2. Verbotener Informationsaustausch
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Der Austausch sog. strategischer Informationen zwischen Wettbewerbern ist verboten. Dies gilt, weil die Kartellbehörden davon ausgehen, dass die strategisch relevanten Informationen nach ihrem Austausch von einem rational handelnden Unternehmen als Grundlage für eine Verhaltensanpassung genutzt werden, ihr Austausch also zu einer abgestimmten Verhaltensweise zwischen Wettbewerbern führt.146 Dahinter steht der Grundsatz, dass sich jedes Unternehmen selbstständig im Wettbewerb behaupten und ohne Abstimmung mit Wettbewerbern agieren muss. Infolgedessen ist jede Fühlungnahme zwischen Wettbewerbern, durch die eine Koordinierung des Verhaltens an Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs tritt, aus kartellrechtlicher Sicht in hohem Maße kritisch.147
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Anders als im Bereich der Hardcore-Kartelle haben Unternehmensmitarbeiter bis hoch zur Unternehmensleitung oft keine zutreffende Vorstellung davon, welche Gefahren der Austausch strategischer Informationen auch dann mit sich bringt, wenn es nicht um den Austausch von Preisinformationen geht.
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Ein inhaltlicher Schwerpunkt wirksamer Compliance-Arbeit muss deshalb darauf liegen, mit weit verbreiteten Fehlvorstellungen über den Unwertgehalt solcher Verhaltensweisen aufzuräumen.
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Eine große Herausforderung für die Praxis besteht darin, mit der im Kartellrecht geltenden Beweislastumkehr zu arbeiten, die zulasten der handelnden Unternehmen bis zum Gegenbeweis durch die betroffenen Unternehmen davon ausgeht, dass bei Wettbewerberkontakten ausgetauschte Informationen auch für das weitere Wettbewerbsverhalten genutzt und damit zu eben dieser Grundlage für ein abgestimmtes Verhalten werden.
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Für einen verbotenen Informationsaustausch ist es irrelevant, ob nur ein Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern einseitig strategische Informationen offenlegt oder ob alle beteiligten Unternehmen sich gegenseitig mit Informationen versorgen.148 Für die Kartellbehörden ist es insofern ausreichend, dass ein Unternehmen bei einem Informationsaustausch anwesend war oder die Informationen auf sonstige Weise (z.B. per E-Mail, Post etc.) erhalten hat. Sofern es die Informationen nicht ausdrücklich zurückweist, wird davon ausgegangen, dass das Unternehmen die Informationen akzeptiert hat und sein Marktverhalten entsprechend anpasst.149 Wie höchstrichterlich bestätigt, gilt dies auch für einen einmaligen Informationsaustausch:
In dem Fall T-Mobile/Netherlands hatte der EuGH über die kartellrechtliche Zulässigkeit eines einmaligen Informationsaustausches zu entscheiden.150 Ausgangspunkt war die Vorlage eines niederländischen Gerichts zur Vorabentscheidung, nachdem die niederländische Wettbewerbsbehörde im September 2004 Bußgelder in Höhe von EUR 52,2 Mio. gegen die damaligen fünf Betreiber von Mobiltelekommunikationsdiensten in den Niederlanden verhängt hatte und die Unternehmen Berufung eingelegt hatten.151 Bei einem einzigen Treffen im Juni 2001 waren zwischen den Wettbewerbern vertrauliche Informationen über Händlervergütungen von Pre- und Postpaid-Verträgen zur Sprache gekommen. Das Gericht stellte dem EuGH u.a. die Frage, ob die Voraussetzungen einer abgestimmten Verhaltensweise bereits durch einen einmaligen Austausch erfüllt seien oder ob es einer länger andauernden und regelmäßigen Abstimmung bedürfe. Die Antwort des EuGH war eindeutig: Entscheidend ist nicht, wie viele Treffen zwischen den beteiligten Unternehmen stattgefunden haben, sondern ob der/die Kontakt(e) ihnen ermöglicht hat/haben, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens zu berücksichtigen und eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle der mit dem Wettbewerb verbunden Risiken treten zu lassen. Ist dies der Fall, obliegt es den Unternehmen darzulegen, dass der Informationsaustausch ihr Marktverhalten nicht beeinflusst hat.152
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Wie vermeintlich unkompliziert ein kartellrechtlich verbotener Informationsaustausch mit modernen Kommunikationswegen erreichbar ist, belegt das Rekordbußgeld der Kommission von EUR 1 Mrd. gegen verschiedene Großbanken im Devisenhandel aus dem Jahr 2019:
Am 16.5.2019 einigte sich die Kommission auf die Beendigung von Verfahren mit verschiedenen Großbanken gegen ein Gesamtbußgeld von EUR 1,07 Mrd. für Kartellrechtsverstöße im Devisenkassahandel.153 Dem Bußgeld lagen Informationsaustausch und auf diesen gestützte stillschweigende Kartellabsprachen zugrunde: Nach Ermittlungen der Kommission hatten Händler, die bei den betroffenen Großbanken für den Forex-Kassahandel mit den liquidesten und weit verbreitetsten Währungen weltweit betraut waren, in Online-Chatrooms sensible Informationen und Handelsabsichten ausgetauscht und ihre Handelsstrategien auf diese Weise koordiniert. Devisenhandelsgeschäfte werden ausschließlich am selben Tag zu den geltenden Wechselkursen durchgeführt. Die in den Chatrooms „Three-Way-Banana-Split“ (organisiert von Händlern der Banken Barclays, Royal Bank of Scotland, JP Morgan, Citigroup und UBS) sowie „Essex Express“ (organisiert zwischen Händlern der Banken Barclays, RBS, MUFG und UBS) ausgetauschten sensiblen Geschäftsinformationen betrafen: offene Kundenaufträge (d.h. den vom Kunden angefragten Tauschbetrag und die jeweiligen Währungen sowie Angaben darüber, welcher Kunde an einem bestimmten Geschäft beteiligt war), Kurse für bestimmte Transaktionen, die offenen Risikopositionen der Händler (die Währung, die sie verkaufen oder kaufen mussten, um ihre Portfolios in die Währung ihrer Bank umzutauschen) und bestimmte Einzelheiten zu laufenden oder geplanten Handelstätigkeiten. Aufgrund des Informationsaustauschs konnten die Händler entscheiden, ob ihre Konditionen wettbewerbsfähig waren und sich – auf Basis informeller Absprachen – dann zugunsten einzelner Händler von Transaktionen zurückhalten. Die im direkten Wettbewerb zueinander stehenden Händler, von denen viele persönlich gut miteinander bekannt waren, loggten sich in der Regel für den gesamten Arbeitstag in multilaterale Chatrooms auf Bloomberg-Terminals ein und tauschten sich umfassend zu den genannten Themen aus. Der jahrelang andauernde Informationsaustausch wurde schließlich von UBS im Rahmen eines Kronzeugenantrags angezeigt. UBS erhielt vollständige Bußgeldimmunität.
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Auch das Bundeskartellamt hat eine Reihe empfindlicher Bußgelder gegen Unternehmen wegen Kartellabsprachen,154 aber insbesondere auch wegen unzulässigen Informationsaustausches erlassen.155 Gegenstand dieses Informationsaustausches waren dabei nicht nur Informationen zu Verkaufspreisen, sondern auch zu sonstigen strategischen Informationen wie insbesondere Kundenforderungen, aktuelle Marktanteils-, Absatz- oder Umsatzzahlen.
„Bestimmte Arten des Informationsaustauschs zwischen Wettbewerbern sind kartellrechtlich unzulässig. Der Wettbewerb wird durch solche Verhaltensweisen beeinträchtigt, auch wenn es sich nicht um klassische Hardcore-Absprachen über Preise, Gebiete, Kunden oder Quoten handelt.“
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes in der Pressemitteilung vom 17.3.2011 zum Bußgeld von EUR 38 Mio. gegen drei Konsumgüterhersteller wegen Informationsaustausches.
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Die Europäische Kommission gibt Unternehmen in ihren Horizontal-Leitlinien eine gewisse Hilfestellung bei der Identifizierung strategischer Informationen und nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft, aber keinesfalls abschließend: Preise, Preisbestandteile, Kundenlisten, Produktionskosten, Mengen, Umsätze, Verkaufszahlen, Kapazitäten, Qualität, Marketingpläne, Risiken, Investitionen, Technologien, F&E-Programme und deren Ergebnisse.156 Letztlich fallen unter den Begriff der strategischen Informationen alle Informationen, die nicht ohne Weiteres öffentlich verfügbar sind und die Rückschlüsse auf das aktuelle bzw. künftige Marktverhalten eines Unternehmen ermöglichen. Dies muss nicht zwingend nur aus den ausgetauschten Informationen selbst gelingen. Es kann nach den Leitlinien der Kommission vielmehr bereits der marginale Zusatznutzen sein, der zu einem auf