ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351257
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einen wissenden Blick zu, woraufhin sich der Jüngere sofort bei einem Mann entschuldigte, mit dem er gesprochen hatte, und zu einem Eckzimmer ging.

      Die generelle Stimmung machte den Senator nervös. Unter normalen Umständen wäre er stolz, vielleicht sogar ein Stück weit begeistert gewesen, weil der Vollstreckungsapparat der Vereinigten Staaten so diensteifrig daran arbeitete, ein schreckliches Verbrechen aufzudecken, doch die Situation, in der er sich hier einfand, war alles andere als normal. Zum Glück schwang Castellano das Zepter und sorgte hoffentlich dafür, dass niemand eine Verbindung zwischen ihm und den Ereignissen herstellte, deretwegen gerade nachgeforscht wurde. Dies zu tun war im besten Interesse des Agenten, sowohl aus privaten als auch beruflichen Gründen.

      Er hielt die Tür auf, während Kemiss hereintrat, und schloss sie dann leise. Auf der quadratischen Grundfläche des Raumes stand ein Schreibtisch, auf dem sich Papiere stapelten. Auf den Fotos in diesem Büro war niemand zu sehen, den der Senator wiedererkannte. Er ging davon aus, dass es einem Agenten gehörte, der die Außenstelle bis zum vorangegangenen Abend geleitet hatte und sich jetzt mit jemand anderes eine Wabe im Saal teilen durfte.

      »Was gibt es Neues?«, fragte Kemiss, während er kurz Castellanos Schulter berührte, nachdem dieser die Tür geschlossen hatte.

      »Ein Staatspolizist hat die Geländewagen in der Nähe eines Bauernhofs im Spotsylvania County entdeckt. Beide waren bis auf die Radachsen heruntergebrannt, so wie wir es ihm befohlen hatten.«

      Kemiss nickte. »Gut – und sie lassen sich auch wirklich nicht über die Autovermietung zurückverfolgen?«

      »Bis die Einheiten im Einsatz die Autos dem Verleih zuordnen können, kann nicht viel Zeit vergehen, aber sie werden nichts weiter herausfinden, als dass der Mieter jemand von der türkischen Botschaft war, der ein Konto des Diplomatischen Korps angegeben hat, und die Fahrzeuge gestern um 17 Uhr als aus einem Parkhaus gestohlen gemeldet worden waren.«

      »Was ist mit dem Zeugen? Wie, sagtest du, heißt er noch gleich?«

      »Declan McIver. Ich habe ihn heute Morgen verhört.«

      »Und?«

      »Anscheinend war Kafni viel besser informiert, als wir ahnten. Er wusste wohl, dass Baktayew das Gefängnis verlassen hatte. Er erzählte McIver, dass der Tschetschene dort ausgebrochen und womöglich hinter ihnen beiden her wäre. Wie es aussieht, tötete McIver Baktayews älteren Bruder, als er Kafnis Leibwächter war.«

      Kemiss fasste sich mit einer Hand an den Kopf und kratzte frustriert an seinem glatt rasierten Kinn. »Genau das hatte ich befürchtet.« Er wandte sich von Castellano ab und schaute durchs Fenster nach unten auf die Straße durch den Gebäudeblock. »Wie zur Hölle konnte Kafni erfahren haben, dass Baktayew auf freiem Fuß war?«

      »Ein Großteil dessen, was Abidan Kafni vor seiner Übersiedlung in die Staaten getrieben hat, wird sorgfältig unter Verschluss gehalten. Dennoch können wir uns beruhigen, David. Baktayews Verwicklung in diesen ganzen Trubel, wird sowieso über kurz oder lang herauskommen. Dass jemand über ihn Bescheid weiß, ist eigentlich nicht so schlimm. Sorgen müssen wir uns erst machen, wenn es öffentlich wird, also darf niemand erfahren, dass er im Land ist, bis wir das alles endgültig erledigt haben.«

      »Und wie bitteschön sollen wir sicherstellen, dass dieser McIver den Mund hält? Er ist schließlich nicht so prominent, dass wir ihn tagein, tagaus überwachen könnten, sondern nur zufällig hineingeraten und ein Risikofaktor.«

      Castellano nickte, als habe er Kemiss' Reaktion bereits kommen sehen. »Ja, das ist er.«

      »Und wir dürfen gerade jetzt keinerlei Risiken eingehen. Was wissen wir über ihn? Jeder hat Leichen im Keller, finde sie.«

      Während er die Hände in seine Hosentaschen steckte und mit Münzgeld klimperte, das sich darin befand, ging Castellano um den Tisch und setzte sich. »Das habe ich schon.«

      Damit nahm er eine Mappe von der Arbeitsfläche und schlug sie auf. »Declan Sean McIver, geboren in Calway, Irland. Eltern nicht aufgeführt. Aus der Akte geht hervor, dass er in einem Waisenhaus in Ballinasloe aufwuchs, doch darauf folgte eine Lücke in seinem Lebenslauf, bis er hierher in die USA übersiedelte.«

      »Also blieb er wie vom Erdboden verschluckt, solange er nicht alt genug war, um mit einem Schiff auszureisen? Warum glaube ich das nicht?«

      »Vermutlich, weil diese Einwanderungsakte so dünn ist, wie es eigentlich nicht sein kann. Irgendwie mauserte sich Mr. McIver vom Fischer in Irland zum Bodyguard in den Vereinigten Staaten. Er saß aufgrund seiner Beteiligung an mehreren Gewalthandlungen, die zu einem Mordversuch an Dr. Kafni und dessen Angehörigen führten, für zwei Monate in einem Gefängnis in Massachusetts, nachdem er sich eingemischt und ihre Leben gerettet hatte. Laut den Aufzeichnungen zu diesem Vorfall, die ich ausgegraben habe, wurde er aus der Haft entlassen, nachdem Kafni die ganze Sache an Adam Ryan herangetragen hatte, den seinerzeit amtierenden Gouverneur von Massachusetts. Der Doktor behauptete, McIver sei als sein Angestellter zugegen gewesen, und Staatsbeamte hätten die entsprechenden Papiere verlegt.«

      »Also gelangte er von Irland aus über Israel nach Amerika?«

      »So scheint es, aber dokumentarisch belegen lässt sich das nicht. Allem Anschein nach war Gouverneur Ryan ein überzeugter Verbündeter der israelischen Regierung und besaß eine diplomatische Beziehung zu dem damaligen Premier Asher Harel.«

      »Na toll, also half Ryan dabei, dieses krumme Ding durchzuziehen, und jetzt müssen wir alle dafür büßen.«

      »Na ja, wenn du mich fragst, findet man solche Lücken nur in Lebensläufen von Personen, die in irgendeiner Weise beim Militär gedient haben, doch diesbezüglich lässt sich rein gar nichts finden; genauer gesagt keinerlei Informationen aus der Republik Irland, ja nicht einmal eine Geburtsurkunde.«

      »Worauf willst du hinaus?«

      »Darauf, dass diese Einwanderungsakte komplett erfunden ist und McIver etwas ziemlich Ernstes verbirgt. Wir müssen nur herausfinden, worum es sich handelt, und es uns zunutze machen.«

      Kemiss steckte nun ebenfalls die Hände in die Hosentaschen und starrte zum Fenster hinaus.

      »Das gefällt mir nicht. Solche Informationen zutage zu fördern könnte Monate dauern, falls sich überhaupt etwas ergibt. Selbst wenn da irgendetwas übertüncht worden ist, gibt es eine Menge Leute, die insgeheim Sonderrechte genießen und trotzdem nichts weiter tun, als sich die Ärsche platt zu sitzen … aber sagen wir mal, er wäre wirklich ein Spion oder so etwas in der Art: Wie genau soll uns das weiterhelfen? Im schlimmsten Fall stellt er deshalb eine umso größere Bedrohung dar.«

      »Dann müssen wir einfach zu Plan B übergehen.«

      Kemiss sah Castellano mit hochgezogener Augenbraue von der Seite an.

      »Unsere Freunde von dem Sicherheitsdienst gestern Nacht hätten sicherlich nichts gegen etwas mehr Arbeit«, deutete Castellano an.

      »Dann sieh zu, dass sie Arbeit bekommen.«

      Kapitel 15

      16:36 Uhr, Eastern Standard Time – Freitag, Virginia Baptist Hospital, Lynchburg, Virginia

      Die Schiebetür öffnete sich mit einem elektrischen Summton, sodass Declan kurz von der Sonne geblendet wurde, als er das Krankenhaus mit Constance an seiner Seite verließ. Sie war verstimmt wegen seines vertraulichen Gesprächs mit Osman und Nazari, doch er hatte ihr versichert, dass alles wieder gut würde. Mit dem Wunsch, sich auch selbst so einfach davon überzeugen zu können, schützte er seine Augen vor der Helligkeit; es war halb fünf am Nachmittag, und die Sonne stand niedrig am Himmel. Es tat gut, draußen zu sein, nachdem man ihn die ganze Nacht und die Hälfte des Tages in der Klinik festgehalten hatte. Ein lauer Wind wehte über den Parkplatz, und die hohe Luftfeuchtigkeit, die typisch für den Frühling war und durch den jahreszeitlich bedingten Regenguss am Abend zuvor begünstigt wurde, durchdrang alles.

      Vor Constances Wagen blieb Declan stehen. »Ich habe mir von Regan einen Firmenwagen besorgen