Bürgermeister Tannhäuser will sich „wegen des laufenden Verfahrens“ derzeit nicht äußern, weder zum Ratsbeschluss noch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern. Der Vorsitzende des Stadtrats, der Sozialdemokrat Wolfgang Haendel, betonte unterdessen, dem Kommunalparlament gehe es mit seinen Beschlüssen nicht darum, Tannhäuser aus dem Amt zu drängen. Man hoffe vielmehr, dass künftig ein „gedeihliches Miteinander“ mit dem Bürgermeister möglich werde2.“
1.2Ausgangslage und Relevanz
Zugegeben, die Erwartungen an gute Bürgermeister sind gewaltig.
Sie sollen nicht nur ihre Verwaltung strategisch führen, als ausgleichender Interessenvertreter im Rat stets und überparteilich die Interessen der Bürger eloquent vertreten, nein, sie sollen auch idealerweise eine starke, charismatische und möglichst hochempathische Persönlichkeit sein, die ohne Fehl und Tadel ist. Zudem sollen zumindest Grundkenntnisse in allen kommunalen Themenfeldern vorhanden sein: Vom Abgabenrecht, Beihilferecht, Vergaberecht, Steuerrecht, Baurecht bis hin zum Zivilrecht reicht die beispielhafte Aufzählung.
An Wochenenden, bei Schützenfesten, Kirmessen, Jubiliaren und Feuerwehrfesten erwartet man zudem den stets gutgelaunten, bodenständigen und für alle vorkommenden kommunalen Angelegenheiten ansprechbaren Bürgervertreter, der sich umgehend um eine alle Seiten zufriedenstellende Problemlösung kümmert.
Gleichzeitig fehlt den Hauptverwaltungsbeamten häufig das Personal, um der zunehmenden Aufgabendichte Herr zu werden: Jahrelang wurde – auch unter dem Deckmantel des Neuen Steuerungsmodells – Personal abgebaut3 und kein Nachwuchs mehr ausgebildet, trotz des hohen Durchschnittsalters der Beamten und Angestellten4. Viele Kommunen schienen den demografischen Wandel unterschätzt oder verdrängt zu haben. Der jahrelangen Unterfinanzierung der Kommunen wurde häufig durch zu starken Personalabbau und vorschnellen Ausgliederungen entgegengetreten. Hinzu kommt, dass in vielen Bereichen ein Bewerbermarkt gegeben ist, sodass Bürgermeister sich mit anderen Kommunen messen und über moderne Anreizsysteme versuchen müssen, gutes Mitarbeiter zu finden und zu halten.
Zudem zeigen die Zahlen der Gallup-Studie aus 2018 weiterhin erschreckende Erkenntnisse, die es keinem (Verwaltungs-)Chef leichter machen:
Hiernach haben bereits 14 Prozent der Mitarbeiter innerlich gekündigt und keinerlei emotionale Bindung zum Unternehmen. Nur 15 Prozent der Beschäftigten weisen hierzulande eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber auf und gehen ihrer Arbeit mit Hand, Herz und Verstand nach. Drei von vier Beschäftigten machen lediglich Dienst nach Vorschrift (71 Prozent)5.
Diese Zahlen decken sich ungefähr mit denen von Jack Welch, der Manager-Ikone aus den USA, der von mindestens 10 Prozent „Minderleister“ in jedem Unternehmen ausgeht. Seine Forderungen waren radikal: In den von ihm geführten Unternehmungen entließ er jedes Jahr 10 Prozent.6 In Kommunen zeigt sich häufig das Gegenteil: Hier wird regelmäßig das Thema: „Minderleister“ mehr oder minder elegant umschifft – der Minderleister wird geschont und die Mehrarbeit auf die noch verbliebenen willigen Kollegen verteilt. Dies ist angesichts der Personalknappheit und der zunehmenden Aufgabenverdichtung ein Versagen von Führung.
1.3Agenda
Aus dieser nüchternen Bestandsaufnahme sind folgende Punkte untersuchungswürdig, weil sie mit darüber entscheiden, wie gut Bürgermeister auch verwaltungsintern ankommen:
–Was bedeute „gute“ Führung im Alltag von Hauptverwaltungsbeamten?
–Welcher Führungsstil ist empfehlenswert?
–Was bedeutet Motivation von Mitarbeitern und was kann vom Bürgermeister verlangt werden?
–Moderne Anreizsysteme.
2Führung und Führungsstil
2.1Führung aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre und eigene Empfehlung
2.1.1Theorie des Eigenschaftsansatzes
In der Betriebswirtschaftslehre gibt es verschiedene Theorien, die versuchen zu klären, was gute Führung ausmachen kann. Dem Eigenschaftsansatz7 liegt die im Alltagsdenken häufig verankerte Vorstellung zugrunde, dass sich gute Führung aus der Person des Führenden erklären lässt. Die Liste der Führungseigenschaften ergab sich wohl aus einem Mix aus intuitiven Alltagswissen oder mehr empirisch-statistischen Gewinnungsmethoden.8 Beispielhaft sollen folgende Eigenschaften wichtig sein: Intelligenz, Selbstvertrauen, Entschlusskraft, Selbstdisziplin, Dominanz, Willensstärke, breites Wissen und Überzeugungskraft.
In breiter angelegten Studien fanden sich nur wenige Übereinstimmungen von Führungseigenschaften – es traten sogar Widersprüche auf. Bestimmte Eigenschaften waren bei Führungskräften, manche eher bei Geführten gegeben.9
Von daher wundert es vielleicht nicht, dass diese Aufzählung sich in weiten Teilen nicht mit einer interessanten Studie deckt: 733 Multimillionäre aus den USA sollten 30 Faktoren nach Annahme der Wichtigkeit für ihren Erfolg ordnen.10 Die fünf wichtigsten Faktoren sind: Ehrlichkeit gegenüber allen Menschen, starke Disziplin, Fähigkeit, gut mit Menschen auszukommen, Ehepartner, auf den man sich verlassen kann und härter zu arbeiten als die meisten anderen Menschen. Der Intelligenzquotient (IQ) kam auf Platz 21, weit abgeschlagen hinter der Emotionalen Intelligenz (EQ).
2.1.2Die drei Erfolgsfaktoren für Bürgermeister
Diese Erfolgsfaktoren decken sich mit meiner mehr als 22-jährigen Fortbildungserfahrung für die kommunale Familie.
Meine top drei Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Bürgermeister sind:
(1) Hohe Emotionale Intelligenz11, die u. a. gespeist wird aus: Selbstwahrnehmung12, Empathie, soziale Verantwortung, Problemlöseverhalten, Stresstoleranz, Ehrlichkeit und Impulskontrolle.
Der EQ erscheint mir mit Abstand der wichtigste Punkt.13 Auch beim Auswahlverfahren für Führungskräfte und Mitarbeitern mit viel Kundenkontakt entscheidet dieser Punkt über Erfolg oder Misserfolg einer Kommune im Innen- und Außenbild. Dass bei Auswahlverfahren der Fokus zum Teil zu stark auf der Fachlichkeit liegt, erscheint nur dann sinnvoll, wenn es just um eine Stelle mit entsprechender Berufserfahrung geht. Gleichwohl sollte der EQ die ausschlaggebende Komponente in jeder Bewertungsmatrix sein. Das fehlende Fachwissen kann man sich aneignen; die fehlende Emotionale Intelligenz kaum. Seit vielen Jahren führe ich im Rahmen meines Lehrauftrags an der Leibniz-Universität IQ- und EQ-Tests durch. Die Ergebnisse sind immer dieselben: Frauen schneiden beim IQ-Test immer etwas besser ab als die Männer; beim EQ-Test gewinnen sie regelmäßig haushoch. Auch von daher kann man sich nur mehr Bürgermeisterinnen und Mitarbeiterinnen wünschen …
Speziell für Bürgermeister, die wenig oder gar keine Verwaltungserfahrung haben, wäre eine weitere Tugend aus dem Kanon der Emotionalen Intelligenz sehr wünschenswert: Geduld. Wer glaubt, weil er aus der Privatwirtschaft kommt, fix die „verstaubte“ Verwaltung auf Vordermann bringen zu können, unterliegt zwei Denkfehlern. Zum einen sind Verwaltungsmitarbeiter viel besser als ihr mitunter noch anmutender Ruf – verstaubt ist allein diese Sichtweise auf Verwaltung. Zum anderen sind Verwaltungsabläufe zum Teil deutlich anders aufgebaut als in der Privatwirtschaft; dies ist nicht immer von Nachteil. Fixe Änderungen sind jedenfalls utopisch und ein Grund, warum Bürgermeister sich verwaltungsintern wenig Freunde