Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache. Gustav Goedel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gustav Goedel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Математика
Год издания: 0
isbn: 4064066116279
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in die Erde, und jeder weiß was das bedeutet. — Solche Baken, also Pfähle mit Reisigbündeln, haben in alten Tagen für das Signal- und Nachrichtenwesen eine große Rolle gespielt. Wenn in Friesland hohe Fluten drohten oder ein Wind nahte, dann wurde die Gemeinde zusammengerufen durch „tha Klocka an to slan, iefta (oder) tha bekena of to stekene.‟ Oder die Gefahr wurde „mith boeda iefte bakena‟ den Freunden kund getan. Nachts ward das Reisigbündel auf der Stange angesteckt und hieß dann Feuerbake, „vierbaeck.‟ Es war den Wächtern genau vorgeschrieben, wann und in welchen Zeitabständen sie ihr Feuerzeichen zu entzünden hatten. Wie sehr aber in altfriesischen Zeiten der allgemeine Begriff von Zeichen noch galt, geht daraus hervor, daß auch das Läuten der Glocken ein baken genannt wird. Im Theuthonista (XV. Jahrh.) steht bake gleichbedeutend mit hagelkruys und bezeichnet ein zur Erinnerung an einen verwüstenden Hagel errichtetes Gedenkzeichen in Form eines Kreuzes. Im Angelsächsischen ward beácen sogar vom Kreuze Christi gebraucht, als Siegeszeichen, sige-beácen. Im Beówulf (VIII. Jahrh.) steht becn schlechthin als Zeichen; beácen heißt Feldzeichen, Feldherrnzeichen, was aber damals noch keine Flagge, sondern der am Mast aufgehißte Schild des Höchstkommandierenden war; auch kommt heofones-beácen vor, Himmelszeichen, d. h. Feuersäule. — Brennende Baken dienten als Hochzeitsfackeln im friesischen Brautzuge. — In dem oldenburgischen Saterland, jener friesischen Enclave im Moor nach dem Münsterländischen zu, wo sich viele Reste des Altfriesischen erhalten haben (gesammelt von J. U. Minßen und in Ehrentrauts friesischen Archiv veröffentlicht) feierte man noch im XIX. Jahrhundert den Dienstag Abend der Fastnacht als „Bekenseivend.‟ Darüber berichtet Strackerjan („Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg‟): „Wer noch beinhaft (gehfähig, also noch einigermaßen nüchtern) war, machte sich ein langes Strohbündel von 4 bis 6 Zoll im Durchmesser und 8 bis 12 Fuß Länge, das dicht und straff mit Bändern umwickelt war. Diese Beken (plattdeutsch Baken) wurden mit Dunkelwerden angezündet, und die Leute schwärmten damit in den Feldern umher, tolle Lieder singend und wild schreiend.‟

      Bake als Seezeichen im engeren Sinne, also nicht blos als Warnungszeichen, sondern als Wegzeichen oder vielmehr als Segelzeichen finden wir zum ersten Male in dem auf der Kommerzbibliothek in Hamburg aufbewahrten, von Karl Kloppmann, Arthur Breusing und Christoph Walter herausgegebenen „Seebuch‟, das um das Jahr 1400 geschrieben worden ist und zahlreiche Segeldirektionen enthält, mit Berücksichtigung der Tiden, Stromläufe, Seezeichen u. s. w. Da lesen wir: „also gy wilt segelen int Vly so sole gy den torne unde de baken over en bringen.‟ — Dann findet sich das Wort in einer alten Chronik des Landes Dithmarschen in ähnlichem Sinne: „Im Augusto vell ein gruwlich water ... welches allenthalben den acker und wege dergestalt verdekde, also dat men ... pale und baken stecken moste, dat man nicht des rechten weges feilede.‟ Kilian aber erklärt Bake schon nur mehr mit „seemerk‟ und nennt auch Bake das was heutzutage im seemännischen Gebrauche Boje heißt. Jedenfalls ist das Wort jetzt ausschließlich Seemannseigentum. Kluge erklärt es mit „Zeichen an der Hafeneinfahrt und zur Warnung vor Untiefen‟, und berichtet, daß es im Hochdeutschen zuerst von Sperander 1727 als „Leuchtturm‟ verzeichnet worden ist.

      Ins Englische ist das Wort schon zu der angelsächsischen Zeit übergegangen und es lautet jetzt beacon. Naturgemäß spielt es in dieser Sprache eine große Rolle: „a mark or object of some kind placed conspicuously on a coast or over a rock or shoal at sea for the guidance of vessels.‟ „Various hills in England got the name of Beacon from the fact of signal-fires having been formerly lighted on them.‟ Überhaupt scheint in England der Gedanke an Feuer oder Licht in den Begriff von beacon heute noch hineinzuspielen, denn das Zeitwort to beacon heißt to afford light or aid, as a beacon; to light up; to illumine; to signal, welch letztere Bedeutung sich mit besonderer Kraft behauptet hat, was uns das noch verwandte Zeitwort to beckon beweist, „to make a sign to another by nodding, winking, or a motion of the hand or finger‟. — Von beacon kommt dann weiter beaconage, eine Abgabe zur Unterhaltung der Baken. Das ward in Deutschland als juristen-lateinisches Wort beconagium bekannt, wie die Gelehrten des Bremer Wörterbuches uns berichten, ist zum Glück aber wieder außer Gebrauch gekommen. Die Bake selbst aber ist nicht nur geblieben, sondern hat sich im Laufe der Zeit und des großen technischen Fortschrittes der Seemannschaft zu etwas ganz anderem ausgewachsen als einer sich beim Anblick eines mittelalterlichen Strohwisches hätte träumen lassen. Gibt es jetzt doch sogar Baken, in denen Nahrungsmittel, Betten, Decken für Schiffbrüchige enthalten sind, also Rettungsbaken, wie es Baken mit Richtungsfeuer, Landerkennungsbaken, Pfahlbaken, Steinbaken, Treibbaken, Signalbaken und Winkbaken gibt. — Wegen der nahen Bedeutungsverwandtschaft ist Boje zu vergleichen. Das Wort Bake hat sich so allgemeine Geltung verschafft, daß es beinahe ausschließlich herrscht, und daß alle anderen Bezeichnungen für dieselbe Sache, wie Fuse, Prikke, Steuder, Wacker, Wethe kaum mehr bekannt und höchstens noch auf beschränktem Gebiet in einzelnen Gegenden im Munde der Leute sind. — Das älteste mir zu Gesicht gekommene Bild einer Bake hat Lucas Janszoon Waghenaer, Steuermann zu Enckhuysen, in seinem berühmten Buche: „Spiegel der Zeevaerdt,‟ das in Leyden gedruckt, in „Amsteeredam‟ in eben dem Jahre 1588 erschienen ist, in dem die „unüberwindliche Armada‟ überwunden ward. Da heißt es — vergl. Tonne — : „ende aen de ander zyden op de sanden ofte platen staen gemeenlyck de Baekens met korven bouen op in deser manieren‟, und ist dann eine Stange abgebildet mit einem Ball aus Korbgeflecht an der Spitze, wie man ihn auch heute noch als Sturmball etc. etc. gebraucht.

      Balje, die.

      1. Ein Wasserbehälter = Bütte.

      2. Ein Wasserlauf zwischen den Watten, fahrbar auch bei Ebbe, z. B. die blaue Balje bei Wangeroog.

      Französisch 1702: baille; holländisch 1702: baalie; Groningen: boalie, boalje, melkboalie, Melkeimer.

      Beide Bedeutungen sind aus alten Zeiten bezeugt, indem das „Seebuch‟ balge für Wasserlauf hat und der Teuthonista baly für vas, Faß. Das Gemeinschaftliche der Bedeutung ist der Begriff „Wasserbehälter‟. Die Balje im Watt behält ja ihr Wasser auch bei ablaufendem Wasser, bildet also gleichsam eine Balje im Sinne von Bütte. Es ist auf das unter „Bagger‟ Gesagte zu verweisen. Das heute noch in England gebräuchliche bag hieß altenglisch bagge, a beggars bagge, ein Bettelsack; gälisch bag, kymrisch baich, bretonisch beach = Last, Bündel. Der Dudelsack oder die Sackpfeife heißt im englischen bekanntlich bagpipe. „The bagpipe consists of a leathern bag, which receives the air from the mouth, or from bellows; and of pipes, into which the air is pressed from the bag by the performers elbow.‟ Was heute „a leathern bag‟ ist, das war, wie bekannt, früher ein Balg, Ziegenbalg oder dergleichen. Wenn wir nun bedenken, daß im Lombardischen der Weinschlauch baga heißt, und daß Weinschläuche nichts anderes waren und sind als Bälge, so kommen wir auf Balg als Etymon zu Bag. In der Tat sind überall die ersten Säcke der Menschen abgebalgte Tierhäute gewesen. Bag ist aus Balg durch Schwund des unbequemen l entstanden. Hieß doch im angelsächsischen bag noch baelg, und im gälischen kommt neben bag auch balg vor. Natürlich wurde solch ein Balg nicht bloß zum Weintransport benützt, er diente, namentlich auch bei seegehenden Schiffen, als Wasserbehälter und Wasserbehälter ist die Balje. Das Wort wird oft auch Balge geschrieben und erinnert in dieser Schreibart noch mehr an seine Abstammung von Balg. Gotisch balgs = Schlauch, mati-balgs = Brotsack, Reisetasche, Eßsack; althochdeutsch: balg, was ins keltische als bulga übergegangen ist; Festus: „bulgas Galli sacculos scorteos vocant‟. Mittelhochdeutsch: balc = Hülse (gleichsam das abgezogene Fell des Korns), Schlauch, großes Trinkgefäss. — Um zu verstehen, wie aus Balge Balje geworden ist genügt es, an die Schreibweise im „Seebuch‟ ballighe, oder noch einfacher und näher liegend an die weitverbreitete Aussprache des g wie j zu denken.

      Ballast, der. Eine Last aus Sand, Eisen etc. die nur eingenommen wird um dem Schiffe den nötigen Tiefgang zu verleihen. — Über die Bedeutung diese Wortes ist vielerlei vermutet worden. Es sollte von Bale = Bole = Last kommen, weil es eine Last sei, die auf Bohlen liegt. Aber dann wäre jede Last Ballast, denn worauf soll sie anders zu liegen kommen als auf Bohlen? — Es sollte Back-Last, Rücklast, sein; allein, nicht jede Rücklast ist Ballast, sie kann sogar sehr wertvoll sein. Dann hat man an das keltische bal = Sand gedacht, aber nicht jeder Ballast ist Sand. Halbertsma hat sich folgender Phantasie hingegeben: Bar-lest = saburra, ex bara, unda, et lest, onus; „saburra enim impedit quo minus vacua navis vi undae et venti in latus prosternatur‟. — Und doch ist die Erklärung, auf