Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil. Brockhaus Heinrich Eduard. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brockhaus Heinrich Eduard
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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gleich in seinem ersten Briefe an mich angekündigt hat, und womit er jetzo in voller Arbeit begriffen ist. Die Zeitung, die er so nach einem bereits in Engelland funkelnden benennt, aber die durchaus nicht ganz politisch sein soll, scheint nun, nach den vorläufigen unvermeidlichen Geburtswehen, ihrem ans Lichttreten ziemlich nah. Welch schönes Feld hat er darin, in Gemeinschaft mit so vielen der besten hiesigen Geister, die daran theilnehmen werden, für Wirkung auf Wissenschaft und Geschmack in all den mannichfaltigen Aesten und Zweigen des großen Baums der Erkenntniß Gutes und Böses vor sich! Es ist ein völlig jungfräulicher Boden; von keinem — zu meinem großen Verwundern! bisher in den sieben Provinzen urbar gemacht; eine Idee, um die man beneiden ihn muß. Ich will nicht sagen, daß sie unter den andern Couranten von Amsterdam, Rotterdam, Haag schimmern wird, »wie unter den Sternen der Mond«; — denn diese haben gar keinen Glanz; geben nichts als die magerste politische Kost, ohne jemals ein Fünkchen Raisonnement, in einem Schwall der tädiösesten Edictalcitationen, Tod- und Geburtannoncen, Nachrichten angekommener Schiffer, oder Gewürzkrämer- und anderer Notizen ersäuft, größtentheils auf schändlichem Papier mit noch schändlicher stumpfen Lettern gedruckt ... sie wird durch ihren Inhalt für denkende, gebildete Leser, für jeden Erkenntnißbegierigen ein Komet, ein wahres Phänomen von neuem Weltkörper sein. Alle möglichen literarischen auswärtigen Mittel, außer vielen inländischen, stehen ihm, der ein Kaufmann aus unsers Sieveking's Kategorie ist, zu Gebot; und da er im Kopfe den Zeug, aus Allem die Quintessenz zu wählen, besitzt, wird es sehr leicht für ihn werden, daß er an Interesse die »Freymüthigen«, die »Eleganten Zeitungen«, die »Auroren«, »Sphinxe«, und was weiß ich, wie sie alle heißen? so weit übertreffe, als der wieder aufgeweckte brüsselsche »Esprit des Journaux« nach dem ich unter allen Tag- und Monatsschriften in Paris am happigsten greife, die einzelnen Journale, aus denen ihn der Verfasser distillirt. Ueber die Organisation und Nativitätstellung dieses Sterns haben wir uns in den vergangenen Wochen fast tagtäglich unterredt; und uns gestern noch mit Bestimmung des emblematischen Druckerstockes dazu amüsirt. Einer aus Gille's Carte hat uns dazu zum Muster gedient, mit den gehörigen Veränderungen jedoch; so daß der blitzführende Adler unten in den siebenpfeiletragenden Löwen, und die Kaiserkrone in den batavischen Freiheitshut umgewandelt worden ist; zur Seite ein Eichen- und Lorbeerzweig, das Schöne zum Ernsten! — dessen Kreis der Stern denn durchstrahlt. Sobald was davon dem Telescop oder Auge sichtbar werden wird, gebe ich Dir weitere Nachricht.

      Diese Nachricht findet sich in einem Briefe Cramer's vom 30. März, ebenfalls aus Amsterdam:

      Als ich aus dem Ballet wieder zu Wilibald kam, fand ich seinen Landsmann, den Kaufmann Mallinckrodt aus Arnheim21, noch bei ihm, einen vortrefflichen Gesellschafter und humanen Mann ... Vom »Sterne« hat er eben noch die ersten drei oder vier Blätter gesehen und einstecken gekonnt, die mit sehr piquanter Speise angefüllt sind; auf den ersten Netzwurf hat Wilibald doch gleich so viel Abonnenten gehabt, daß die Kosten gedeckt sind durch den Fang, und Tag vor Tag laufen der Schäflein mehr in die Hürden ein. Es stehen leckere politische, ästhetische, mercantilische Artikel drin; jedem Fremden, der holländisch mit Vergnügen lernen will, gibt der »Stern« die empfehlungswürdigste Uebungschrestomathie ab; schon erste der hiesigen Köpfe arbeiten daran (z. E. eine Kritik der Aufführung des Trauerspiels »Tancred«), es wird also eine Elite wahrscheinlich von Sprache, ein Schatz werden für das Lexikon und den Stil der Nation. Im vierten Stücke steht eine treffliche Uebersetzung von Sturzens Reise nach dem Deister, depaysirt, und hier nach Soesdyk hinversetzt; auch kömmt die hiesige Plantage darin vor. Ich denke: es wird den amsterdammer Damen gefallen, das Stück; und warum nicht den Rotterdammerinnen Haagerinnen, Delfterinnen, Gröningerinnen &c. auch? Giebt es Eine, in welcher Stadt auf der Erde es sei, der dies Schalksstück nicht aus dem Herzen und dem Wandel wie abgeschrieben gleichsam ist?

      Cramer's schon mehrfach erwähnte »Individualitäten« waren das zweite journalistische Unternehmen des jungen Verlegers, ein deutsches neben dem holländischen »Ster« und dem französischen »Conservateur«. Denn wenn es uns auch nur in Buchform vorliegt, in vier Bändchen, die »Hefte« genannt sind, so zeigt doch die ganze innere und äußere Einrichtung (die Eintheilung in einzelne Abschnitte und Briefe mit fortlaufenden Daten, vom 2. August 1805 bis 26. September 1806) den journalistischen Charakter. Noch mehr geht dies aus dem am 15. März 1806 zwischen Brockhaus und Cramer darüber abgeschlossenen Verlagscontracte hervor. Danach handelte es sich um den in »freien Heften« herauszugebenden »ersten Jahrgang« eines Werks unter dem Titel: »Individualitäten aus und über Paris von Karl Friedrich Cramer und seinen Freunden.« Dieser erste Jahrgang sollte in zwölf Heften (die also wol als Monatshefte gedacht waren), jedes zu zwölf Bogen erscheinen; je drei Hefte sollten gleichzeitig einen zweiten Titel erhalten und dadurch als neue Theile des in den Jahren 1792-97 in Altona und Leipzig von Cramer herausgegebenen »Menschlichen Leben« bezeichnet werden. Das Werk sollte in Leipzig in der Breitkopf'schen Druckerei gedruckt werden und jedes Heft die Handschrift eines Gelehrten u. s. w. in einem Facsimile bringen, dessen Platte in Paris unter Cramer's Leitung zu stechen wäre. Ueber eine Fortsetzung des Werks in einem zweiten, dritten u. s. w. Jahrgange sollte neue Verständigung stattfinden. Also der Verleger in Amsterdam, der Redacteur in Paris, der Drucker in Leipzig, monatlich 12 Bogen (jährlich 144!), dazu artistische Beilagen und ein für damalige Zeiten und ein derartiges Monatsjournal ansehnliches Honorar (24 resp. 30 Francs für den Bogen klein Octav) — jedenfalls ein kühnes Unternehmen für einen angehenden deutschen Verleger im Auslande! Die Ausführung entsprach denn auch nur theilweise diesem Vorhaben: statt zwölf Heften erschienen nur vier (wenn auch meist mehr als zwölf Bogen enthaltend und jedes mit einem Facsimile) im Laufe von dreiviertel Jahren. Der Gehalt der Zeitschrift war indeß ein werthvoller, der ein etwas näheres Eingehen verdient, zumal darin auch einige biographische Mittheilungen über Brockhaus enthalten sind und der Herausgeber seinem Verleger persönlich nahetrat.

      Vor allem müssen wir den Herausgeber selbst näher kennen lernen. Karl Friedlich Cramer war eine eigenthümliche Natur, in vieler Hinsicht der von Brockhaus ähnlich und diesen deshalb anziehend, wie Brockhaus in seinem ersten Briefe an ihn (vgl. S. 61 fg.) selbst schildert. Am 7. März 1752 in Quedlinburg geboren, wo sein Vater, der verdiente Kanzelredner Johann Andreas Cramer (auch als religiöser Dichter und Biograph Gellert's bekannt), damals Oberhofprediger war, kam er mit diesem noch als Kind nach Kopenhagen, dann nach Lübeck und Kiel. Er studirte in Göttingen, wo er Anfang 1773 in den Göttinger Dichterbund aufgenommen wurde, und lebte seitdem in Kiel, wo er erst Privatdocent, 1775 außerordentlicher und 1780 ordentlicher Professor der griechischen Sprache, der orientalischen Sprachen und der Homiletik an der Universität wurde. Als ein leidenschaftlicher Anhänger der Französischen Revolution wurde er 1794 seines Amtes entsetzt und selbst aus Kiel verwiesen. Den nächsten Anlaß dazu scheint er dadurch gegeben zu haben, daß er den bekannten französischen Revolutionsmann Péthion (der erst Jakobiner, dann Girondist war, als Royalist verdächtigt aus Paris entfloh und im Juli 1793 in der Gegend von Bordeaux todt aufgefunden wurde) in einer Ankündigung der Uebersetzung von dessen Werken einen Mann von »menschenfreundlichstem Geiste«, »einen Märtyrer seiner Rechtschaffenheit« genannt hatte! Nach kurzem Aufenthalt in Hamburg ging er 1795 nach Paris und errichtete dort eine Buchhandlung und Buchdruckerei, scheint damit aber schlechte Geschäfte gemacht und dabei sein ganzes Vermögen eingebüßt zu haben. Eine Zeit lang war er deshalb genöthigt, sich aus Paris zu entfernen. Er wendete sich nun wieder literarischen Arbeiten zu und starb in Paris am 8. December 1807.

      Cramer war ein fruchtbarer, talentvoller und kenntnißreicher Schriftsteller, der lange Zeit auch großes Ansehen genoß, aber excentrisch und von einem Hang zum Sonderbaren beherrscht. Anfangs concentrirte sich seine literarische Thätigkeit um seinen fast 30 Jahre ältern Landsmann Klopstock (geb. 2. Juli 1724 in Quedlinburg), der mit Cramer's Vater befreundet war und z. B. 1754 dessen Berufung nach Kopenhagen veranlaßt hatte, nachdem dieser selbst 1751 auf Graf Bernstorff's Veranlassung dorthin gegangen war. Auch war der Göttinger Dichterbund, dem Cramer angehörte, der Mittelpunkt der damaligen begeisterten Verehrung Klopstock's. Cramer schrieb in den Jahren 1777-92 zwei große Werke über Klopstock, das eine aus zwei, das andere aus fünf Bänden bestehend, und übersetzte unter anderm dessen »Hermannsschlacht« ins Französische. Daß Klopstock auch seinerseits viel auf Cramer hielt, geht schon daraus hervor, daß er eine


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Der frühere Associé von Brockhaus.