Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank Rehfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Rehfeld
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Год издания: 0
isbn: 9783956179129
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und bislang hatte er noch nie besondere Vorkehrungen getroffen oder sonst irgendwelchen Aufwand betrieben, nur weil einige Angehörige des Alten Volkes Cavillon einen Besuch abstatteten. Wenn er es diesmal tat, dann bedeutete das, dass etwas Bedeutsames geschehen war. Oder dass wichtige Ereignisse bevorstanden.

      "Gut, sag Charalon, dass ich gleich kommen werde", erklärte er. Er wartete, bis Brak das Zimmer wieder verlassen hatte, dann nahm er den Ring vom Tisch und trat erneut ans Fenster. In der Ferne konnte er bereits die Gruppe der Elben sehen, zumindest war anzunehmen, dass es sich bei den winzigen dunklen Punkten auf einem Hügelkamm um die Delegation des Alten Volkes handelte. Was ihn überraschte, das war ihre Zahl. Er hatte mit drei, vier Spähern gerechnet, doch stattdessen mussten es mindestens zwanzig bis dreißig Reiter sein. Wenn Elben in einer so großen Gruppe reisten, dann war das in der Tat etwas Besonderes. Auf jeden Fall stellte es eine gute Gelegenheit dar, das frisch angepasste Skiil zu erproben, das die Fähigkeit besaß, Entfernungen für den Blick zusammenschrumpfen zu lassen. Maziroc kniff ein Auge zu, hob den Ring vor das andere und spähte hindurch. Zunächst sah er alles nur verschwommen, und er musste sich konzentrieren, um das Skiil schärfer zu fixieren, dann schälten sich allmählich deutlichere Konturen aus dem Dunst. Er konnte die Reiter nun so klar sehen, als ob sie nur noch weniger als halb so weit entfernt wären. Es handelte sich tatsächlich um rund zwei Dutzend Elben, von denen die in grün gekleideten Späher allerdings den geringsten Teil stellten. Die übrigen trugen Kettenhemden, und ihr Wams darüber zweigte das dunkle Braun der Elbenkrieger.

      Und in ihrer Mitte ...

      Ungläubig ließ Maziroc den Ring sinken, blinzelte ein paarmal und starrte dann erneut durch das Skiil. Er hatte sich nicht getäuscht. Mit einem Mal ergab alles einen Sinn: die große, schwer bewaffnete Eskorte, und auch, dass Charalon ihn hatte rufen lassen, damit er bei der Ankunft der Gäste vom Alten Volk anwesend war.

      Der Mann in einem schlichten sandfarbenen Gewand, der inmitten der Krieger ritt, war niemand anders als Eibon Bel Churio, der König des Alten Volkes!

      Maziroc konnte es kaum glauben, aber es war kein Zweifel möglich. Bei seinem ersten Besuch in Ai'Lith hatte er den Elbenkönig gesehen, beim zweiten Mal war er bereits von ihm empfangen worden, und mittlerweile waren sie einander freundschaftlich verbunden. Der Mann war Eibon, dem man bereits wenige Jahre nach Antritt seines Amts den Ehrentitel "Bel Churio" verliehen hatte, was in der Ursprache der Elben Der Erleuchtete bedeutete. Ihm war es gelungen, den jahrhundertealten Krieg der Elben gegen die Barbaren der Südländer zu beenden und einen für beide Seiten ohne Gesichtsverlust annehmbaren Friedensvertrag auszuhandeln, der seither Bestand hatte.

      Allerdings verließ Eibon die Hohe Festung nur noch äußerst selten. Wenn er nun die weite Reise auf sich genommen hatte, um persönlich nach Cavillon zu kommen, dann musste es wirklich einen extrem wichtigen Grund dafür geben.

      Von einem Gefühl jähen Unbehagens erfüllt, eilte Maziroc zur Tür, hastete die Treppe des Turms hinab, eilte über mehrere Korridore und durch die gewaltige Eingangshalle des Hauptgebäudes mit ihren barocken Rundbögen und den säulengestützten, mehr als zehnfach mannshohen Fenstern, bis hinaus auf den Hof, wo sich bereits zahlreiche andere Magier und Hexen zusammengefunden hatten. Auf Anhieb entdeckte er Charalon zwischen ihnen und trat auf das Oberhaupt des Ordens zu.

      Wie meist - zumindest, wenn er sich in der Öffentlichkeit zeigte - trat Charalon als ein kräftiger Hüne mir scharf geschnittenen Gesichtszügen und wallendem, angegrautem Haar auf. Das war jedoch nur eine durch Magie erzeugte Illusion. Zwar stimmte die hünenhafte Statur, doch aufgrund eines fehlgeschlagenen Experiments hatte Charalon bereits in jungen Jahren sämtliches Haar verloren, und sein Gesicht war noch immer von zahlreichen Brandnarben verunstaltet. Außer Maziroc gab es jedoch nur wenige, die ihn jemals so gesehen hatten. Nicht allein Eitelkeit trieb Charalon zu seiner Maskerade. Immerhin war er das Oberhaupt des Ordens und musste dessen Macht und Bedeutung nach außen hin repräsentieren. Die meisten, die ihn in seiner wahren Gestalt sahen, hätten jedoch beachtliche Schwierigkeiten, in ihm den vielleicht mächtigsten Magier zu erkennen, der jemals gelebt hatte. Allzu oft gingen die Menschen nur nach Äußerlichkeiten und ließen sich von diesen blenden. Diesem Umstand hatte sich Charalon mit der magischen Illusion angepasst, machte ihn sich sogar zunutze, indem er sich ein Aussehen verschafft hatte, das dem Bild anderer von einem Mann seiner Bedeutung entsprach.

      "Was hat das zu bedeuten?", fragte Maziroc besorgt. "Weißt du etwas darüber?"

      "Nicht mehr als du", behauptete Charalon. Seine Stimme klang volltönend und autoritätsgewohnt. "Aber wenn Eibon sich trotz seines Alters noch einmal persönlich hierher bemüht, dann muss er wichtige Gründe dafür haben. Deshalb habe ich alle zusammenrufen lassen."

      "Und genau diese Gründe bereiten mir Sorgen", erwiderte Maziroc. "Es herrscht schon seit so vielen Jahren Frieden, und wir haben Wohlstand und einen wirtschaftlichen Aufschwung sondergleichen erlebt, dass es eigentlich kaum noch bedeutend besser werden kann. Wenn es also so wichtige Neuigkeiten gibt, dass Eibon meint, sie persönlich überbringen zu müssen, dann fürchte ich deshalb, dass es sich nur um schlechte Nachrichten handeln kann."

      "Eine nicht unbedingt logische Folgerung. Außerdem herrscht bei Weitem nicht überall Frieden. Du bist und bleibst einfach ein unverbesserlicher Schwarzseher."

      "Nur Realist", korrigierte Maziroc schmunzelnd. "Und manchmal sogar Optimist, weil Glaube bekanntlich Berge versetzen kann. Etwas Vergleichbares ist mir gerade gelungen. Ich habe es endlich geschafft, zwei Skiils gleichzeitig auf mich abzustimmen."

      "Du hast ..." Charalon brach ab, starrte Maziroc ein paar Sekunden lang ungläubig an, dann lachte er kopfschüttelnd und schlug ihm ein paarmal kräftig auf die Schulter. "Maziroc, mein Freund, du bist unglaublich. Ich war fest davon überzeugt, dass du nur einem Phantom nachjagen würdest. Was du geschafft hast, ist selbst mir noch nie gelungen. Allmählich machen deine magischen Fähigkeiten sogar mir fast schon Angst."

      "Das sollten sie auch, denn du hast mir alles beigebracht, was du weißt, aber ich habe noch eine Menge dazugelernt, wovon du nicht einmal etwas ahnst", behauptete Maziroc scherzend. Lächelnd fügte er hinzu: "Außerdem habe ich einen großen Vorteil auf meiner Seite. Ich lebe allein und kann mich meinen Experimenten beliebig lange und intensiv hingeben, während du den Großteil deiner freien Zeit deiner Frau widmest."

      "Aus deren Liebe ich aber wiederum mehr Kraft schöpfen kann, als du auch nur für möglich halten würdest", konterte Charalon.

      Seine Worte waren wie dieses ganze Gespräch nur scherzhaft gemeint, dennoch schmerzte die Bemerkung Maziroc, obwohl er sie sogar selbst aus Unachtsamkeit provoziert hatte. Vor vielen Jahren hatte auch er einst von ganzem Herzen geliebt. Cyra, seine Angebetete, war eine Prinzessin am Kaiserhof von Aslan gewesen. Auch sie hatte ihn geliebt, und die Verbindung hatte den Segen ihres Vaters erhalten. Bevor sie jedoch hatten heiraten können, hatte es in Aslan einen Umsturzversuch gegeben, während Maziroc in Cavillon geweilt hatte. Zwar war der Aufstand niedergeschlagen worden, doch in den Wirren der Revolte war Cyra von einem unbekannt gebliebenen Attentäter erdolcht worden. Ihr Tod hatte Maziroc das Herz gebrochen. Aus immer noch andauernder Liebe zu Cyra und um ihr Andenken zu ehren, hatte er den Frauen und der Liebe seither entsagt.

      Charalon hingegen war seit vielen Jahrzehnten glücklich verheiratet, auch wenn die Ehe zu seinem größten Bedauern kinderlos geblieben war. Sicherlich hatte er mit seiner Bemerkung keine alten Wunden neu aufreißen wollen, und Maziroc bemühte sich, sich nicht anmerken zu lassen, welchen Stich sie ihm versetzt hatten.

      "Dann vergiss dabei vor allem aber eines nicht", setzte er die Flachserei fort. "Ich bin noch halbwegs jung, während du deine beste Zeit längst schon hinter dir hast, alter Mann. Schon allein deshalb werde ich dich irgendwann einholen und deine Fähigkeiten noch übertreffen."

      "Ach ja? Wir können ja demnächst wieder einen kleinen Wettkampf veranstalten, dann wird der alte Mann dir mal zeigen, wozu er noch immer imstande ist. Und statt herumzuprahlen, erzähl mir lieber, um was für Skiils es sich gehandelt hat."

      "Ein Ring, mit dem man in die Ferne schauen kann, und ein Medaillon, das die Gesundheit stärkt", berichtete Maziroc. "Ein recht leichtes und ein mittelschweres also. Der Trick war, erst die beiden