»Will der Kapitän eines Negerschiffes Sklaven kaufen, so nähert er sich den Gestaden Africas und läßt einen der kleinen Fürsten, deren Gebiet an der Küste liegt, benachrichten, er sei da, er bringe Waaren aus Europa, und er möchte gern diese Waaren gegen eine Ladung von zwei bis dreihundert Negern vertauschen; dann schickt er ein Muster von seinen Waaren dem Fürsten, mit dem er handeln will, läßt seine Muster von einem Geschenke mit Branntwein begleiten und wartet.
»Branntwein, Feuerwasser, wie die unglücklichen Neger sagen; unselige Entdeckung, die uns von den Arabern zugekommen ist, – mit jener Kunst des Destillirens, die wir von ihnen erhalten haben, und die sie erfunden hatten, um den Wohlgeruch der Blumen und besonders der, in den Schriften ihrer Dichter so sehr gefeierten, Rose auszuziehen! – warum bist du eine so furchtbare Waffe in den Händen von grausamen Menschen geworden, daß man dich verfluchen muß, dich, die du mehr Nationen gebändigt und besonders vernichtet hast, als die Feuergewehre, welche den Menschen der neuen Welt unbekannt waren, und die sie für einen Donner in den Händen von neuen Göttern hielten?«
Malouet hatte sich, wie man sieht, in den höchsten Lyrismus geworfen: er wurde für seine Kühnheit durch eine Salve von Beifallklatschen belohnt.
»Wir sagen,« fuhr er fort, »der Kapitän des Negerschiffes warte. Ach! er wartet nicht lange; ist die Dunkelheit eingetreten, so kann er den Brand von Dorf zu Dorf laufen sehen; in der nächtlichen Stille kann er die Klagen der Mütter hören, denen man ihre Söhne raubt, der Kinder, denen man ihren Vater entreißt, und mitten unter Allem dem das Todesgeschrei von denjenigen, welche lieber sogleich sterben wollen, als ein Leben des Verschmachtens fern vom Dache der Familie, fern vom Himmel der Heimath hinschleppen.
»Am andern Tage erzählt man an Bord, der Negerkönig sei zurückgeschlagen worden; die Unglücklichen, die man habe wegführen wollen, haben mit der Heftigkeit der Verzweiflung gekämpft; ein neuer Angriff sei für die nächste Nacht organisiert, und die Auslieferung der Waaren könne erst am kommenden Tage stattfinden. Sobald es Nacht geworden, fangen der Kampf, der Brand, die Klagen wieder an. Das Blutbad dauert die ganze Nacht fort, und am Morgen erfährt man, man müsse wieder bis zum andern Tage warten, wenn man die verlangte Ladung haben wolle.
»Doch in dieser Nacht wird man sie sicherlich bekommen, denn der zurückgeschlagene König hat seinen Soldaten befohlen, die Sklaven in seinen eigenen Staaten zu nehmen; er wird einige von seinen Dörfern umzingeln lassen, und, getreu dem gegebenen Worte, seine Unterthanen ausliefern, da er seine Feinde nicht ausliefern kann.
»Endlich, am dritten Tage sieht man vierhundert gefesselte Neger ankommen, gefolgt von Müttern, Frauen, Töchtern und Schwestern, – wenn man nur Männer nöthig hat, denn hat man Weiber nöthig, so werden die Frauen, die Töchter, die Schwestern mit den Brüdern, den Vätern und Gatten gefesselt.
»Da erkundigt man sich und erfährt, es seien in diesen zwei Nächten viertausend Menschen umgekommen, damit der König-Speculant vierhundert habe liefern können.
»Und glauben Sie nicht, ich übertreibe: ich erzähle; ich erzähle, was geschehen ist: der Kapitän des Schiffes ist der Kapitän des New-York, der König, der seine eigenen Unterthanen verkauft hat, ist der König von Barsilly.
»O Männer der Regierung! o Fürsten Europas! Ihr schlaft ruhig in Euren Palästen, während man Eures Gleichen erwürgt; nicht wahr, Ihr wißt nichts von allen diesen Gräueln? Sie werden doch in Eurem Namen begangen. Nun wohl! das Geschrei dieser Unglücklichen mag über die Meere ziehen und Euch aufwecken!
»Werfen wir nun,« fuhr der Redner fort, »werfen wir die Augen auf diese dürre, unfruchtbare Küste, welche gleichwohl die des Vaterlandes ist; sehen wir diese unglücklichen Neger auf dem Boden liegend und nackt den Blicken und der Untersuchung der europäischen Rheder ausgesetzt.
»Haben die Wundärzte diejenigen von den Negern, welche sie für gesund, behende, kräftig und gut constituirt halten, aufmerksam geprüft, so sprechen sie ihre Billigung für sie aus und nehmen sie im Namen des Kapitäns in Empfang, wie Pferde und Ochsen, und lassen sie, auch wie Pferde und Ochsen, mit einem glühenden Eisen an der Schulter zeichnen: dieses Zeichen sind die Anfangsbuchstaben vom Namen des Schiffes und des Commandanten, der sie gekauft hat.
»Alsdann, so wie man sie zeichnet, fesselt man sie zu zwei und zwei an einander, und man führt sie in den Fond des Schiffes, der ihnen für zwei Monate als Gefängniß und häufig als Grab dienen soll.
»Oft, während einer Ueberfahrt, – so gewaltig ist ihr Grauen vor der Sklaverei! – kommen zwei, vier, sechs von diesen Unglücklichen überein, sich ins Meer zu stürzen, führen ihr Vorhaben aus und finden, da sie gefesselt sind, den Tod in den Tiefen des Oceans.
»Bei dem letzten Ankaufe, den der Kapitän Philips in Guinea, beim König von Juida gemacht hat, hat er so zwölf Neger verloren, die sich freiwillig ertränkten.
»Da man sie indessen sehr scharf bewacht, so gelangen gewöhnlich die allermeisten Sklaven ins Schiff. Sogleich bringt man sie in den Raum; hier bleiben dann fünf bis sechshundert Unglückliche unter einander in einer nach der Länge ihres Leibes abgemessenen Reiche aufgehäuft, das Licht nur durch die Oeffnung der Luken erschauend, bei Tag und Nacht nur eine Luft einathmend, welche ungesund und verpestet wird durch den beständigen Aufenthalt der menschlichen Ausdünstungen und der Excremente, welche nicht entfernt werden; dann entspringt aus dem Gemische aller dieser faulen Ausdünstungen eine schmerzliche Infection, welche das Blut verdirbt und eine Menge von Entzündungskrankheiten erzeugt, die dem Viertel und manchmal dem Drittel von allen diesen Sklaven in der kurzen Zeit von zwei bis drittehalb Monaten, welche gewöhnlich die Ueberfahrt dauert, den Tod bringen.
»O Ihr, an die ich mich wende,« rief der Redner, indem er die Hand ausstreckte, als wollte er das ganze Weltall beschwören, »Engländer, Franzosen, Russen, Deutsche, Americaner, Spanier! mag Euch das Schicksal eine Krone auf das Haupt gesetzt oder einen Spaten in die Hand gegeben haben, werft einen Blick auf die Lage, in welche Euch die europäischen Rheder seit so langer Zeit versenken; bedenkt, daß in dem Momente, wo ich spreche, die Kapitäne der Negerschiffe alle die von mir geschilderten Gräuel üben, und daß im Namen Europas und unter dem Regime seiner Gesetze solche Verbuchen ohne Gewissensbisse begangen werden.
»Erleuchtete Europäer, glaubet auch nicht an die Fabeln, welche diese entarteten Menschen Euch kalt in Europa vorschwatzen, um ihre Missethaten zu verbergen; hütet Euch, ihren Verleumdungen Glauben zu schenken, wenn sie behaupten, die unglücklichen Neger seien des Gefühls und der Vernunft beraubte Thiere; erfahret im Gegentheil: es ist nicht Einer unter denjenigen, welche Ihr ihrer Heimath entreißt, der nicht eine zarte Neigung seines Innersten, die Ihr gebrochen, beklagt, – nicht ein Kind, das nicht schmerzlich den Verlust seiner Eltern oder seines Vaters fühlt, – nicht eine Frau, die nicht um einen Gatten, um eine Mutter, um eine Schwester, um eine Freundin weint, – nicht ein Mann, den nicht in der Tiefe seines geschworenen Herzens die Verzweiflung über die zarten Bande verzehrt, die Ihr durch eine gewaltthätige, grausame Trennung vernichtet habt. Ja, ich sage es Euch freimüthig, es ist nicht Einer von Euren Sklaven, der Euch nicht in der Wahrheit seines Herzens als die mörderischen Henker betrachtet, welche die süßesten Gefühle der Natur mit Füßen treten, erwürgen.
»Grausame, unversöhnliche Menschen! wüßtet Ihr im Grunde der Herzen zu lesen, würden ihre gerechten Klagen nicht auf das Strengste zum Stillschweigen gebracht oder mit den entsetzlichsten Strafen geahndet, so könntet Ihr hier einen verscheidenden Vater zu Euch sagen hören: »»Du hast mich von einer Schaar Kinder getrennt, welche meine Arbeit ernährte, und die nun vor Hunger und Elend sterben!«« Dort müßtet Ihr eine Mutter in der Verzweiflung finden, die Ihr aus den Armen eines Gatten oder einer geliebten Tochter gerissen, welche dem Augenblicke ihrer Verheirathung ganz nahe war; anderswo ihren Familien geraubte junge Kinder, welche weinend und schluchzend ausrufen: Pau, pau, bulla! (Vater, Vater, die Hand!) – neben ihnen ein bestürztes Mädchen, das um die Zärtlichkeit einer Mutter oder eines jungen Mannes weint, von dem es aufrichtig geliebt wurde; überall Geschöpfe, welche im tiefsten Jammer darüber, daß sie nicht den traurigen Trost gehabt, ihre Thränen mit denen ihres Vaters oder ihrer