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Die alte h.M. ging davon aus, dass auch kartellrechtliche Ansprüche von den üblicherweise verwandten Gerichtsstandsklauseln („alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit“) umfasst sind, und zwar grundsätzlich auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen. So hatte das OLG Stuttgart 1990 etwa die folgende Gerichtsstandsklausel auf kartellrechtliche Schadensersatzansprüche erstreckt mit der Folge der internationalen Unzuständigkeit des angerufenen LG Stuttgart:
„Der Gerichtsstand Modena ist allein zur Entscheidung zuständig im Falle irgendwelcher Streitigkeiten, die dennoch in Verbindung mit dem vorliegenden Vertrag entstehen können.“190
(1) CDC Hydrogen Peroxide
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Das LG Dortmund hatte in dem CDC-Verfahren über ähnlich weit gefasste Gerichtsstandsklauseln zu befinden, die seine Zuständigkeit für einige Ansprüche gegen einige der Beklagten derogierten. Es legte dem EuGH daher die Frage vor, ob es „das unionsrechtliche Gebot einer effektiven Durchsetzung des Kartellverbots“ gebiete, entsprechende Gerichtsstandsklauseln außer Acht zu lassen, wenn sie zur Derogation des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) oder des Sachzusammenhangs (Art. 8 Nr. 1 EuGVVO) führen. Der EuGH stellte fest, dass durch Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit die Effektivität der Durchsetzung des europäischen Kartellrechts nicht per se unterlaufen werde.191 Dies begründet der EuGH mit der Erwägung, dass das europäische Kartellrecht im Ausgangspunkt europaweit gleich effektiv durchgesetzt werde.192 Andernfalls würde die missliche Situation entstehen, dass das derogierte Gericht darüber entscheiden müsste, ob das prorogierte Gericht das europäische Kartellrecht gleich effektiv wie es selbst durchsetzt. Sodann bestätigte der EuGH seine ständige Rechtsprechung, dass nicht nur der allgemeine Gerichtsstand, sondern auch die besonderen Gerichtsstände der unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2 EuGVVO) und des Sachzusammenhangs (Art. 8 Nr. 1 EuGVVO) derogiert werden können.193
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Zu den konkret in Frage stehenden Klauseln führt der EuGH zunächst aus, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, ihre Reichweite auszulegen.194 Sodann erteilte der EuGH indes klare Segelanweisungen195 und erläutert, dass sich die Gerichtsstandsklausel nur auf Rechtsstreitigkeiten beziehen kann, die in einer gewissen Verbindung zu dem Vertragsverhältnis stehen, anlässlich derer die Gerichtsstandsklausel geschlossen wurde.196 Klauseln, die sich lediglich „in abstrakter Weise auf Rechtsstreitigkeiten aus Vertragsverhältnissen“ (bspw. „alle Ansprüche aus und im Zusammenhang“) beziehen, sollen einen Rechtsstreit nicht erfassen, „in dem ein Vertragspartner aus deliktischer Haftung wegen seines einem rechtswidrigen Kartell entsprechenden Verhaltens belangt wird“.197 Denn für den Vertragspartner sei mangels Kenntnis des Kartelldelikts zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsklausel das Entstehen entsprechender Ansprüche nicht „hinreichend vorhersehbar“, weswegen nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese Ansprüche auf dem Vertragsverhältnis beruhten.198 Anderes gelte nur, wenn sich die Gerichtsstandsklausel ausdrücklich „auf Streitigkeiten aus Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezieht“.199
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Diese Begründung überzeugt nicht vollumfänglich. Warum nur vorhersehbare Ansprüche auf dem Vertragsverhältnis beruhen sollten, erklärt der EuGH nicht. Zunächst hat die Vorhersehbarkeit nichts mit dem Bezug des Anspruchs zu dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu tun. Auch ein wenig vorhersehbarer Anspruch kann durchaus eng mit dem Grundverhältnis verbunden sein. Und gerade mit der abstrakten Formulierung der Gerichtsstandsklausel bringen die Parteien zum Ausdruck, dass alle Rechtsstreitigkeiten – und damit auch solche, an die zum Zeitpunkt des Abschlusses nicht gedacht wurde – von einem bestimmten Gericht entschieden werden sollen.200 So sind nach ständiger Rechtsprechung „normale“ deliktische Ansprüche von Schiedsklauseln umfasst, ohne dass verlangt wird, dass das deliktische Verhalten des Vertragspartners vorhersehbar war.201 In den wenigsten Fällen wird ein solches Fehlverhalten vorhersehbar sein; andernfalls wäre es auch wenig ratsam, sich vertraglich zu binden. Dennoch werden sich die europäischen und deutschen Gerichte am CDC-Urteil orientieren und kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nicht mehr als von weit gefassten Gerichtsstandsklauseln umfasst ansehen, wie zuletzt etwas das LG München I.202
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Das CDC-Urteil enthält eine weitere wichtige Aussage, und zwar zum Verhältnis von Abtretungen zu Gerichtsstandsklauseln. Geklagt hatte in dem Fall eine Zweckgesellschaft auf Basis zedierter Ansprüche. Der EuGH teilt nun (ungefragt) mit, dass eine Gerichtsstandsklausel nur zwischen den Parteien wirke, die dieser Klausel zugestimmt haben. Ein Dritter müsse, „damit ihm eine solche Klausel entgegengehalten werden kann, eine entsprechende Zustimmung erteilt haben“.203 Nur wenn der Dritte nach dem anwendbaren Sachrecht „in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei eingetreten ist“, gelte die Gerichtsstandsklausel ohne eigenständige Zustimmung.204 Dies wurde teilweise so verstanden, dass die Gerichtsstandsklausel nur bei einer kompletten Vertragsübernahme fortbestehe, die schlichte Abtretung einzelner Ansprüche (z.B. kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche) hingegen zum Entfall der Gerichtsstandsklausel führe.205 Diese Aussage ist stark kritisiert worden, denn der Schuldner des zedierten Anspruchs wirkt an der Abtretung nicht mit und würde einseitig des vereinbarten Gerichtsstandes beraubt.206 In anderem Zusammenhang hat der EuGH erklärt, dass die Abtretung einer Forderung nicht zum Entfall der damit verbundenen Gerichtsstandsklausel führe.207 Ob der EuGH diese Rechtsprechung aufgeben wollte, kann derzeit nicht mit Sicherheit beantwortet werden.
(2) Apple Sales International
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Der EuGH hat in der Folgezeit weitere Vorgaben zur Auslegung vertraglicher Gerichtsstandsklauseln aufgestellt. In der Entscheidung Apple befasste er sich mit der Frage, ob eine zwischen Apple und einem französischen Vertragshändler vereinbarte Gerichtsstandsklausel auch auf eine Schadensersatzklage auf Grundlage eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV Anwendung findet.208 Trotz einer Gerichtsstandsklausel zugunsten irischer Gerichte im Vertriebsvertrag erhob der Händler seine auf Marktmissbrauch gestützte Haftungsklage in Paris. Der Händler beanstandete, dass ihm Apple – nach Eröffnung eigener Stores in Frankreich – die Apple-Produkte zu schlechteren Konditionen als in den eigenen Apple Stores anbot und er gleichzeitig nach dem Vertriebsvertrag verpflichtet war, fast ausschließlich Apple-Produkte zu verkaufen. Das Vorabentscheidungsersuchen des Cour de Cassation betraf die Frage, inwiefern das CDC-Urteil auf eine auf Art. 102 AEUV gestützte Klage übertragbar ist und ob eine Anwendung der Gerichtsstandsklausel von einer vorherigen Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes abhängt.
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Der EuGH bestätigte, dass der EuGVVO kein Prorogationsverbot für Ansprüche aus Art. 101 und 102 AEUV entnommen werden kann.209 Gerichtsstandsvereinbarungen seien auch unabhängig davon zulässig, ob eine Stand-alone- oder eine Follow-on-Klage vorliege.210
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Weiter legte der EuGH dar, dass die Feststellungen aus dem CDC-Urteil nicht übertragbar seien, sondern nach Art des Wettbewerbsverstoßes zu differenzieren sei.211 Der EuGH stellte darauf ab, ob die Berücksichtigung einer vertraglichen Gerichtsstandsklausel im Rahmen einer Streitigkeit „als für eine der Parteien überraschend [...] angesehen werden kann“.212 Die Einbeziehung der Kartellschadensersatzklage im CDC-Urteil wäre deswegen überraschend gewesen, weil das Kartell keine unmittelbare Verbindung zur vertraglichen Beziehung zwischen einem Kartellbeteiligten und Direktabnehmer aufweise.213 Demgegenüber könne sich der