– die Verordnung (EU) Nr. 316/2014 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (TT-GVO),115
– die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (Vertikal-GVO).116
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Zu diesen GVOen hat die Kommission jeweils Leitlinien erlassen, die sich sowohl mit der Frage befassen, wie die jeweiligen GVOen anzuwenden sind, als auch praktische Hilfe bei der Beurteilung von Vereinbarungen geben, die außerhalb des Anwendungsbereichs der jeweiligen GVO liegen.117
4. Keine Anwendbarkeit des Kartellverbots mangels Wettbewerbsbeschränkung
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Ein Verstoß gegen das Kartellverbot scheidet aus, wenn in der unternehmerischen Verhaltensweise bereits keine Wettbewerbsbeschränkung liegt. In diesem Fall bedarf es für die Vereinbarung auch keiner Freistellung nach einer Gruppenfreistellungsverordnung oder der Legalausnahme.
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An einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des europäischen Kartellverbots kann es fehlen, wenn es an der sog. doppelten Spürbarkeit mangelt, die entsprechende Beschränkung also nicht geeignet ist, entweder den Wettbewerb oder den zwischenstaatlichen Handel innerhalb der EU spürbar zu beeinträchtigen. Fehlt es allein an der Eignung zur spürbaren Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels, hat dies rechtlich nur zur Folge, dass die jeweiligen Vereinbarungen dann dem nationalen Recht der EWR-Mitgliedstaaten unterfallen und letztlich anhand des gleichen inhaltlichen Regelungsrahmens zu beurteilen sind. Zuständige Verfolgungsbehörde für Vereinbarungen mit Auswirkungen in Deutschland ist dann allein das Bundeskartellamt.118
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Die Frage, wann von einer „spürbaren“ Wettbewerbsbeschränkung auszugehen ist, konkretisiert die Kommission in ihrer De-minimis-Bekanntmachung119, nach der die Kommission Wettbewerbsbeschränkungen unterhalb bestimmter Marktanteilsschwellen nicht aufgreifen will. Für Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern liegt diese Marktanteilsschwelle bei 15 %, wobei jeder der Vertragsbeteiligten für sich unter dieser Schwelle liegen muss, für Vereinbarungen zwischen aktuellen oder potenziellen Wettbewerbern bei 10 %, wobei alle Unternehmen zusammen unter dieser Schwelle bleiben müssen.120 Dies entspricht den Schwellenwerten, die auch das Bundeskartellamt in seiner Bagatellbekanntmachung121 als Mindestschwellen für ein behördliches Eingreifen nennt. Beide Bekanntmachungen sind in der Praxis jedoch mit erheblicher Vorsicht zu genießen: Sie gelten nämlich nicht, wenn in der Vereinbarung sog. Kernbeschränkungen enthalten sind.122 Für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern sind dies: (i) Festsetzung der Preise beim Verkauf von Erzeugnissen an Dritte, (ii) Beschränkung der Produktion oder des Absatzes und (iii) Aufteilung von Märkten oder Kunden. Für Vereinbarungen, die in den Anwendungsbereich einer Gruppenfreistellungsverordnung fallen, sind dies die in der jeweiligen Gruppenfreistellungsverordnung aufgeführten Kernbeschränkungen. Zudem enthalten beide Bekanntmachungen lediglich eine Selbstbindung der Behörden. Gerichte sind an diese Leitlinien und die dort enthaltenen Schwellenwerte nicht gebunden.
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In der Compliance-Praxis haben die De-minimis- und Bagatellbekanntmachung deshalb eher Bedeutung bei der Verteidigung einer Vereinbarung als bei der zukunftsgewandten Risikoabwägung. Verhaltensrichtlinien für Unternehmen müssen zudem berücksichtigen, dass ein Unternehmen sehr schnell in die relevanten Schwellenwerte hineinwachsen kann.
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Ungeachtet der Frage der Spürbarkeit fehlt solchen Abreden der wettbewerbsbeschränkende Charakter, bei denen die spezifische Beschränkung objektiv notwendig ist, damit es überhaupt zum Abschluss einer – im Übrigen kartellrechtlich neutralen – Vereinbarung kommt.123 Objektiv notwendig heißt in diesem Zusammenhang, dass die Beschränkung nicht lediglich von den Parteien zum Abschluss der Vereinbarung für notwendig erachtet, sondern für den Abschluss einer vergleichbaren Vereinbarung generell notwendig und angemessen ist.124 Es darf zudem keine weniger beschränkende Vereinbarung geben, mit der das gleiche Ziel erreicht werden kann. Praxisrelevante Beispiele sind bestimmte Beschränkungen in Handelsvertreterverträgen125 sowie Nebenabreden zu einer Transaktion.126
101 Das deutsche GWB kennt z.B. neben der Kontrolle einseitiger Verhaltensweisen durch marktbeherrschende Unternehmen auch die Verhaltenskontrolle „marktstarker“ Unternehmen, siehe dazu unter Rn. B 225ff. 102 Siehe zum Begriff der Wettbewerbsbeschränkung Rn. B 20ff. sowie zur Spürbarkeit Rn. B 101ff. 103 Zur Ermittlung der spürbaren Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels: Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des Zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrages, ABl. EU 2004 C 101/81. 104 Siehe zum Begriff des Wettbewerbs Rn. B 5, 20f. 105 Bekanntmachung der Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. EU 2004 C 101/8 (Art. 81 Abs. 3-Leitlinien), Rn. 35. 106 Art. 81 Abs. 3-Leitlinien (siehe vorherige Fn.), Rn. 33. 107 Das Bundeskartellamt kann im Hinblick auf eine bestimmte Verhaltensweise gemäß § 32c GWB bestätigen, dass für das Amt kein Anlass zum Tätigwerden besteht. Ob das Bundeskartellamt eine solche Entscheidung trifft, liegt in seinem alleinigen Ermessen. Die Unternehmen haben also keinen Anspruch auf eine solche Entscheidung, siehe dazu weiterführend Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 32c. 108 Art. 81 Abs. 3 – Leitlinien, Rn. 35. 109 Zur Systematik von GVOen Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, 4. Aufl. 2019, Rn. 17ff. 110 Bechtold/Bosch/Brinker/Hirsbrunner, EG-Kartellrecht, 3. Aufl. 2014, Art. 101 Rn. 150. 111 Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, 4. Aufl. 2019, Rn. 974ff. 112 Für einen Gesamtüberblick zu allen geltenden GVOen siehe Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 1/EU, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 3 Rn. 332ff. 113 ABl. EU 2010 L 335/36. 114 ABl. EU 2010 L 335/43. 115 ABl. EU 2014 L 9/17. 116 ABl. EU 2010 L 102/1. 117 Siehe für Spezialisierungs-GVO und F&E-GVO: Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl. EU 2011 C 11/1 (Horizontal-Leitlinien); für die TT-GVO: Leitlinien zur Anwendung von Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Technologietransfer-Vereinbarungen, ABl. EU 2014 C 89/3 (TT-Leitlinien); für die Vertikal-GVO: Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EU 2010 C 130/1 (Vertikal-Leitlinien). 118 Siehe dazu bereits oben Rn. B 12.