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Mein Vater holte mich am Flughafen ab. Ich hatte ihm Fotos von mir geschickt, aber ich merkte gleich, er brauchte nur nach seinem Ebenbild, natürlich in jünger, Ausschau zu halten, um mich zu finden. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Wir fuhren zu seinem Haus, einer Villa ganz im Grünen. Seine Frau begrüßte mich etwas zurückhaltend, staunte aber auch über die Ähnlichkeit. Sie war jünger als meine Mutter, die bald vierundvierzig Jahre alt wurde. Ich schätzte Doris auf Anfang bis Mitte Dreißig; sie musste noch ganz jung gewesen sein, als mein Vater sie heiratete. Sicher hatte sie schon mit achtzehn oder neunzehn ihr erstes Kind bekommen. Das war damals ohnehin die Norm. Sie sah gut aus, hatte langes blondes Haar, dabei braune Augen und eine gute Figur. Meine Mutter hatte dunkles Haar, überall zeigten sich schon graue Strähnen, und sie ließ sich die Haare von Zeit zu Zeit färben. Sie litt mittlerweile gesundheitlich an ihrem Beruf. Das lange Stehen im Geschäft machte ihr oft Kreuzschmerzen, die Beine taten ihr weh, und manchmal seufzte sie darüber, dass sie diese Tätigkeit wohl nicht bis zum Ende werden durchhalten können. Doris war Ehefrau und Mutter. Sie brauchte nicht zu arbeiten, kümmerte sich nur um Mann und Kinder. Die Hausarbeit besorgte eine Schwarze. Der Garten wurde von deren Mann gepflegt. Ich versuchte, meine aufkeimende Wut zu unterdrücken. Meiner Mutter hätte ich ein solches Leben auch gegönnt. Meine Halbgeschwister betrachteten mich neugierig. Gwendolyn war dreizehn, begann gerade weibliche Formen zu entwickeln. Kevin war elf, er hatte dieselben Augen wie ich, aber eine ganz andere Nase. Doch das konnte sich noch verändern. Der erste Tag verlief etwas gezwungen, obwohl mein Vater sich bemühte, locker zu sein und mir Haus und Garten zeigte. Am nächsten Tag besichtigten wir die Stadt und ihren Hafen. Er erzählte mir von einem Freund, der eine eigene Insel besitze. Wenn ich wolle, könne ich dort Urlaub machen – schon vom nächsten oder übernächsten Tag an. Ich war überrascht und fragte mich, wozu er mich eingeladen habe, wenn er mich so schnell wieder loswerden wolle. Nachdem seine junge Frau mir so reserviert begegnet war, nahm ich an, dass sie hinter dem Plan steckte. Ich blieb drei Tage bei ihnen, dann brachte mich mein Vater zum Hafen. Er stellte mir einen Mann vor, der etwas jünger zu sein schien als er. Er war sehr herzlich zu mir, führte mich auch gleich zu seiner Yacht, mit der ich auf die Insel gebracht werden sollte. Ein gutes Dutzend Frauen standen an Deck, auch einige Männer konnte ich im hinteren Teil des Schiffes ausmachen. Vielleicht insgesamt an die zwanzig Personen. Er vertraute mich dem Kapitän an, dem er auch einige Anweisungen gab. Bald darauf legten war ab. Ich winkte meinem Vater zu, der traurig vom Kai aus zu mir herüber blickte. Er schien es zu bedauern, dass wir uns schon wieder trennten. Aber er musste wohl seiner jungen Frau gehorchen. Auch ich war etwas traurig, ihn zu verlieren, ohne ihn richtig kennen gelernt zu haben. Mir war angesichts der vielen fremden Menschen etwas beklommen. Das sollte sich aber schnell legen, weil sie auf mich zukamen, mich herzlich begrüßten und zahllose Fragen stellten. Ich musste ihnen viel von Old Germany erzählen. Einige Männer kannten es von ihrer Stationierung her. Sie hatten ihren Wehrdienst wie Elvis oder Gus Backus in Deutschland absolviert, konnten auch einige Brocken Deutsch und kamen gleich mit Whiskey und Bier. Das Eis war schnell gebrochen. Die Frauen horchten mich aus, wollten wissen, ob ich in Germany eine Freundin zurückgelassen habe und ähnliches mehr. Ich konnte aber nur von meiner Mutter erzählen, was sie entzückend fanden. Es war schon dunkel, als wir anlandeten. Die Insel war kaum auszumachen gewesen, nur schemenhaft hatte ich deren Umrisse erkennen können. Wir setzten nach und nach mit dem Beiboot an den Strand. Die Bucht war nicht tief genug, als dass die Yacht hätte bis ans Ufer fahren können. Es war wie im Traum. Im Licht der Laternen, die das Ufer säumten, sah ich einen Palmenhain, dahinter leuchteten die Fenster eines großen Hauses. Wir gingen über eine Terrasse in dieses Haus hinein, wurden begrüßt und bewillkommnet. Eine junge Frau, die nichts als einen hinten offenen Lendenschurz trug, nahm mein Gepäck und führte mich in ein Zimmer der oberen Etage. Als sie vor mir herging, konnte ich den Blick nicht von ihrem bloßen Hintern wenden, dessen schaukelnde Bewegungen mich faszinierten. Mein Schwanz schwoll in der Hose an – deutlich sichtbar für jeden, der mir begegnete. Es war mir peinlich. Die junge Frau lächelte, als sie meinen Zustand bemerkte. Das sei ganz normal, meinte sie. Hier auf dieser Insel liefen alle nackt, einmal, weil es so furchtbar heiß sei, und zum zweiten, weil man das Leben der ursprünglichen Archipelbewohner, natürlich nur was Kleidung betreffe, imitieren wolle. Es herrsche absolutes Kleiderverbot. Ich wies auf ihren Lendenschurz oder was man dafür halten konnte. Nur das Dienstpersonal trüge diese Schürze, Männer wie Frauen. Und nur das Küchenpersonal sei aus hygienischen Gründen ganz bekleidet, mit hauchdünnen Stoffen. Ich staunte und wunderte mich, fragte mich auch, wie ich diesen Zustand ohne Dauererektionen werde überstehen können. Hatte mein Vater nichts davon gewusst? Wenn ja, wie konnte er mich dann auf diese Insel schicken? Hatte er gemerkt, dass ich noch unerfahren war? Wollte er mich hier aufklären lassen? Die junge Frau sagte mir noch, dass man auch bei den Mahlzeiten nichts trüge. Das Abendessen sei vorbereitet. Ich solle ablegen und gleich mit ihr hinuntergehen. Es fiel mir schwer, mich vor dieser jungen Frau, sie war wohl auch erst siebzehn oder achtzehn Jahre alt, auszuziehen. Sie merkte es, nahm Rücksicht und drehte sich um. Als sie dann wieder vor mir herging, um mich in den Speisesaal hinab zu geleiten, erhob sich mein Schwanz schon wieder, obwohl ich mit aller Gewalt versuchte, an unangenehme Dinge zu denken, um ihn schlaff zu halten. Umsonst. Auf der Treppe begegneten wir den anderen Neuankömmlingen. Auch sie waren nackt. Jetzt verstand ich, warum sie kaum Gepäck bei sich gehabt hatten. Wozu Kleidung mitnehmen, wenn man sie nicht tragen darf? Mein Vater hätte mich vorbereiten sollen, dann hätte ich meine Kleider und Wäsche bei ihm gelassen. Aber wenn ich gewusst hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich mich auf dieses Abenteuer nicht eingelassen. Meine Ansicht sollte sich aber recht schnell ändern. Die Menschen bewegten sich völlig ungezwungen, plauderten miteinander, scherzten, fassten sich an, legten ihre Hände an den Körper des anderen, nicht nur auf die Schultern und um die Hüften, sondern auch auf die Regionen, die sonst tabu waren. Dass Männer die Brüste der Frauen oder deren Hintern betätschelten, manche ihnen auch zwischen die Beine griffen, erregte mich noch mehr. Dass Frauen die Schwänze der Männer anfassten, tat ein übriges. Ich blieb nicht verschont. Mein steifer Schwanz weckte die Bewunderung vieler Frauen. Ich verstand es nicht ganz, begriff erst in den nächsten Tagen, was es damit auf sich hatte. Meine Begleiterin, die sich mir sofort entzog, wenn ich sie anfassen wollte, wies mir einen Platz an der langen Tafel an. Links und rechts von mir saßen zwei hübsche Blondinen, die sich immer wieder an mir zu schaffen machten. Ich war und blieb verlegen, sie kicherten darüber, verständigten sich mit Blicken, »you have a wonderfull cock«, flüsterte mir eine ins Ohr. Wenn ich nur gewusst hätte, was »cock« bedeutete. Die Mahlzeit war üppig und köstlich. Was es an diesem Abend bei diesem vielgängigen Menu gab, weiß ich nicht mehr. Ich sehe nur noch die vielen nackten Menschen um diesen großen langen Tisch, höre sie lachen, scherzen, plaudern. Es war mir eine völlig fremde Welt, von der ich nie gedacht hätte, dass so etwas auf dieser Erde existiere. Es widersprach meiner bisherigen Erfahrung, passte überhaupt nicht zu der kleinbürgerlichen Enge, in der ich gelebt hatte. Wenn meine Mutter mich hier sähe! Sie dachte nicht so kleinbürgerlich wie ihre Eltern. Aber das hier hätte sie als ein Sündenbabel gesehen, aus dem sie ihren Sohn hätte retten müssen! Meine beiden Tischnachbarinnen