zu sein scheint, unter Leesegel gegeben; sie dürfte vielleicht eher einleuchten, zumal im Französischen, vergl. Aubin, 1702, bonnette nicht nur Bonnet in obigen Sinne, sondern auch im weiteren Sinne Leesegel heißt und Leesegel ein Schönwettersegel bedeutet.

      Boot, das. In Hochdeutschland kommt dieses Wort auch heute noch kaum vor, dafür ist es desto weiter im niederdeutschen Sprachgebiet verbreitet; und was ein richtiger niederdeutscher Seemann ist, der sagt „die Boot‟. — Das erste Zeugnis für das Vorkommen des Wortes finde ich in einer Urkunde des Königs Äthelred (978-1016): „Qui ad pontem venisset cum uno bato, ubi piscis inesset.‟ In der Edda finden wir es als batr (neben eikja, einem aus einer Eiche ausgehöhltem Boote). Kluge sagt: „Der Ursprung von angels. bat = germ. baita — (vorgerm. bhoido — ?) ist noch nicht aufgeklärt.‟ — Die altnordische Form beit erinnert an das Schiffszimmermannswerkzeug Beitel, und von hier aus liegt die Vermutung nicht allzu fern, es möchte wegen der Bearbeitung mit dem Beitel dem Worte ein Stamm zu Grunde liegen, der graben, stechen, hauen, spalten bedeutet, zumal es ein mittelniederdeutsches Zeitwort booten gibt, das schlagen, stoßen, stechen bedeutet. An die Wurzel bhad stoßen, oder bhid hauen wird also zu denken sein, so daß Boot etwas Ausgehauenes oder Ausgestochenes, etwas aus einem Baumstamm mit dem Beitel Ausgehöhltes wäre, ein „Einbaum‟. Noch heute hat man in Ostfriesland das Zeitwort böten, schlagen, stoßen; althochdeutsch bozan. Und daneben in ganz Norddeutschland, im ganzen niederdeutschen Sprachgebiet das Zeitwort böten, heizen. Die beiden könnten mit einander verwandt sein, insofern zum Heizen die menschliche Tätigkeit des Stoßens, Stechens, Stocherns, Stokens unentbehrlich ist. Da aber böten auch feuern bedeutet, so erinnert es uns daran, daß man dem Beitel mit Feuer zu Hilfe gekommen ist und in uralten Zeiten das Boot mit Feuer ausgehöhlt hat, so daß uns also das Wort in die allerersten Culturanfänge zurückführen könnte. — Zusammensetzungen wie Bootssteurer, Bootssegel, Bootskompaß sind ohne Weiteres verständlich. Bootspfropfen nennt man den Korkpfropfen mit dem das kleine Wasserablaufloch im Boden des Bootes verstopft wird, ehe man das Boot zu Wasser läßt.

      Bootsmann, der. Der Deckoffizier dem die Aufsicht über die gesamte Takelage und das eigentlich Seemännische, soweit es Arbeitsverteilung und Verwaltung des Inventars betrifft, übertragen ist. Englisch boatswain, ein eigentümliches Wort, denn swein bedeutet Knecht, Schweineknecht, Schweinhirt; swain junger Hirt, Junge, Bursch der etwas mit der Schweinherde zu tun hat (vergl. Steward). Französisch bossemann. Im Seebuch 1400 kommt die Form boesman vor, sonst mittelniederdeutsch bosmann, wo es aber noch jeden bezeichnet, der in einem Boot ist, so daß also alle Leute im Boote Bootsleute waren; schließlich hieß überhaupt jeder Seemann bosmann. „De boslüde hebben Rode Clawes vorkregen, welk ein bose tyranne west was, und hebben en in grapenbraden stucke tohowen.‟ (Schiller und Lübben II. 153) s. a. Hochbootsmann. — Ein Bootsmannsstuhl ist eine (aus Segeltuch hergestellte) Sitzgelegenheit die an einem Tau auf- und niedergeholt werden kann. Er wird gebraucht Verwundete aus dem Mars an Deck niederzulassen, seemännische Arbeiten in der Takelage auszuführen und dergl. So nennt man auch den „Stuhl‟ der an einem Tau fährt, das vom Mast eines gestrandeten Schiffes an Land gegeben ist um Schiffbrüchige zu retten.

      Bootsmannshellegat, s. Hellegat.

      Bootsmannsmaat, siehe Maat.

      Bootsmannsstuhl,