23Krähennest: Mastkorb für den Ausguck.
24Amphipoden: Seeläuse.
25Faden: Langen- und Tiefenmaß. Der sogenannte nautische Faden entspricht 6 Fuß bzw. 1,883 m.
26Backbord: die linke Schiffsseite, links; Steuerbord ist die rechte Schiffseite, rechts.
27Lucas-Lotmaschine: Gerät zur Auslotung von Wassertiefen, die mit einem klassischen Handlot nicht mehr messbar sind. Der Draht wickelt sich über eine Trommel ab und wird per Handkurbel oder auch Dampfkraft wieder eingeholt.
28Aquitania: ein 1914 fertiggestellter Passagierdampfer für den Transatlantikverkehr. Wurde im Ersten Weltkrieg als Truppentransporter und Lazarettschiff verwendet.
29Terrigen: aus Erosion von Festlandfelsen stammend.
30Radiolaria: Strahlentierchen (Einzeller).
31Krängung: bezeichnet die Schlagseite eines Schiffs.
KAPITEL 2
Neuland
Der erst Tag des neuen Jahres, der 1. Januar 1915, war wolkig, bei einer leichte Brise aus Nord und gelegentlichen Schneeschauern. Am Abend verbesserten sich die Eisverhältnisse, und nach 20 Uhr pflügten wir schnell durch sprödes junges Eis, das sich mit dem Schiff ohne Schwierigkeiten zerbrechen ließ. Einige Stunden später kam ein leichter Sturm mit stetem Schneefall aus Ost auf. Am 2. Januar gerieten wir nach 4 Uhr in dichtes altes Packeis, das Anzeichen hohen Drucks aufwies. Es war sehr zerklüftet, aber bis zum Mittag gab es große Flächen offenen Wassers und lange Fahrrinnen Richtung Südwest. Unsere Position war 69° 49' S und 15° 42' W. Wir hatten in den letzten vierundzwanzig Stunden also 124 Meilen Richtung S 3° W zurückgelegt, was sehr erfreulich war.
Am Nachmittag blockierte schweres Packeis unseren Weg. Es wäre ohnehin beinahe unmöglich gewesen, das Schiff ins Eis zu steuern, aber der Sturm hätte ein solches Vorgehen noch dazu höchst riskant gemacht. Daher wichen wir nach Westen und Norden aus und suchten eine Durchfahrt Richtung Süden. Diese Verzögerung war ärgerlich, denn die gute bisherige Fahrt hatte mich hoffen lassen, am nächsten Tag Land zu sichten. Ich wollte vor allem der Hunde wegen an Land. Sie hatten vier Wochen lang keine ausreichende Bewegung gehabt, und ihr Zustand verschlechterte sich allmählich. An diesem Tag passierten wir mindestens zweihundert Eisberge und sichteten zudem große Massen an zerklüfteten Eis aus den Buchten und dem antarktischen Eisgürtel. Eine Scholle aus dem Buchteneis zeigte Spuren von schwarzer Basalterde, und ein großer Eisberg wurde von einem breiten braungelben Band durchzogen. Diese Verunreinigung könnte von Vulkanasche herrühren. Viele der Berge besaßen bizarre Formen. Einer glich bis in die Einzelheiten einem Ozeandampfer mit zwei Schornsteinen, es fehlte nur der Rauch. Später fanden wir eine Öffnung im Packeis und fuhren neun Meilen nach Südwest. Die Rinne endete jedoch am 3. Januar um 2 Uhr nachts in undurchdringlichem zerklüftetem Eis. Es kam ein leichter Sturm mit Schneegestöber auf und nahm uns jegliche Sicht. Das zerklüftete Eis eignete sich nicht als Ankerplatz, sodass wir gezwungen waren, zehn Stunden hin und her zu fahren, bevor wir auf der Leeseite eines Eisbergs von 120 Fuß Höhe an einer kleinen Scholle festmachen konnten. Der Berg brach den Wind und bewahrte uns davor, nach Lee abzudriften. Unsere Position war 69° 59' S und 17° 31' W. Um 19 Uhr holten wir den Eisanker ein, fuhren südwärts und passierten um 22 Uhr einen kleinen Eisberg, den das Schiff zwölf Stunden zuvor beinahe touchiert hätte. Offenbar kamen wir nicht weit voran. Einige der Eisberge, an denen wir an diesem Tag vorbeikamen, bestanden aus festem blauem Eis, was ihre Herkunft von einem Gletscher verriet.
Um Mitternacht des 3. Januars mussten wir nach elf Meilen Richtung Süden haltmachen, als wir in einen so dichten Schneefall gerieten, dass nicht mehr zu erkennen war, ob man in Rinnen und Öffnungen einfahren konnte oder nicht. Das Eis war zerklüftet, doch glücklicherweise ließ der Sturm nach, und nachdem wir Wasserflächen und Fahrrinnen um uns herum geprüft hatten, wandten wir uns zurück nach Nordosten. Wir sichteten zwei Pottwale und zwei große Blauwale – die ersten seit 260 Meilen –, außerdem etliche Sturmvögel, Adelie- und Kaiserpinguine, Krabbenfresserrobben und Seeleoparden. Die klare Sicht am Morgen zeigte uns, dass das Packeis von Südost nach Südwest massiv und undurchdringlich war. Am 4. Januar um 10 Uhr kamen wir erneut auf fünf Yards an den kleinen Eisberg heran, den wir am Tag zuvor schon zwei Mal passiert hatten. Seit fünfzig Stunden waren wir unter Dampf über eine Fläche von zwanzig Quadratmeilen gekreuzt, um eine Öffnung nach Süden, Südost oder Südwest zu finden, aber alle Wasserrinnen verliefen nach Norden, Nordost oder Nordwest. Es war, als wollten die Geister der Antarktis uns den Rückweg weisen – den wir auf keinen Fall einzuschlagen gedachten. Unser Ziel war es, so weit nach Südwesten zu kommen, dass wir Festland erreichten, möglichst östlich von dem südlichsten Punkt, zu dem Ross32 vorstieß, und auch östlich von Coatsland. Das war umso wichtiger, als die vorherrschende Windrichtung Ost zu sein schien und daher jede Meile Richtung Osten zählte. Am Nachmittag fanden wir im Westen offenes Wasser, und bis 4 Uhr fuhren wir Westsüdwest bei immer weniger Eis voraus. Die Sonne stand um Mitternacht über drei Grad hoch am Himmel, und wir konnten bei anhaltend gutem Wetter bis zum folgenden Mittag in diese Richtung weiterfahren. Unsere Position war 70° 28' S und 20° 16' W und wir hatten zweiundsechzig Meilen Richtung S 62° W zurückgelegt. Um 8 Uhr gab es von Nord über West bis Südwest offenes Wasser, gegen Süd und Ost aber nur undurchdringliches Packeis. Um 15 Uhr war der Weg nach Südwest und Westnordwest völlig versperrt. Da wir ohnehin ein Stück nach Westen abgekommen waren, hielt ich es auf keinen Fall für geraten, noch mehr von dem schwindenden Vorrat an Kohle zu verbrennen, um nach Westen oder Norden zu fahren. Ich führte das Schiff auf unserem Kurs etwa vier Meilen zurück zu einer Stelle, wo etwas loseres Packeis die schwache Hoffnung auf eine Durchfahrt weckte. Aber nachdem wir drei Stunden mit stark zerklüfteten Eis gekämpft hatten und vier Meilen nach Süden vorgedrungen waren, brachten uns enorme Blöcke und Schollen aus sehr altem Eis zum Stehen. Jeder weitere Versuch schien aussichtslos, und so gab ich, nachdem wir die Endurance an einer festen Scholle verankert hatten, Befehl, die Maschinen zu drosseln. Das Wetter war schön und einige Fußballbegeisterte trugen auf der Scholle ein Spiel aus, bis Worsley gegen Mitternacht durch ein Loch im morschen Eis fiel, aus dem er den Ball herausfischen wollte. Jetzt musste er selber herausgefischt werden.
Am folgenden Morgen, dem 6. Januar, versperrte noch immer massives Packeis den Weg nach Süden. Nördlich der Eisscholle gab es etwas offenes Wasser, doch da es windstill war und ich keine Kohle für eine möglicherweise fruchtlose Suche nach einer südlichen Durchfahrt vergeuden wollte, blieb das Schiff an der Eisscholle vor Anker. Diese Pause bei schönem Wetter bescherte uns die Gelegenheit, die Hunde zu bewegen. Die Hundeführer brachten die Tiere, die ganz außer Rand und Band waren, auf die Scholle. Einige schafften es, ins Wasser zu springen, und andere ließen sich von den Maulkörben nicht daran hindern, sich hitzige Gefechte zu liefern. Zwei Hunde, denen es gelungen war, ihre Maulkörbe abzustreifen, fielen kämpfend in ein Eisloch. Als wir sie herauszogen, waren sie noch immer ineinander verbissen. Aber trotz allem genossen Männer und Hunde den Auslauf. Eine Lotung ergab eine Tiefe von 2400 Faden, und die Bodenprobe enthielt blauen Schlamm. Am nächsten Morgen frischte der Wind aus West auf, und wir begannen, den nördlichen Rand des massiven Packeises in östlicher Richtung zu umsegeln. Bis Mittag kamen wir vom dichten Packeis weg, aber der Blick nach Süden gab nur wenig Hoffnung, entscheidend voranzukommen. Daher bemühte ich mich jetzt, weiter nach Osten zu gelangen. Wir segelten Richtung Nordost und passierten nach neununddreißig Meilen einen Eisberg, dem wir schon vor sechzig Stunden begegnet waren. Um uns herum tauchten nun Schwertwale auf, und ich musste darauf achten, keinem