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Die Beurteilung, wann eine Frist angemessen ist, kann schwierig sein. Allgemeine Richtlinien lassen sich hierfür nicht aufstellen. Ausschlaggebend ist, wie lange es dem Lizenznehmer zugemutet werden kann, auf die Durchführung der Überarbeitung zu warten. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
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Kam der Lizenzgeber mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, so hätte man entsprechend den Pachtbestimmungen dem Lizenznehmer das Recht einräumen müssen, an der Erfindung selbst Entwicklungsarbeiten vorzunehmen. Hierzu durfte er die erforderlichen Konstruktionsarbeiten, Versuche und dgl. an der Erfindung durchführen. Die Kosten für die Arbeit der hierbei beschäftigten Ingenieure, Techniker, Chemiker und des sonstigen Personals sowie die Materialkosten konnten dem Lizenzgeber in Rechnung gestellt werden, soweit sie in angemessenem Verhältnis standen.
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War der Mangel schon zur Zeit der Einräumung der Lizenz vorhanden, wie dies bei Erfindungen sehr häufig der Fall ist, oder kam der Lizenzgeber mit der Beseitigung des Mangels in Verzug, so konnte der Lizenznehmer anstelle der oben dargestellten Rechte Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.73 Dies entsprach im Ergebnis trotz des grundsätzlich anderen Ansatzes inhaltlich der Auffassung des Bundesgerichtshofs.74 Allerdings war nach seiner Auffassung ein sog. „Vertretenmüssen“, d.h. ein Verschulden des Lizenzgebers, erforderlich. Nach der hier vertretenen Auffassung hatte der Lizenzgeber aber auch für Sachmängel einzustehen, wenn ihn kein Verschulden traf. Ausgehend von der Pachtverträgen immanenten stillschweigenden Garantie75 war auch bei Lizenzverträgen die Haftung unabhängig von einem evtl. Verschulden des Lizenzgebers. Die Haftung war auch unabhängig davon, ob der Lizenzgeber den Mangel kannte oder ob er erkennbar war,76 da auch der Pächter die Gefahr aller geheimen Mängel trug.77
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Damit konnte sich für den Lizenzgeber ohne Frage ein erhebliches Risiko ergeben. War dieses Risiko im Einzelfall zu groß, musste der Lizenzgeber seine Haftung einschränken, wie dies in Lizenzverträgen regelmäßig in erheblichem Umfange geschah. Wesentliche Unterschiede bestanden in praktischer Hinsicht zwischen den Fällen, in denen die Erfindungen schon industriell ausgewertet wurden, gegenüber denjenigen, bei denen dies noch nicht geschehen war. Während man im ersten Fall dem Lizenznehmer den Gegenstand vorführen und er sich mit dem, was ihm vorgeführt wurde, einverstanden erklären konnte, war dies im zweiten Fall nicht möglich. Dennoch wurde in beiden Fällen die Haftung für die industrielle Herstellung meist ausgeschlossen, weil man nie weiß, ob nicht beim Lizenznehmer andere technische Voraussetzungen vorliegen. Wurde in solchen Fällen lediglich ein Kündigungsrecht für den Lizenznehmer festgelegt, eine Haftung auf Schadensersatz jedoch ausgeschlossen, konnten lange Auseinandersetzungen darüber, warum die industrielle Herstellung nicht erreicht werden konnte, in großem Umfange ausgeschlossen werden.
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Geht man davon aus, dass der Lizenzgeber nur für die technische Ausführbarkeit einzustehen hat, so ergibt sich, dass der Lizenznehmer als Schaden nicht auch den Gewinn geltend machen kann, den er hätte erzielen können, wenn er die Erfindung fabrikmäßig hätte herstellen können. Eine Haftung für den entgangenen Gewinn hätte vorausgesetzt, dass der Lizenzgeber auch für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen hatte.78 Dementsprechend wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass der Schadensersatzanspruch des Lizenznehmers der Höhe nach auf die Aufwendungen des Lizenznehmers beschränkt wird.79 Dies entspricht mithin dem Gedanken einer angemessenen Risikoverteilung. Der Bundesgerichtshof hatte in einer grundlegenden Entscheidung die Frage der Höhe des Schadensersatzes absichtlich offengelassen, da es in der konkreten Entscheidung nur um den Aufwendungsersatz ging.80 Konsequenterweise konnte man den Lizenzgeber aber auch dann hinsichtlich der Aufwendungen, die der Lizenznehmer für die Auswertung seiner Lizenz getroffen hat, nur insoweit haften lassen, als die Aufwendungen für die technische Ausführung erforderlich waren, nicht aber für diejenigen, die der Lizenznehmer in der Erwartung gemacht hatte, dass die Erfindung fabrikmäßig herzustellen war. Reimer kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Er begründete es mit Billigkeitserwägungen und dem mutmaßlichen Parteiwillen. Er führte hierzu aus, dass bei der Zubilligung von Auslagenersatz zu prüfen ist, ob dies dem Willen der Parteien entspricht. Der Lizenznehmer werde in der Regel Aufwendungen in nennenswertem Umfang erst dann machen, wenn er sich von der technischen Ausführbarkeit der Erfindung überzeugt hat. Mache er Aufwendungen, ohne diese Prüfung vorgenommen zu haben, so werde der Wille der Vertragsparteien oft dahingehen, dass diese Aufwendungen auf jeden Fall vom Lizenznehmer getragen werden sollen. Gegenüber dieser Begründung ist darauf hinzuweisen, dass Billigkeitserwägungen nach unserem Recht Grenzen gesetzt sind. Beim Abschluss von derartigen Verträgen denken die Parteien erfahrungsgemäß meist nicht daran, in welchem Umfang gehaftet werden soll. Unter diesen Umständen ist das Arbeiten mit einem mutmaßlichen Parteiwillen sehr problematisch.
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Gingen die Vertragspartner bei Vertragsschluss davon aus, dass die Erfindung bereits fabrikationsreif war und hatten sie dies dem Vertrag zugrunde gelegt, so hatte der Lizenzgeber auch für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen.81 Man konnte jedoch nur, wenn besondere Anhaltspunkte hierfür gegeben waren, annehmen, dass die Fabrikationsreife auch zur Vertragsgrundlage gemacht wurde. Unter Umständen konnte dies auch stillschweigend geschehen.
Hier musste man jedoch besonders strenge Anforderungen stellen. Hatte der Lizenzgeber hiernach für die fabrikmäßige Ausführbarkeit einzustehen, so konnte der Lizenznehmer bei ihrem Fehlen die oben dargestellten Rechte geltend machen. Darüber hinaus konnte er Schadensersatz für den ihm entgangenen Gewinn fordern sowie Ersatz für die vergeblichen Aufwendungen für die fabrikmäßige Herstellung verlangen.
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Wenn Pietzcker82 ausführte, dass der Lizenzgeber in keinem Fall den entgangenen Gewinn zu ersetzen hatte, nicht einmal bei Arglist, und dies damit begründete, dass niemand mit genügender Sicherheit sagen könnte, ob das Patent in der Hand des Lizenznehmers einen Gewinn abgeworfen hätte, so vermochte dies nicht zu überzeugen. Der Umstand, dass der Nachweis über die Höhe des entgangenen Gewinns nur schwer geführt werden konnte, durfte nicht dazu führen, diesen Schaden völlig auszuschließen. Der Nachweis des entgangenen Gewinns konnte auch bei anderen Verträgen schwierig sein. Notfalls konnte mit der Schadensregelung gemäß § 287 ZPO durch Entscheidung des Gerichts nach freier Überzeugung und Würdigung der Umstände des Einzelfalls geholfen werden.
c) Mängelhaftung bei Lizenzverträgen, denen keine Schutzrechte zugrunde liegen
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Hinsichtlich der Haftung für Sachmängel an Geheimverfahren und Erfindungen, für die noch kein Patent erteilt war, die aber schon zum Patent angemeldet waren, galten die Ausführungen zu den patentfähigen Erfindungen entsprechend.83
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs84 hatte der Lizenzgeber besonders bei Geheimverfahren für die Brauchbarkeit des Verfahrens zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck einzustehen und war ggf. zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet. In der Literatur war die Sachmängelhaftung bei Lizenzverträgen über Gegenstände, die nicht schutzfähig waren, bisher detailliert noch kaum erörtert worden, obwohl derartige Verträge wirtschaftlich eine große Rolle spielten. Bei solchen Verträgen war vor allem zunächst eine sehr genaue Prüfung des Inhaltes erforderlich. Bei der Mehrzahl der Verträge ging es darum, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer gestattete, eine von ihm bereits hergestellte Sache nachzubauen, und sich verpflichtete, ihm die hierfür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen sowie ihn zu beraten. Aufgrund dieser Sachlage musste man, wenn nichts anderes vereinbart war, davon ausgehen, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer gegenüber dafür einstand, dass der Lizenzgegenstand technisch herstellbar und auch fabrikmäßig ausführbar war. Im Gegensatz zu Patentlizenzverträgen konnte daher diesen Verträgen häufiger eine Vereinbarung zugrunde liegen,