Der Wolfsführer. Александр Дюма. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Александр Дюма
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
das Ufer sehr hoch und steil war, so dachte Thibault, der Damhirsch würde es nicht wagen, den Bach zu durchwaten.

      Er verbarg sich deßhalb hinter einem Felsen nahe bei der Brücke und wartete.

      Bald sah er, zehn Schritte von dem Felsen, auf einmal den zierlichen Kopf des Damhirsches sich emporrichten, der seine Ohren nach der Windseite hielt, um das Getöse zu vernehmen, das seine Feinde machten.

      Freudig erregt über diese plötzliche Erscheinung, erhob sich Thibault hinter seinem Stein, nahm seinen Spieß fest in die Hand und schleuderte ihn hastig nach dem Thiere.

      Der Damhirsch machte einen Sprung bis mitten auf die Brücke, dann einen zweiten, der ihn bis ans andere Ufer brachte, und endlich einen dritten, womit er den Blicken Thibaults entschwand.

      Der Spieß war wenigstens einen Fuß von dem Thier und fünfzehn Schritte von seinem Besitzer hinweg in den Rasen gefahren.

      Niemals hatte sich Thibault eine solche Ungeschicklichkeit zu Schulden kommen lassen, Thibault, der sicherste Werfer unter allen französischen Handwerksburschen.

      Er war auch ganz wüthend über sich selbst, raffte seine Waffe auf und sprang ebenso schnell als der Damhirsch über die Brücke, welche das Thier passirt hatte.

      Thibault kannte die Gegend so gut wie der Damhirsch selbst. Ei: lief ihm also weitaus den Rang ab und stellte sich hinter einer Buche auf der Mitte des Abhangs, nicht sehr weit von einem kleinen Fußsteig, auf die Lauer.

      Diesmal kam der Damhirsch so nahe an Thibault vorbei, daß dieser sich fragte, ob er ihn nicht lieber mit seinem Spieß todtschlagen als todtwerfen solle.

      Dieser Augenblick der Unschlüssigkeit dauerte nicht länger als ein Blitz, aber der Blitz selbst ist nicht schneller, als das Thier war, denn es befand sich bereits zwanzig Schritte von Thibault weg, als dieser seinen Spieß nach ihm schleuderte, ohne jedoch das zweite Mal glücklicher zu sein, als das erste.

      Inzwischen hörte er das Hundegebell immer näher kommen, und er sah wohl ein, daß es ihm in einigen Minuten unmöglich wurde, seinen Plan auszuführen.

      Aber man muß es seiner Beharrlichkeit nachrühmen, daß sein Wunsch, sich des Damhirsches zu bemächtigen, immer heftiger wurde, je schwieriger sich das Unternehmen gestaltete.

      »Und doch muß ich ihn bekommen,« rief er; »und wenn es einen guten Gott für die armen Leute gibt, so muß; ich mich an diesem elenden Baron rächen, der mich wie einen Hund geschlagen hat, während ich doch so gut ein Mensch bin als er und ihm dies jeden Augenblick beweisen will.«

      Thibault raffte seinen Spieß auf und lief von Neuem weiter.

      Aber der liebe Gott, den er so eben angerufen, mußte ihn nicht gehört haben, oder wollte er ihn zur Verzweiflung treiben, denn sein dritter Versuch fiel ebenso unglücklich aus wie die beiden ersten.

      »Kreuz Donnerwetter!« rief Thibault, »der liebe Gott muß heute ganz taub sein. Nun wohl, so mag denn der Teufel seine Ohren aufthun und mich erhören. In Gottes oder der; Teufels Namen will und muß ich Dich haben, verwünschtes Thier!«

      »Thibault hatte diese doppelte Gotteslästerung noch nicht vollendet, als der Damhirsch umkehrte, zum vierten Mal an ihm vorbeirannte und im Gebüsche verschwand.

      Dieses letzte Vorüberkommen ging so schnell und so unerwartet vor sich, daß Thibault nicht einmal Zeit hatte, seinen Spieß aufzuheben.

      In diesem Augenblick kam ihm das Hundegebell so nahe, daß er es für unklug gehalten hätte, die Verfolgung fortzusetzen.

      Er schaute um sich, und als er eine dichtbelaubte Eiche erblickte, warf er seinen Spieß in ein Gebüsch, kletterte auf den Baum und versteckte sich hinter seinem Laubwerk.

      Er dachte mit Recht, daß, nachdem der Damhirsch seine Flucht von Neuem begonnen hatte, die Jagd und die Jäger nur eilends an ihm vorüberkommen und dann die Fährte des Thieres weiter verfolgen würden.

      Die Hunde hatten trotz aller Ränke und Wechsel des Damhirsches seine Spur nicht verloren.

      Thibault stand noch keine fünf Minuten hinter seinem Baum, als er zuerst die Hunde, dann den Baron Jean, der sich trotz seiner fünfundfünfzig Jahre an der Spitze des Jagdzuges behauptete, wie wenn er erst zwanzig gezählt hätte, ankommen sah.

      Nur war der edle Herr Jean in einer Wuth, an deren Schilderung wir uns nicht versuchen wollen!

      Vier Stunden mit einem elenden Damhirsch verlieren und ihn immer noch nicht erwischen!

      So Etwas war ihm seiner Lebtage noch nie zugestoßen.

      Er schimpfte seine Leute aus, er peitschte seine Hunde, und sein Pferd hatte er dermaßen mit den Sporen bearbeitet, daß das aus seinem Bauch fließende Blut dem dicken Koth, der auf seinen Gamaschen lag, eine röthliche Färbung gab.

      Als jedoch die Jagd auf der Ourcqbrücke ankam, war dem Baron wenigstens eine kurze Genugthuung zu Theil geworden: die Meute hatte mit solcher Verständnißinnigkeit die Fährte aufgenommen, daß der Baron alle seine Hunde zusammen mit seinem Mantel hätte bedecken können, als sie über die Brücke sprangen.

      In diesem Augenblick war Herr Jean so vergnügt, daß er nicht bloß ein lustiges Liedchen trillerte, sondern auch sein Jagdhorn herab nahm und aus vollem Hals zu blasen anfing, was er nur bei außerordentlichen Veranlassungen that.

      Aber unglücklicher Weise sollte die Freude des Herrn Jean nicht lange währen.

      Just unter dem Baum, auf welchen Thibault hinaufgeklettert war, in demselben Augenblicke, wo die Hunde alle zusammen lauter anschlugen und ein Concert veranstalteten, das die Ohren des Barons immer mehr Weite, wurde die ganze Meute aus einmal wieder lautlos, und Alles schwieg wie behext.

      Jetzt stieg Markotte aus Befehl seines Herrn vom Pferd und suchte der Sache auf den Grund zu kommen.

      Die Hundejungen schloßen sich ihm an und unterstützten ihn in seinen Nachforschungen.

      Man fand Nichts.

      Aber Engoulevent, dem Alles daran lag, daß das von ihm selbst aufgetriebene Thier wieder in den Wurf kam, Engoulevent machte sich jetzt ebenfalls daran, zu suchen.

      Alles suchte und schrie, um die Hunde anzufeuern, als man die Stimme des Barons donnergleich alle andern übertönen hörte.

      »Tausend Teufel!« heulte er, »sind die Hunde denn in ein Loch gefallen, Markotte?«

      »Nein, gnädiger Herr, sie sind da, aber: sie können nimmer schreien.«

      »Nimmer schreien?« rief der Baron.

      »Ich begreife es selbst nicht, gnädiger Herr, aber es ist so.«

      »Nimmer schreien!« wiederholte der Baron; »nimmer schreien, hier im Wald, mitten im Wald, wo das Thier weder in einem Bach wechseln, noch auf einen Felsen klettern konnte. Du bist ein Narr, Markotte!«

      »Ich ein Narr, gnädiger Herr?«

      »Ja, Du ein Narr, so gewiß als Deine Hunde Schindmähren sind.«

      Markotte ertrug die Schimpfreden, womit der Baron in den kritischen Augenblicken der Jagd seine ganze Umgebung so verschwenderisch zu bedenken pflegte, gewöhnlich mit einer wahrhaft bewundernswürdigen Geduld; daß man aber seine Hunde Schindmähren nennen konnte, das brachte ihn aus seiner gewöhnlichen Langmuth. Er richtete sich in seiner ganzen Höhe auf und sagte heftig:

      »Wie so, gnädiger Herr? Meine Hunde Schindmähren? Hunde, die nach einer so wüthenden Hetzjagd, daß Euer bestes Pferd davon crepirt ist, einen alten Wolf zu Schanden gerissen haben? Meine Hunde Schindmähren.

      »Ja, Markotte, ich sag’s noch einmal, Deine Hunde sind Schindmähren. Nur Schindmähren können von einer lumpigen Jagd von ein paar Stunden, von einer Jagd auf einen elenden Damhirsch so lendenlahm werden.«

      »Gnädiger Herr,« versetzte Markotte mit einer zugleich würdevollen und schmerzlichen Erregung, »gnädiger Herr, schiebet alle Schuld auf mich, nennt mich einen Dummkopf, ein Vieh, einen Lümmel, einen Tölpel, einen Schöps; beschimpfet mich in meiner Person, in der Person meiner Frau, in der Person meiner Kinder, das ist mir Alles gleich; aber