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Richtigerweise wird man den C als mittelbaren Täter eines an D begangenen Tötungsdelikts verurteilen müssen. Denn zwar ist der A ebenfalls Täter eines vorsätzlich-schuldhaften Tötungsdelikts, weil der error in persona, in dem er befangen ist, ihn nicht entlastet. Aber C ist der einzige, der vorsätzlich den Tod des D herbeigeführt hat. Das genügt für die Annahme einer mittelbaren Täterschaft, weil die Tötung des D aus der Sicht des Hintermannes eine andere Tat ist, als es die Tötung des B gewesen wäre.
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Dass beim unmittelbar Ausführenden die abstrakte Vorstellung, den vor ihm stehenden Menschen töten zu wollen, auch bei einer Identitätstäuschung für die Zurechnung zur Vorsatztat genügt, ändert nichts daran, dass für den Hintermann die Umlenkung des Geschehens auf ein anderes Opfer eine selbstständige Tat darstellt. Das zeigt der Vergleich mit der Anstiftung: Wenn A dem zur Tötung des B entschlossenen C einredet, statt des B lieber den D umzubringen, ist er, wenn C darauf eingeht, als Anstifter eines selbstständigen Tötungsdelikts zu bestrafen. Dann muss aber, wenn der Identitätswechsel dem Ausführenden durch eine Täuschung verborgen wird, eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes angenommen werden.
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Hinzu kommt, dass, wenn man eine mittelbare Täterschaft des Hintermannes ablehnen wollte, seine Bestrafung überhaupt nicht möglich wäre. Denn wenn man die abstrakte Personqualität des Opfers als Gegenstand der „Tat“ ansieht, scheidet eine Anstiftung aus, weil der Ausführende zur Begehung einer vorsätzlichen Tötung bereits entschlossen war. Auch eine Beihilfe kommt nicht in Betracht, weil der Hintermann den Plan des unmittelbar Ausführenden nicht fördert, sondern im Gegenteil vereitelt. Ebenso muss eine gelegentlich angenommene Nebentäterschaft ausscheiden, weil die Beteiligten nicht unabhängig voneinander handeln.
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Die Annahme mittelbarer Täterschaft ist deshalb in diesen Fällen auch weit verbreitet.[96] Aber auch die Ablehnung einer mittelbaren Täterschaft findet in der neueren Literatur immer noch Anhänger.[97] Dabei wird teils Anstiftung[98], vorwiegend aber Beihilfe[99] angenommen, obwohl diese Lösungen aus den geschilderten Gründen ausscheiden müssen. Die neuerdings bevorzugte Annahme einer Beihilfe widerspricht nicht nur dem Unrechtsgehalt, der in der Tötung eines ohne die Handlung des Hintermannes Ungefährdeten liegt. Es ist auch schlechterdings nicht ersichtlich, wieso eine Hilfe für den unmittelbar Handelnden darin liegen soll, dass er zur Tötung eines Menschen veranlasst wird, den er gar nicht töten wollte.
4. Die Tatveranlassung durch Vorspiegelung lediglich motivationsrelevanter Tatsachen
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Dagegen reicht die Hervorrufung von Motivirrtümern für die Annahme einer mittelbaren Täterschaft nicht aus. Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn die Fehlvorstellung des unmittelbaren Täters sich auf den Tatbestandsvorsatz, auf das Unrechtsausmaß, auf objektivierte Schuldkriterien oder die Identität des Tatobjekts nicht auswirkt. Einfacher ausgedrückt: Ein Motivirrtum liegt vor, wenn der Irrtum nicht die Tat, sondern allein die Gründe für ihre Begehung betrifft.
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So liegt es etwa, wenn A den B zur Verprügelung des C durch die falsche Behauptung veranlasst, dieser (der C) habe ihn (den B) betrogen, verleumdet oder sonstwie geschädigt. Hier untersteht die Körperverletzung allein und in vollem Umfang der Beherrschung des B. A ist nur Anstifter (was allen Strafbedürfnissen vollauf gerecht wird).
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Zu einer mittelbaren Täterschaft kommt freilich eine Auffassung, die bei Erörterung der „Grundlagen“ (oben Rn. 11 f.) als „Prinzip der überwiegenden Einflussnahme“ bezeichnet wurde. Sie wird am deutlichsten von Frister[100] vertreten. Ihm zufolge kann „die Tatherrschaft … durch alle Irrtumsarten begründet werden, so dass jeder für die Tat ursächliche Irrtum zur Begründung mittelbarer Täterschaft ausreicht“. Danach führen zur mittelbaren Täterschaft alle „Motivirrtümer …, aufgrund derer eine Straftat begangen wird“. Das macht, wie Frister mit Recht sagt, „im Grunde“ die Bildung verschiedener Fallgruppen eines Täters hinter dem voll deliktischen Täter (oben Rn. 116–140) „überflüssig“.
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Aber eine solche Auffassung geht entschieden zu weit. Denn, um es am Ausgangsbeispiel zu verdeutlichen: Die Verprügelung des C unterliegt allein der Herrschaft des B. Die dem A zur Last zu legende Täuschung bietet nach rechtlichen Maßstäben keinen Anlass zur Begehung einer Straftat und wirkt sich weder auf den Schadensumfang noch auf objektivierte Schuldkriterien noch auf die Person des Opfers aus. Der unmittelbar Handelnde ist in seiner Entschließung genau so frei, wie er es wäre, wenn die Insinuationen des Hintermannes auf Wahrheit beruhten und unstrittig nur eine Anstiftung begründen könnten. Es fehlt also jeglicher Umstand, der eine Herrschaft des Hintermannes über die Tat begründen könnte.
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Problematisch wird diese Lösung nach einer verbreiteten Meinung freilich bei einer täuschungsbedingten Veranlassung zum Suizid.[101] Denn hier fehlt die Möglichkeit einer Anstiftungsbestrafung. Gleichwohl ist auch hier eine mittelbare Täterschaft abzulehnen, wenn der Suizident im Zustand voller Verantwortlichkeit unter seiner alleinigen Herrschaft den eigenen Tod herbeiführt.
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Wenn also A den B zum Selbstmord durch erfundene Mitteilungen über eine angeblich ungünstige Entwicklung der ihn betreffenden wirtschaftlichen Verhältnisse oder durch die falsche Zusicherung verleitet, dass die Lebensversicherung auch in einem solchen Fall an die Angehörigen ausgezahlt werde, ist das eine straflose Beteiligung am Suizid. Denn die Selbsttötung unterstand allein der Herrschaft des B.
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Das muss auch dann gelten, wenn A den B durch die Vorspiegelung einer unheilbaren Krankheit in den Tod treibt. Hier kann eine mittelbare Täterschaft vorliegen, wenn die Täuschung den B in eine zurechnungsausschließende Depression stürzt. Wenn B aber im Zustand voller Verantwortlichkeit in den Tod geht, bleibt er Herr des Geschehens, so dass A nach geltendem Recht straflos ist. Die Annahme einer mittelbaren Täterschaft würde auch deshalb zu weit gehen, weil eine erfundene Diagnose einen voll verantwortlichen Menschen normalerweise nicht zu einem Suizid, sondern allenfalls dazu veranlassen wird, die ihm suggerierte Krankheit durch ärztliche Experten überprüfen zu lassen. Deshalb ist auch ein solcher Fall in der Rechtsprechung noch nie vorgekommen.
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Sehr umstritten ist aber die Beurteilung des vorgetäuschten Doppelselbstmordes. Der BGH hat einen solchen Sachverhalt entschieden.[102] Hier hatte eine Ehefrau, die ein ehebrecherisches Verhältnis unterhielt und sich ihres Mannes entledigen wollte, diesem einen Doppelselbstmord vorgeschlagen und das Gift gemischt. Dabei war sie von vornherein entschlossen, von dem Gift nicht zu trinken. Der Mann stimmte dem Vorschlag zu mit der Bemerkung: „Dann bleiben wir immer zusammen.“ Als er einen kräftigen – schon tödlichen – Schluck aus der Giftflasche getrunken hatte, reichte er sie seiner Frau. Diese schüttelte nur den Kopf. Daraufhin nahm der Mann noch einen weiteren Schluck. Er starb noch in derselben