So verbrachte sie den Nachmittag damit, zu googeln, was in ihrer alten Heimatstadt vonstattenging.
Zum Abendessen kam Patrick vorbei. Er brachte eine Frau mit, die sich als seine neue Freundin herausstellte.
»Sie ist eine Hexe. Wir haben uns über das Internet kennengelernt und wir haben nicht nur festgestellt, dass wir dieselbe genetische Besonderheit besitzen, sondern auch sie interessiert sich für schwarze Magie. Ist das nicht wundervoll?«, freute er sich und präsentierte die Frau, die einfach nur freundlich lächelte.
»Zum Glück, Patrick! Ich dachte schon, du würdest es wie so viele andere tun und dich mit einem Menschen zufriedengeben. Das ist so erbärmlich«, beschwerte sich Claudius und rümpfte die Nase.
»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Herr Wenninger! Patrick hat mir nur Gutes über Sie erzählt«, verkündete die Frau mit sanfter Stimme. Ihre Augen waren geweitet, als sie bewundernd zu Claudius aufblickte. Auch ihre Atmung ging schnell und Fiona wusste nicht, ob sie es sich einbildete, aber sie glaubte, den Herzschlag an der Halsschlagader zu sehen. Die Frau schien so aufgeregt. Sie himmelte Claudius regelrecht an. Es fehlte nur noch, dass sie anfing zu kreischen wie ein Haufen Teenager, die irgendeine Boyband erblickten.
»Nenn mich Claudius, Patricks Freunde sind auch meine Freunde. Wie heißt du, Schätzchen?«, wollte Claudius wissen und streckte der Frau, die sich als Nora vorstellte, die Hand hin. Er war so nett und zuvorkommend. Er deutete auf Valerian und Fiona und stellte die beiden vor: »Das sind mein Sohn Valerian und seine bezaubernde Freundin Fiona!«
Fiona grinste breit. Sie konnte sich keinen besseren zukünftigen Schwiegervater vorstellen.
Sie gingen ins Wohnzimmer. Valerian und Fiona tischten das Abendessen auf. Es gab gegrillte Fischfilets auf Bandnudeln mit Spinat.
»Das sieht köstlich aus«, lobte Nora und griff zum Besteck.
An ihrem Gesicht sah Fiona, dass sie log. So wie sie den Fisch musterte, schloss Fiona daraus, dass sie in Wahrheit Vegetarierin war, aber sich vor Claudius nicht traute, dies zuzugeben.
Claudius übersah ihre wahren Empfindungen, vermutlich absichtlich. »Vielen Dank! Ich habe mir viel Mühe gegeben, als Patrick meinte, er würde einen Dinnergast mitbringen.« Wenninger lächelte charmant.
»Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ein Mann wie Sie kochen kann. Man beschreibt Sie als so absolut.« Sie schien im Gegensatz zu Claudius noch nicht beim Du angekommen zu sein.
Fiona und Valerian gingen in die Küche, um die restlichen Teller und eine neue Flasche Wein zu holen. »Wetten, dein Vater spannt sie Patrick aus. Die himmelt Claudius richtig an«, witzelte Fiona amüsiert.
Valerian lachte nur abfällig, als könnte er sich das überhaupt nicht vorstellen. »Nee, dafür ist Dad zu nett. Das macht er nicht. Außerdem will er eher etwas auf seiner Ebene, kein schwaches Weibchen, das ihn wie einen Gott behandelt.«
»Gibt es da denn eine?«, stichelte Fiona, wie sie es immer in der Schule getan hatte. Sie kam sich furchtbar lächerlich vor. Der Mann, über den sie sprach, war sechsundvierzig und nicht mehr vierzehn.
»Wohnt im Haus denn eine?«, ertönte die Gegenfrage von Valerian, die Fiona verneinen musste.
Sie kehrten zurück ins Wohnzimmer und setzten sich an den Tisch, wo noch immer die Diskussion über menschliche Lebenspartner in vollem Gange war.
»Ich überlege, ob es nicht vielleicht besser wäre, es den Mitgliedern des engen Kreises zu verbieten. Ich denke, das könnte eine Risikoquelle darstellen«, gab Claudius gerade zu bedenken.
»Wie viele Mitglieder zählen Sie denn zu Ihrem engsten Kreis?«, hakte Nora nach.
Fiona war sich nicht sicher, aber sie vermutete, dass die Frau hoffte, in einem halben Jahr in diesen aufzusteigen.
»Neunzehn!«, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen.
Fiona zählte durch, denn viel weniger waren sie zu Weihnachten nicht gewesen. Claudius, Valerian, Patrick, sie selbst und noch vierzehn weitere Personen waren damals hier gewesen. Sie hatte diesen Kreis also bereits kennengelernt und war Teil davon. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich besonders privilegiert, dass Claudius ihr die Ehre schon so zeitig erwiesen hatte. Sie vermutete, dass Patrick und Valerian dabei ihre Finger im Spiel gehabt hatten.
Wer allerdings die neunzehnte Person war, wollte ihr niemand sagen. Alle waren zu sehr mit Patricks neuer Flamme beschäftigt, sodass auch Fiona das Interesse am engsten Kreis verlor.
»Wie viele Anhänger haben Sie insgesamt?«, erkundigte sich Nora.
Diesmal musste Claudius etwas länger überlegen, aber auch diese Frage beantwortete er: »Ich schätze, es müssten weltweit um die zweitausend Aktive sein und eine hohe Zahl an Bewunderern.«
»Das sind ziemlich viele«, schleimte Nora weiter, was Fiona zum Lächeln brachte.
Nora war bei diesem ersten Treffen mit Claudius ganz anders, als Fiona sich damals verhalten hatte. Fiona hatte versucht intelligenter zu wirken, während Nora ihm nur Honig ums Maul schmierte.
»Wie bist du eigentlich zur schwarzen Magie gekommen, Nora?«, wollte Fiona wissen.
»Ich wollte einfach mehr können als das, was uns als weiße Magie verkauft wird«, behauptete Nora.
Am Tisch herrschte Stille, denn alle wussten, dass sie log. Jeder Mensch brauchte für seine Handlungen ein Motiv, das besser als Neugier war. Sie war zu alt für jugendlichen Leichtsinn. Ab dreißig besaß man wohl genug Lebenserfahrung, dass solche Entscheidungen aus Hass geschahen.
Nora schien einzusehen, dass sie etwas mehr preisgeben musste. So sagte sie: »Ich war einfach mit meinem Leben vollkommen unzufrieden. Ich war so allein. Schon als ich noch ein Teenager war, hatte ich niemanden. Ich habe angefangen, schwarzmagische Bücher zu lesen und mich mit Gleichgesinnten zu treffen. Ich hatte endlich jemanden, der mich versteht.«
»Ich weiß gar nicht, wie so ein wunderschönes Wesen wie du einsam sein kann«, schmeichelte Patrick.
Er war wirklich richtig verknallt. Fiona fand das furchtbar süß.
»Warum bist du hier?«, erwiderte Nora Fionas Frage.
Fiona sah zu Valerian, wie viel sie preisgeben sollte.
Er nickte.
Sie sollte wohl alles erzählen. Man konnte Nora scheinbar vertrauen. Aus diesem Grund zählte sie die wichtigsten Eckdaten betont teilnahmslos auf: »Patrick ist mein Onkel und hat mit mir Kontakt aufgenommen. Von ihm habe ich ein paar schwarzmagische Bücher bekommen. Dann habe ich jedoch etwas Mist gebaut. Ich dachte, ich wäre in der Lage, ein richtiges Ritual durchzuführen. Leider hatten meine drei Mitstreiterinnen jedoch keinerlei Erfahrungen mit schwarzer Magie. Das Ritual scheiterte und Florentin lag tot vor uns. Wir haben seinen Tod vertuscht. Ich habe mich von meiner Familie distanziert und wurde hier mit offenen Armen empfangen.« Sie verschwieg, dass sie anfänglich nicht ganz freiwillig Zeit mit Patrick verbracht hatte. Das musste Nora nicht wissen. Nicht, dass sie noch an Fionas Überzeugung zweifelte, wozu es mittlerweile wirklich keinen Grund mehr gab.
»Ihr habt einen Menschen umgebracht?« Nora schien vollkommen fassungslos. Wie niedlich naiv sie doch war.
Gelächter wurde im Raum laut. »Schatz, ein einziger Mord ist hier aber noch gar nichts. Der liebe Claudius kann darüber nur lachen«, stichelte Patrick und boxte seinem Kumpel spielerisch auf den Oberarm.
»Du bist jetzt vielleicht etwas überrascht. Das war ich auch, aber du wirst dich daran gewöhnen«, versprach Fiona. Sie wusste, wovon sie sprach. Mittlerweile war sie gar nicht mehr schockiert, dass Claudius sechzig Leute auf dem Gewissen hatte.
»Alles in Ordnung!«, versicherte Nora und erklärte ihre Verwirrung: »Du bist nur so jung. Ich hätte gerade bei dir nicht damit gerechnet.«
»Es war ja auch mehr ein Unfall als ein Mord«, stimmte