Diese Lösung ist nicht ganz unproblematisch, da bereits jede auch noch so geringfügige Zuwendung die Tür zum großen Pflichtteil öffnet, sodass ein gewisses Spannungsverhältnis zu den Fällen völliger Enterbung besteht, in denen der große Pflichtteil kategorisch ausgeschlossen ist. Der entscheidende Unterschied besteht aber darin, dass es der Erblasser in der Hand hat, seinem Ehegatten überhaupt nichts zuzuwenden und ihn damit auf den Ausgleich des tatsächlichen Zugewinns zu verweisen. Der Erblasserwille rechtfertigt damit die Ungleichbehandlung.
b) Option 2: Ausschlagung der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses
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Entscheidet sich der überlebende Ehegatte dafür, den Erbteil oder das Vermächtnis auszuschlagen (vgl. § 1942 Abs. 1 bzw. § 2180, → Rn. 574 ff., 926 ff.), so gilt der Anfall der Erbschaft bzw. des Vermächtnisses als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1, ggf. i.V.m. § 2180 Abs. 3, → Rn. 597, 928). Der überlebende Ehegatte ist folglich nicht Erbe bzw. Vermächtnisnehmer geworden. Aufgrund der Ausschlagung hätte er eigentlich grundsätzlich auch keinen Pflichtteilsanspruch (→ Rn. 597, 622). § 1371 Abs. 3 macht allerdings eine Ausnahme von diesem pflichtteilsrechtlichen Grundsatz: Wenn der Ehegatte die Erbschaft ausschlägt, so kann er trotzdem den Pflichtteil verlangen. § 2307 Abs. 1 S. 1 sieht eine entsprechende Regelung für den Fall vor, dass der Ehegatte ein ihm zugewendetes Vermächtnis ausschlägt (→ Rn. 657 ff.).Wie im Fall der Enterbung (→ Rn. 104 ff.) kann der Ehegatte aber auch hier nicht den großen Pflichtteil wählen, sondern wird zwingend auf den kleinen Pflichtteil verwiesen.[29] Durch §§ 1371 Abs. 3, 2307 Abs. 1 S. 1 wird ihm also die Option eröffnet, auszuschlagen und dann Anspruch auf den Zugewinnausgleich plus den kleinen Pflichtteil zu haben.
4. Vor- und Nachteile einer taktischen Ausschlagung
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Wenn ein Ehegatte gesetzlicher oder gewillkürter Erbe des anderen Ehegatten wird, stellt sich für ihn somit immer die Frage, ob es ratsam ist, das Erbe aus taktischen Gründen auszuschlagen. Finanziell wird die Ausschlagung immer dann interessant sein, wenn der Anteil des Zugewinns am Gesamtnachlass des Erblassers besonders hoch ausfällt.[30] Zu beachten ist allerdings, dass der Ehegatte mit der Ausschlagung seine dingliche Berechtigung am Nachlass verliert; andererseits braucht er sich dann aber auch nicht mit den Miterben auseinandersetzen (§§ 2032 ff.; zur Erbengemeinschaft → Rn. 951 ff.) und haftet auch nicht für die Nachlassverbindlichkeiten (§§ 2058 ff., → Rn. 1196 ff.).[31] Daneben ist aber noch eine Vielzahl weiterer Faktoren zu bedenken, wie z.B. die Notwendigkeit, die Entscheidung innerhalb der kurzen Ausschlagungsfrist von 6 Wochen (§ 1944 Abs. 1, → Rn. 593 ff.) treffen zu müssen, etwaige Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Berechnung von Nachlasswert und Zugewinnausgleichsforderung, etwaige Probleme bei der prozessualen Durchsetzung von Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsforderungen, steuerrechtliche Erwägungen etc.[32]
5. Ausbildungsanspruch von Stiefabkömmlingen (§ 1371 Abs. 4)
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Gem. § 1371 Abs. 4 haben sog. Stiefabkömmlinge des Erblassers gegen den überlebenden Ehegatten, der gesetzlicher Erbe ist, einen Anspruch auf Gewährung der Mittel zu einer angemessenen Ausbildung, wenn und soweit sie dessen bedürfen. Die Norm bezieht sich zwar ihrem Wortlaut nach nur auf den Fall, dass der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe ist (denn nur dann gilt § 1371 Abs. 1). Ebenso passt der Normzweck (Ausgleich für die Verstärkung des Ehegattenerbrechts gem. § 1371 Abs. 1[33]) nur dann, wenn die Stiefabkömmlinge gesetzliche Erben sind. Die h.M. stellt jedoch jeweils zu Recht die Fälle gleich, dass der überlebende Ehegatte bzw. die Stiefabkömmlinge auf den gesetzlichen Erbteil eingesetzt sind oder die Einsetzung der gesetzlichen Erben ohne nähere Bezeichnung erfolgt (§ 2066, → Rn. 348).[34]
Teil II Die gesetzliche Erbfolge › § 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten › III. Besonderheiten bei Gütertrennung
III. Besonderheiten bei Gütertrennung
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Haben die Ehegatten den Güterstand der Gütertrennung vereinbart (§ 1414), so bleiben ihre jeweiligen Vermögen getrennt. Der auf den erbrechtlichen Ausgleich des Zugewinns abzielende § 1371 ist somit nicht anwendbar. Vielmehr erhält der überlebende Ehegatte nur seinen gesetzlichen Erbteil gem. § 1931. Dessen Abs. 4 statuiert allerdings für den Fall der Gütertrennung eine Sonderregelung: Wenn der Ehegatte neben einem oder zwei Kindern als Erblasser berufen ist, so erben der Ehegatte und jedes Kind zu gleichen Teilen (Hs. 1); Gleiches gilt, wenn an die Stelle eines vorverstorbenen Kindes dessen Abkömmlinge treten (Hs. 2 i.V.m. § 1924 Abs. 3). Der Ehegatte erbt also neben einem erbberechtigten Kind 1/2, neben zwei erbberechtigten Kindern 1/3. Dadurch soll verhindert werden, dass der Ehegatte, der typischerweise durch seine Mitarbeit den Wert des Nachlasses erhöht hat, einen geringeren gesetzlichen Erbteil erhält als ein Kind des Erblassers.[35]
Soweit Abs. 4 nicht eingreift, verbleibt es auch bei der Gütertrennung bei den allgemeinen Regelungen in § 1931 Abs. 1 und 2.[36]
Teil II Die gesetzliche Erbfolge › § 3 Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten › IV. Besonderheiten bei Gütergemeinschaft
IV. Besonderheiten bei Gütergemeinschaft
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Haben die Ehegatten den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart (§§ 1415 ff.), so verschmelzen im Regelfall ihre jeweiligen Vermögen zu einer Einheit. Es entsteht das gesamthänderisch gebundene Gesamtgut (§ 1416). Jeder Ehegatte hat einen ideellen hälftigen Anteil. Bei Beendigung der Gütergemeinschaft findet eine Vermögensauseinandersetzung statt (§§ 1471 ff.). Vom Gesamtgut zu unterscheiden sind das Sondergut und das Vorbehaltsgut: Das Sondergut umfasst solche Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können (§ 1417 Abs. 2); das Vorbehaltsgut ergibt sich aus § 1418 Abs. 2. Das Sondergut wird für Rechnung des Gesamtgutes verwaltet, das Vorbehaltsgut für eigene Rechnung.
Der überlebende Ehegatte hat nach dem Erbfall zunächst seinen güterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch