Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Ich habe keine Zeit.
Zoe verdrehte die Augen: Für mich hast du immer Zeit. Ich brauche jemanden zum Reden. Bros before hoes gilt auch für weibliche Freunde!
Sie hielt die Luft an. Hoffentlich funktionierte das, denn sonst würde es sehr peinlich werden. Doch heute war mal wieder ein guter Tag nach den schrecklichen Wochen, denn Simon schrieb: Gut, wir treffen uns um acht im Club!
Zoe lächelte breit. Es ging bergauf. Ihr Erpresser hatte sich seit einer Woche nicht mehr bei ihr gemeldet. Sie hatte Hoffnung!
Plötzlich tauchte Elenor in der Tür auf. Sie wirkte etwas schüchtern, als sie auf Zoe zutippelte. »Zoe, hast du mal Zeit?«, fragte sie mit ihrer hohen Kinderstimme.
Zoe lachte und erwiderte: »Ich helfe dir nicht bei den Hausaufgaben. Ich mach ja nicht mal meine eigenen.«
Elenor schüttelte wild mit dem Kopf, sodass ihre zwei Zöpfchen wild um ihren Kopf flogen. »Ich habe eine Frage wegen Fiona.« Sie wirkte traurig.
»Also, was willst du wissen?« Zoe bedeutete ihr, sich zu setzen.
Es stellte sich heraus, dass es sich dabei um mehrere Fragen handelte, die Elenor prompt stellte: »Wo ist sie? Wann kommt sie wieder? Geht es ihr gut?«
Zoe atmete tief durch. Elenor hatte sich keine leichten Fragen ausgedacht, vor allem, weil Zoe die Antworten nicht kannte und eigentlich auch nicht erfahren wollte. Dennoch bemühte sie sich, sie so gut wie möglich zu beantworten: »Ich weiß nicht so genau, wo sie ist. Sie ist zu den Männern gezogen, die auf Paiges Geburtstagsfeier waren.«
»Aber die waren doch böse, oder?«, hakte Elenor nach. »Ich habe sie nicht gesehen, aber Papa hat das gesagt.« Ihre Augen waren weit aufgerissen. Kleine Kinder waren so naiv und niedlich.
»Ja, das ist der Grund, warum Fiona nicht mehr nach Hause kommt. Zumindest sicher nicht so bald. Ich denke, dass es ihr gut geht. Das hoffe ich für sie, aber ich glaube, irgendwann wird sie es bereuen.«
»Kommt sie dann wieder nach Hause?«, fragte Elenor glücklich.
Zoe nickte traurig und log: »Bestimmt!« Sie konnte einem achtjährigen Mädchen schließlich nicht sagen, dass ihre Schwester bei den ersten Widerworten ermordet werden würde. Dafür war sie noch zu klein.
»Ich hoffe, sie sind bald keine Freunde mehr. Dann ist Fiona wieder zu Hause«, freute Elenor sich.
Zoe stimmte einfach zu und sie saßen schweigend nebeneinander, bis Elenor sich die nächste Frage überlegt hatte: »Ist Fiona jetzt auch böse wie ihre Freunde?«
»So böse wie ihre Freunde ist sie ganz sicher nicht, aber sie ist nicht mehr so nett wie früher«, stellte Zoe klar. Die Frage hatte sie sich noch nie gestellt. Wie lange würde es dauern, bis Fiona ihren ersten Mord beging?
Kapitel 5
Ein Deal
Am Abend saß Violett im Wohnzimmer. Es war dunkel. Nur eine Leseleuchte brannte und leuchtete geradewegs in ihr Gesicht. Es blendete. Ihr gegenüber saß ihr Onkel und neben ihm ihr Bruder. Wie bei einem Verhör. Als objektiver Betrachter musste es eine lächerliche Szene abgeben, doch so wie Violett dasaß, fühlte sie sich beklommen und sehr schwach.
»Gut, Violett, deine Zeit ist um. Nun musst du uns zeigen, wie viel du in den vergangenen vierundzwanzig Stunden über die Hexenjagd gelernt hast. Wieso ist diese so wichtig?«, hakte ihr Onkel nach und betrachtete sie mit durchdringendem Blick.
Violett wusste die Antwort nicht ganz. Sie beschloss zu sagen, was sie wusste, und dann Zoes Antwort zu geben: »Weil Hexen durch Telekinese, Voodoo, Rituale und irgendwelche Tränke wehrlose Menschen abschlachten können. Aber der viel bessere Grund ist doch, dass sie etwas können, wozu die Hexenjäger nicht in der Lage sind. Da diese sich in ihrer Minderwertigkeit nicht bestätigt fühlen wollen, haben sie sich entschieden, einfach ganz viele Hexen und Hexer grausam zu ermorden.«
»Pass auf, was du sagst. Hör endlich auf, diese Freaks zu glorifizieren. Sie sind gefährlich und wollen dich töten!«, behauptete Jakob empört.
Violett fragte sich, ob er den Mist, den er da predigte, tatsächlich glaubte.
»Ach ja? Und wer trainiert seine Kinder zu Kampfmaschinen? Die Hexen oder die Hexenjäger? Während Liam in der Lage ist, Erkältungstränke zu brauen, kann ich ihm auf vier verschiedene Arten den Arm brechen«, stellte Violett wütend klar.
Niklas blickte sie an, als hätte sie gerade vorgeschlagen, die eigene Hand zu frittieren. »Spinnst du? Wir können uns verteidigen. Du weißt doch gar nicht, was bei den Bernauers im Keller läuft. Ich frage mich, wie viele Leichen schon auf dem Steinboden lagen und wie viele sie auf ihrem Grundstück bereits verscharrt haben. Das sind kranke Psychopathen. Hast du diesen Massenmörder Wenninger nicht selbst erlebt?«
»Das ist einer von tausenden Hexen und Hexern. Was ihr da sagt, ist doch alles vollkommen überalterter Mist. Ich will keine Hexen töten«, stellte Violett klar und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
»Du dummes Kind hast die Notwendigkeit und die Tragweite noch gar nicht begriffen, aber das wirst du sicher noch. Dafür solltest du den Inhalt des Buches lernen. Hast du es? Denn sonst wirst du morgen nicht in die Schule gehen und wenn du noch aufsässig wirst, wird es die ganze Woche nichts mehr«, prophezeite Jakob. Er sprach leise, dennoch waren seine Worte furchteinflößend.
Violett richtete sich auf. So wollte sie nicht mit sich umgehen lassen. Mit lauter Stimme hakte sie nach: »Ihr versucht mich jetzt mental zu brechen, oder?«
Jakob schüttelte energisch den Kopf. »Nein, wir wollen nur dein Bestes. Du stürzt dich aus unüberlegter Liebe ins eigene Unglück. Das wollen wir verhindern.« Er holte Luft. »Wählen wir ein Beispiel. Stell dir vor, dir steht Fiona Bernauer gegenüber. Was tust du?«
Violett überlegte und antwortete dann wahrheitsgemäß: »Sie begrüßen und sie fragen, warum sie sich für die Schwarzmagier entschieden hat.«
»Falsch, dann hat sie dich bereits abgeschlachtet«, behauptete Niklas.
»Warum sollte sie das tun? Ich bedrohe sie schließlich nicht«, widersprach Violett und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie hatte keine Lust mehr auf die Diskussion. Sie war diejenige, die bis zum Schluss nett zu Fiona gewesen war. Sie stand wohl auf der Hassliste des Mädchens am weitesten unten.
»Das macht keinen Unterschied, aber dann nehmen wir halt ein anderes Beispiel. Stell dir vor, dir steht Magnus Claudius Wenninger gegenüber«, korrigierte Jakob.
»Dann würde ich zu Gott beten, dass er mich verschont.«
»Kämpfe!«
»Als ob ich gegen diesen Mann eine Chance hätte!«
»Versuche es!«
Violett verdrehte die Augen und dachte nach. Dann sagte sie: »Ich würde meine Waffe ziehen und ihm in den Kopf schießen.«
»Gut, und was, wenn du ihn nicht töten willst?«
»Dann muss ich mich auf einen Nahkampf einlassen, wobei die Schnelligkeit und der Überraschungseffekt meine stärksten Verbündeten sind. Ich muss ihn in Ketten aus speziellen Kristallen legen, damit er seine magischen Fähigkeiten verliert. Ohne die habe ich leichtes Spiel. Ich bin stark und gut im Kickboxen. Er ist mit zwei Schlägen k. o.«
Sie sah, wie ihr Onkel lächelte. Er freute sich sichtlich über ihre Antwort. Er schien Hoffnung zu haben, sie könnte sich doch zu einer guten Hexenjägerin entwickeln.
»Schön, und welche Steine nutzt man für diese Fesseln genau?«, wollte Jakob wissen.
Violett dachte angestrengt nach. Es waren fünf an der Zahl, aber ihr wollte keiner der Namen einfallen. Sie entschuldigte sich für ihr Unwissen, doch Jakob schien es nicht zu vergeben.
Er stand auf. »Gut, dann