»In… in…«
»Da, nimm eine Zigarette«, sagte Studer freundlich. Es dauerte eine Weile, bis sie brannte.
»Schau, Augsburger«, erklärte Studer milde. »Wenn du nicht nachweisen kannst, wo du in der Nacht warst, in der ein gewisser Wendelin Witschi ermordet worden ist, so kann ich dir nur eines sagen: Ich… Aber nein, ich habe dann gar nichts mehr mit dir zu tun. Das Schwurgericht wird dann schon wissen, was es zu tun hat. Es war nämlich ein Raubmord…«
»Aber den hat der Schlumpf doch gestanden!« rief Augsburger.
»Und hat soeben sein Geständnis widerrufen, vielmehr, ich hab’ ihm bewiesen, dass er unmöglich den Mord hat begehen können. Und dann hat sich noch ein Zeuge gefunden, der beschwört, mit dem Schlumpf zur mutmaßlichen Zeit des Mordes zusammengewesen zu sein.«
»Dann hat er mich angelogen!« sagte Augsburger böse.
»Wer?«
»Der alte Ellenberger.«
»So, und warum hast du in der Samstagnacht das Auto vom Gemeindepräsidenten gestohlen?«
»Es war zu heiß in Gerzenstein«, sagte Augsburger, aber die Unbekümmertheit klang ein wenig gedrückt.
»Und warum bist du gerade auf den Bahnhofplatz gefahren, wo du doch ganz sicher warst, dass ein Polizist dich schnappt?«
»Ich hab mich verirrt, ich wollt nach Interlaken weiterfahren…«
»Und da bist du durch die Stadt gefahren, wo doch jedes kleine Kind weiß, dass die Straße oben durchfährt?«
»Ich hab’ noch etwas trinken wollen…«
Immer zögernder die Antworten.
»Und wo hast du den Browning gestohlen?«
»Den Browning?« Augsburger begann die Fragen zu wiederholen, das war ein gutes Zeichen, Studer wusste, nun hatte er ihn bald. »Den Browning?« Dann sehr schnell:
»Der ist beim alten Ellenberger auf dem Schreibtisch gelegen, dort hab ich ihn genommen…«
»Hm.« Studer schwieg. Es schien zu stimmen. Der alte Ellenberger hatte vor vierzehn Tagen in Bern einen 6,5 Browning gekauft. War es dieser? Den anderen hatte der Armin verstecken lassen in der Küche der Frau Hofmann, verstecken durch wen? Das war im Augenblick gleichgültig.
»Du hast beim Ellenberger gewohnt?« fragte Studer wieder.
»Ja.« Augsburger nickte ein paarmal.
»In welchem Zimmer?«
»Oben unter dem Dach.«
»Warum hat dich der Ellenberger aufgenommen?«
»Oh, nur so, aus Mitleid.«
»Hast du die anderen gesehen?«
»Selten. Der alte Ellenberger hat mir immer das Essen gebracht.«
»Und er hat dir gesagt, du sollst das Auto vom Gemeindepräsidenten stehlen, dich in Thun erwischen lassen und dann versuchen, den Schlumpf zu bestimmen, ein Geständnis abzulegen?«
»Wie? Was?« fragte Augsburger. Er schien ehrlich erschrocken, und doch kam es Studer je länger je mehr vor, als ob der Bursche ein eingelerntes Theater spiele.
»Du hast doch dem Schlumpf gesagt, er solle sich gestern zum Verhör melden, und dann dem Untersuchungsrichter sagen, er habe den Witschi umgebracht. Und du hast ihm doch einen sehr zwingenden Grund für dieses Geständnis angeben müssen. Ihm zum Beispiel sagen, man habe entdeckt, dass mit dem Mord nicht alles stimme, dass man an einen Selbstmord glaube und dass die ganze Familie in Gefahr sei, wegen Versicherungsbetrug verhaftet zu werden. Und dass es deshalb am besten sei, wenn der Schlumpf die Sache auf sich nehme. War’s so? Das darfst du ruhig zugeben, wenn’s so gewesen ist. Wir brauchen nur den Schlumpf zu fragen.«
»Das hätten wir vorher machen sollen«, sagte der Untersuchungsrichter seufzend. »Aber Sie sind immer so stürmisch, mein lieber Studer, ich komme gar nicht zu Worte.«
»Sie haben selbst gar nicht daran gedacht!« antwortete Studer kurz. »Aber wir können den Schlumpf ja immer noch holen lassen. Eine Konfrontation… Doch bevor wir zu dieser Konfrontation schreiten, habe ich dem Mann da noch ein paar Fragen zu stellen.«
Er schwieg und dachte nach.
»Der Revolver ist bei dir gefunden worden, Augsburger, du wirst nie beweisen können, dass du ihn vom Schreibtisch des alten Ellenberger fortgenommen hast. Das ist dir doch klar, oder? Ellenberger wird es aber leugnen. Du wirst nicht beweisen können, dass du in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch im Bett gelegen bist. Oder wird der alte Ellenberger dir das bestätigen können?«
»Ich – ich glaub’ schon.«
»Gut. Also wer hat dir den Auftrag für den Schlumpf gegeben? Red’ doch.«
»Der – der Armin Witschi…«
»Und du hast sagen sollen, der Auftrag käme von seiner Schwester?«
»Ja.«
»Hast du allein mit ihm gesprochen? Mit dem Armin mein’ ich?«
»Ja, es war niemand anderer dabei.«
»Woher hast du ihn gekannt?«
»Oh, so… Ich hab ihn gesehen… Früher schon.«
»Ich hätte gerne noch das gestohlene Auto gesehen; aber vielleicht hat es der Herr Gemeindepräsident schon geholt?«
»Ja, gestern.« Der Untersuchungsrichter nickte.
»Desto besser!« meinte Studer. »Sobald ich Neues weiß, berichte ich Ihnen. Übrigens, Sie können den Schlumpf wieder in eine Einzelzelle tun. Er wird nicht mehr probieren, sich aufzuhängen… Wiederluege mitenand!«
Das ›Mitenand‹ bereitete Studer eine besondere Freude.
Er lachte noch still, als er den Gang entlangging, um Sonja abzuholen.
Besuche
Sonjas Hände lagen auf Studers Schultern. Er fand diese Berührung angenehm. Auch hatte es aufgehört zu regnen, der Himmel war weiß. Die Brise wehte kalt, aber Studer fuhr mit dem Wind, da schadete es nicht viel. Ein guter Karren, den sich der Landjäger Murmann da zugelegt hatte. Er machte nicht viel Lärm. Wenn Studer auf die schwarze Asphaltstraße herniedersah, wurde sie von weißen Strichen gemustert. Es wäre alles gut und schön gewesen, aber der Wachtmeister fühlte sich nicht im Blei. Der Kopf schmerzte ihn, außerdem machte sich auf der rechten Seite der