Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank Rehfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Rehfeld
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783956179129
Скачать книгу

      Er lächelte ihr zu, dann erhob er sich, drehte sich um und verließ den Raum.

      "Niemals", stieß Miranya noch einmal hervor, doch vermutlich hörte er es nicht einmal mehr.

      Der Drachenreiter

      Die Stunden, die er in Ravenhorst verbrachte und auf die Entscheidung der Zwerge wartete, schienen sich für Maziroc zum längsten Tag seines Lebens zu dehnen. Insgesamt sechs Drachenreiter waren bereits früh am Morgen aufgebrochen. Trotz der Schnelligkeit, mit der die Drachen zu fliegen vermochten, war mit ihrer Rückkehr erst am späten Nachmittag oder frühen Abend zu rechnen, doch das Warten fiel Maziroc so schwer wie selten zuvor.

      Von früheren Besuchen her wusste er, dass es fast unmöglich war, sich in Ravenhorst zu langweilen. Wer einmal hier als Gast geduldet wurde, dem fiel es auch nicht schwer, selbst mit wildfremden Zwergen ins Gespräch zu kommen. Man musste sich sogar schon regelrecht anstrengen, um nicht von ihrer Geselligkeit angesteckt und mit in ihr fröhliches Treiben verwickelt zu werden. Scheinbar jeder, der nicht innerhalb der Stadt gerade einer Arbeit nachging oder sie zur Jagd, zur Wache, zum Abbau von Erzen oder aus sonst einem Grund verlassen hatte, nutzte jede sich bietende Gelegenheit für eine Plauderei. An allen Ecken und Enden wurde der neueste Tratsch ausgetauscht, wurde diskutiert, gelacht und natürlich getrunken. Die zahlreichen Gasthäuser waren selbst am Tage schon gut besucht.

      Immer wieder wurde Maziroc angesprochen, wurde auf einen Krug Wein oder Bier eingeladen und gebeten, von seinen Erlebnissen zu erzählen. Unter anderen Umständen wäre er der Bitte nur zu gerne nachgekommen, aber nicht an diesem Tag. Er hatte am vergangenen Abend nur wenig Alkohol getrunken und sich früh hingelegt, doch hatte er nur äußerst unruhig geschlafen und war früh am Morgen schon wieder auf den Beinen gewesen. Seither verspürte er eine fast fieberhafte innere Unruhe.

      Von einem Fenster des ihm zugewiesenen Quartiers aus hatte er den Aufbruch der Drachen beobachtet. Leider waren sie nicht über die Stadt hinweggeflogen, sondern direkt in die entgegengesetzte Richtung, sodass er die gewaltigen Tiere nur von Weitem hatte sehen können. Er hätte das Skiil benutzen können, mit dem er in die Ferne schauen konnte, doch es wäre ihm wie ein Vertrauensbruch an den Zwergen vorgekommen, obwohl sie es nicht einmal bemerkt hätten. Wenn sie es für richtig hielten, würden sie ihm die Drachen zeigen, und er wollte sich dieses Privileg nicht durch Magie erschwindeln.

      Erst ein einziges Mal, bei seinem allerersten mittlerweile über zwanzig Jahre zurückliegenden Besuch in Ravenhorst, hatte man ihn bis nahe an die Drachengehege herangeführt, und es war ein unvergleichlicher Anblick gewesen. Die Flugdrachen waren die größten Tiere, die es auf Arcana gab, doch nicht nur aus diesem Grund waren sie zugleich auch die beeindruckendsten. Trotz ihrer Größe und Massigkeit wirkten sie kein bisschen plump, wenn man sie aus der Nähe sah, sondern sie bewegten sich äußerst elegant und geschmeidig, selbst am Boden.

      Ihr eigentliches Revier aber war die Luft. Ihr Flug nahm sich gegenüber dem von Vögeln wie das majestätische Dahingleiten eines Adlers im Vergleich zum hektischen Flügelschlagen eines Spatzen aus.

      Am frühen Vormittag suchte Maziroc Pollus auf, der ein Quartier ganz in der Nähe von ihm bekommen hatte, das jedoch wesentlich weniger komfortabel war. Außerdem stand ein Zwergenkrieger als Wache vor der Tür. Maziroc wollte zusammen mit dem Soldaten einen Spaziergang durch Ravenhorst unternehmen und ihm die Stadt zeigen, doch der Wachposten wies sie freundlich aber bestimmt zurück, als sie durch die Tür ins Freie traten.

      "Ihr selbst dürft Euch in Ravenhorst frei bewegen, Maziroc von Cavillon, aber das gilt nicht für ihn", erklärte er und deutete dabei auf Pollus. "Es ist bereits ein großes Entgegenkommen aufgrund unserer Hochachtung vor Euch, dass wir einen einfachen Menschen hier dulden. Ich habe jedoch ausdrückliche Anweisung, darüber zu wachen, dass er sein Quartier nicht verlässt."

      "Er ist kein Gefangener sondern mein Freund", begehrte Maziroc hitzig auf. "Und ich verlange, dass er auch dementsprechend ..."

      "Lass es gut sein", fiel ausgerechnet Pollus selbst ihm ins Wort und legte ihm die Hand auf den Arm. "So sind nun einmal ihre Traditionen. Ich bin schon äußerst froh, dass ich überhaupt hier sein darf. Das ist mehr, als ich mir jemals erträumt habe, und ich werde einst noch meinen Enkelkindern davon erzählen können."

      "Aber wir ..."

      "Strapazieren wir die Gastfreundschaft der Zwerge nicht durch immer größere Forderungen", unterbrach Pollus ihn abermals. "Sicher würde ich am liebsten tagelang durch Ravenhorst laufen und mir alles genau ansehen, aber nach den Strapazen der letzten Zeit tut mir auch ein bisschen Ruhe ganz gut."

      "Wie du meinst", lenkte Maziroc nach ein paar Sekunden widerwillig ein. Vermutlich hatte Pollus sogar recht. Sie waren nur Gäste hier und hatten sich den Regeln ihrer Gastgeber anzupassen. Es war in der Tat schon ein großes Zugeständnis, dass man seinen Begleiter überhaupt nach Ravenhorst gelassen hatte, statt zu verlangen, dass er sein Lager am Fuße des Ashran aufschlug.

      In Gedanken versunken schlenderte Maziroc allein durch die Straßen der Stadt. Auch weiterhin lehnte er sämtliche Einladungen irgendwelcher Zwerge, sich zu ihnen zu gesellen, freundlich aber bestimmt ab. Ihm stand nicht der Sinn danach, irgendwelche Geschichten zu erzählen, oberflächlich zu plaudern und sich zu amüsieren. Dafür war die innere Unruhe, die er verspürte, zu stark, und sie ließ auch den ganzen Tag über nicht nach. Das tatenlose Abwarten, während anderenorts vielleicht bereits der große Eroberungszug der Damonen begonnen hatte und Krieg geführt wurde, machte ihm zu schaffen.

      Schon in den vorangegangenen Tagen war dies der Fall gewesen, doch noch niemals so stark. Er wertete es als einen Hinweis, dass entscheidende Ereignisse dicht bevorstanden oder sogar schon begonnen hatten, und er es irgendwie spüren konnte. So verrückt dies im ersten Moment auch erscheinen mochte, es war durchaus denkbar, dass sich durch die zahlreichen gemeinsam mit Charalon durchgeführten magischen Experimente, bei denen sie manchmal geistig regelrecht verschmolzen waren, eine Art unsichtbares Band zwischen ihnen gebildet hatte, wodurch sie selbst über die große Entfernung hinweg spüren konnten, wenn sich einer von ihnen in Gefahr oder sonst einer extremen Situation befand. Er hatte von Zwillingen gehört, bei denen dies ähnlich sein sollte. In gewisser Hinsicht waren auch Charalon und er durch ihre Magie fast wie Brüder.

      Entsprechend große Sorgen machte sich Maziroc. Wenn die Drachenreiter auch nur bis in die Nähe des Gehöfts flogen, konnten sie nicht vor dem Abend zurückkehren, vielleicht sogar erst in der Nacht, doch er hatte das fast sichere Gefühl, dass jede Minute entscheidend sein konnte.

      Möglicherweise hatten sie alle die Gefahr bislang sogar weit unterschätzt. Sie hatten einige hundert Damonen gesehen und ansonsten lediglich von dem geheimnisvollen Kenran'Del etwas über sie erfahren. Aber auch dessen Kenntnisse waren entweder nur ziemlich begrenzt gewesen, oder er hatte aus irgendwelchen Gründen nicht mehr von seinem Wissen preisgeben wollen.

      Bei jedem dunklen Punkt, den er am Himmel entdeckte, schlug Mazirocs Herz unwillkürlich schneller, und mittlerweile hatte er keine Hemmungen mehr sein Skiil zu benutzen, um nachzusehen. Stets jedoch wurde er enttäuscht, weil es sich nicht um Drachen sondern nur um irgendwelche großen Vögel oder sogar schlichtweg nur um Einbildung handelte.

      Zur Mittagsstunde nahm er eine Einladung der Könige an, mit ihnen gemeinsam zu speisen. Er hoffte, in einem weniger formellen Gespräch als dem vom vergangenen Abend ein wenig auf sie einwirken und sie davon überzeugen zu können, wie wichtig ihre Hilfe war, doch