I. Allgemeines
290
Von den Fällen der Unmöglichkeit (Unvermögen) unterscheidet das deutsche Recht diejenigen, in denen die versprochene Leistung als solche erbracht werden kann, jedoch mangelhaft ist. Der Mangel kann darin bestehen, dass der Lizenznehmer in der Ausübung seiner Rechte durch Rechte Dritter beeinträchtigt wird, oder darin, dass die der Lizenz zugrunde liegende Erfindung nicht die Eigenschaften besitzt, die zum vertragsgemäßen Gebrauch erforderlich sind. Im einen Fall spricht man von Rechtsmängeln, im anderen von Sachmängeln. Hinsichtlich der Frage, wofür der Lizenzgeber im Einzelnen einzustehen hat, ergeben sich aufgrund der Eigenart des Lizenzvertrages erhebliche Schwierigkeiten. Daraus erklärt sich, dass die Rechtsprechung nicht einheitlich ist und dass, soweit sich im Laufe der Zeit bestimmte Grundsätze herausgebildet haben, die Begründung unterschiedlich ist und weniger auf rechtliche als auf wirtschaftliche Erwägungen gestützt wird. Der Bundesgerichtshof verwies in seinen Entscheidungen regelmäßig auf eine ganze Palette unterschiedlicher Rechtsgrundlagen, die das gleiche Ergebnis stützen sollten. Dabei reichte diese Palette von der rechtsähnlichen Anwendung kaufrechtlicher Vorschriften1 sowie einer Kombination aus kauf-, miet- und pachtähnlichen Grundsätzen2 über die allgemeinen Vorschriften über Nichterfüllung3 bis zu den gesetzlichen Regelungen über Treu und Glauben4 und dem Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB n.F.5). Die einschlägigen Entscheidungen werden daher häufig oft rein kasuistisch dargestellt, ohne dass der Versuch eines systematischen Überblicks gemacht wird. Dies bringt eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. Deshalb ist auch nach wie vor die Forderung von Trüstedt6 aktuell, aus dem bürgerlichen Recht Grundsätze abzuleiten, die auf Lizenzverträge zumindest analog angewendet werden können.7
In den letzten Jahren wurden aufgrund der Fusionen und Börsengänge – in den Jahren 2001–2003 aufgrund besonders vieler Insolvenzen – immer häufiger bei Transaktionen auch Rechte, insbesondere Patente in die Risikobewertung der Käufer, Investoren, Banken und Versicherungen einbezogen. Die Käufer der Rechte mussten und müssen bei der Bilanzierung nach internationalen Standards (z.B. IAS, GAAP) ebenfalls Haftungsrisiken lizenzierter und/oder gekaufter Rechte berücksichtigen.
1 § 433 Abs. 1, 2 i.V.m. § 280 BGB. 2 Vgl. dazu BGH, 28.6.1978, GRUR 1979, 768. 3 § 326 BGB a.F. 4 § 242 BGB. 5 BGH, 12.4.1957, GRUR 1957, 595, 596; BGH, 22.5.1959, GRUR 1960, 44, 45; BGH, 12.1.1961, BB 1961, 617; BGH, 1.12.1964, GRUR 1965, 298, 301; vgl. dazu Kraßer, GRUR Int. 1982, 335. 6 Trüstedt, GRUR 1939, 516; auch die diesbezüglichen Bemühungen von Kraßer, GRUR Int. 1982, 335, sind insofern zu begrüßen, obwohl das gefundene Ergebnis, d.h. die Ausrichtung der Haftung des Lizenzgebers nach kaufrechtlichen Maßstäben, nicht unproblematisch ist. 7 Vgl. Rn. 20 ff.
II. Mängelhaftung für Sachmängel
1. Rechtslage vor dem 1.1.2002
a) Voraussetzungen der Haftung
aa) Allgemeines
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Eine Patentlizenz beinhaltet nicht lediglich einen Verzicht des Lizenzgebers auf die Geltendmachung seines Monopolrechts gegenüber dem Lizenznehmer, sie enthält vielmehr auch die Verpflichtung zur Verschaffung eines Nutzungsrechts.8 Daraus ergibt sich schon, dass es nicht damit getan ist, dass lediglich ein Patentrecht existiert, vielmehr muss in der Regel die dem Patent zugrunde liegende Erfindung bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit eine Benutzungsmöglichkeit zu dem nach dem Vertrag bestimmten Gebrauch gegeben ist.9 Fehlen diese, so spricht man kurzerhand von Sachmängeln, obwohl keine Sache Gegenstand des Vertrages ist. Schwierig ist die Feststellung der Voraussetzungen, die die Erfindung erfüllen muss.
bb) Meinungen, die in der Literatur vertreten werden
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In der Literatur wird/wurde ganz allgemein die Auffassung vertreten, dass der Lizenzgeber für die technische Ausführbarkeit und für die Brauchbarkeit der Erfindung zu dem angegebenen Zweck einzustehen hat,10 nicht dagegen für die kommerzielle Verwertbarkeit.11 Der Lizenzgeber haftet also nicht für Konkurrenzfähigkeit der aufgrund des Lizenzvertrags hergestellten Erzeugnisse und auch nicht für die Rentabilität der Produktion.
293
Darüber, was unter technischer Ausführbarkeit und unter Brauchbarkeit zu verstehen ist, gehen die Meinungen auseinander. Die verständlichste Definition für den Begriff „technische Ausführbarkeit“ gibt Pietzcker, der sie für gegeben hält, wenn die Erfindung mit den der gegenwärtigen Technik zur Verfügung stehenden Mitteln ausgeführt werden kann, während Brauchbarkeit bei ihm bedeutet, dass die Erfindung das Ziel erreichen muss, dessen Erreichung sie sich vorgenommen hat.12
294
Die Definition, die in dem Kommentar von Krausse/Katluhn/Lindenmaier gegeben wird, kann dagegen missverstanden werden. Unter Ausführbarkeit ist danach zu verstehen die Möglichkeit, am Anmeldungstag die Kenntnis der technischen Mittel und diese Mittel selbst zur Verfügung zu haben, vermöge derer nach dem Inhalt der Erfindung das in ihr erstrebte technische Ziel wiederholbar erreicht werden kann. Unter technischer Brauchbarkeit ist danach die Eignung der Erfindung zu verstehen, das technische Ziel, das sie sich gesetzt hat, zu erreichen.13
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Rasch hält technische Ausführbarkeit für gegeben, wenn sich die vom Erfinder gestellte Aufgabe mit den von ihm angegebenen Mitteln lösen lässt. Diese Definition scheint die Brauchbarkeit im Sinne von Pietzcker schon zu umfassen. Rasch verlangt darüber hinaus, dass die Erfindung fabrikmäßig ausführbar ist. Dies ist nach seiner Ansicht dann der Fall, wenn die Erfindung nicht nur bei Versuchen, sondern beim technischen Handeln im großen Stil ausgeführt werden kann. Er hält eine scharfe Grenzziehung zwischen technischer Brauchbarkeit und kommerzieller Verwertbarkeit nicht für möglich, weil die Grenzen flüssig seien. z.B. könne eine Erfindung zwar technisch ausführbar sein, jedoch nur auf Kosten der Rentabilität. Eine richtige Rechtsfindung sei daher nur aufgrund der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls möglich. Die von Rasch erwähnten Gesichtspunkte können zwar zu Schwierigkeiten führen, jedoch zwingt dies nicht dazu, die vorgenommenen Unterscheidungen zu verwerfen. Auch bei anderen Rechtsfragen ist die Unterscheidung manchmal schwierig, aber trotzdem nicht zu entbehren. Man wird auch die technische Ausführbarkeit dann als nicht gegeben erachten müssen, wenn unzumutbare Aufwendungen erforderlich wären.
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Reimer14 und im Anschluss daran Klauer/Möhring15 halten die Unterscheidung zwischen technischer Ausführbarkeit und technischer Brauchbarkeit für künstlich und wollen sich damit begnügen, den Lizenzgeber schlechthin für die Ausführbarkeit der Erfindung haften zu lassen.
cc) Rechtsprechung
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In der Entscheidung des Reichsgerichts wurde klar ausgesprochen, dass der Lizenzgeber für die technische Ausführbarkeit zu haften hat.16 Es wurde dabei zum Ausdruck gebracht, dass die technische