„Haha!“ Sepp Brandl lachte und verschluckte sich fast. „Nie und nimmer. Dr. Reiter ist die Gründlichkeit in Person! Die Frage ist eher, wie hat der Irre überlebt, wo ist er jetzt und wer hat ihm geholfen? Kommissar Maisetschläger habe ich schon kurz eingewiesen und er hat sich sofort die Akte aus dem Archiv beschafft.“
„Sepp, wir werden in den nächsten Tagen alle verfügbaren Leute des Reviers brauchen. Kannst du uns unterstützen?“, fragte Boschi gleich nach.
Sepp schmatzte laut und das letzte Stück Semmel verschwand zwischen den Zähnen. „Hab ich mir gedacht. Meier und Müller habe ich schon für euch freigestellt. Bei Bedarf kann ich noch zwei Mann abstellen.“
„Super Sepp!“ bedankte sich Boschi artig und verschwand mit Jette im Büro, während der Revierleiter seelenruhig eine zweite Leberkäs Semmel aus seiner Brotzeitdose auspackte.
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In seinem Antiquitätenladen in München wartete Hans Köberlin auf zwei wichtige Anrufe. Der alte Mann mit dem Hitlergold hatte sich bis jetzt nicht bei ihm gemeldet und Sergej Koslow fragte stündlich nach, wann er nach Deutschland kommen kann, um die Ware in Empfang zu nehmen. Hans musste ihn mehrmals beschwichtigen und bei Laune halten. Dann klingelte erneut das Telefon. „Antiquitätenhandel Köberlin, was kann ich für sie tun?“, meldete sich Hans und gleichzeitig schoss sein Blutdruck in die Höhe. Der alte Mann mit dem Goldbarren war in der Leitung.
„Morgen um Mitternacht an der Kapelle St. Johann bei der Erdfunkstelle Raisting!“, hauchte der ins Telefon.
„Wo?“, fragte Hans Köberlin verwundert nach. Er wusste im ersten Moment nicht genau, warum der alte Mann etwas von einer Erdfunkstelle faselte. Dann fiel es ihm ein. „Ach so, ja, am Ammersee. Bei Raisting, das kenn ich!“
„Sie kommen allein! Ist das klar?“, drohte der Anrufer.
„Ja, natürlich. Ich habe … tut … tut! Halt, warten Sie … tut … tut!“ Dann war die Verbindung unterbrochen. Zitternd legte Hans Köberlin den Hörer auf. Angst kroch ganz langsam in seinem Rückgrat nach oben und lähmte seine Sinne.
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Boschis Tochter, Andrea Dippold, setzte sich in ihren kleinen FIAT und fuhr durch die schöne oberbayerische Landschaft rund um den Ammersee. Sie wollte unbedingt zur Vogelbeobachtungsstelle auf die Schwedeninsel im Ammersee. Andrea hatte im Sommer ihre Abiturprüfungen, wollte anschließend Biologie studieren, speziell die Fachrichtung Ornithologie und das Leben der Vögel in ihren natürlichen Lebensräumen in Süddeutschland. Sie parkte ihr Auto in Dießen und folgte erwartungsvoll den Wegweisern zum Vogelschutzgebiet. Andrea war hellauf begeistert von der Vogelvielfalt in fast unberührter Natur. Hier wollte sie ihr Praktikum machen und stellte sich in Gedanken schon mal vor, wie toll es wäre, wenn sie nach dem Studium hier in der Gegend auch arbeiten würde.
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Oberstaatsanwalt Dr. Franz Höglmeier stand kurz vor der Pressekonferenz deprimiert und ratlos in Boschis Büro. „Leute, wie soll ich das der Presse und der Öffentlichkeit beibringen? Ein von uns für tot erklärter Massenmörder taucht ein Jahr später, so mir nichts, dir nichts wieder auf und ermordet kaltblütig einen Studenten. Was soll ich denn jetzt sagen? Das unser Polizeiapparat unfähig ist? Dass unsere Polizei schlampig ermittelt? Machen Sie Vorschläge, Herr Dippold!“
Boschi stand der Schweiß auf der Stirn und sein fehlender Finger juckte. Er wusste genau, wenn er jetzt etwas Falsches sagt, dann schiebt ihm die Staatsanwaltschaft die ganze Sache in die Schuhe. Aber Boschi konnte nicht anders. „Es tut uns sehr leid Oberstaatsanwalt Höglmeier. Wir haben damals, nach allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, die Leiche von Angus Streitberger zu suchen. Leider haben Sie, während meiner Abwesenheit, wahrscheinlich aus Kostengründen, die Suchaktion der Hubschrauber mit Wärmebildkamera, den eingesetzten Hundertschaften Bereitschaftspolizei und die Suche mit der Hundestaffel etwas voreilig eingestellt. Auch hat nach meiner Ansicht die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht zu schnell eine Todeserklärung beantragt. Wir, damit meine ich das Polizeirevier und unser Kommissariat, hatten keinerlei Einfluss auf den abschließenden Bericht. Als ich später aus der Reha zurückkam, waren ich und alle Kollegen sichtlich überrascht, dass die Suche so schnell eingestellt und die Akte Pilsensee abgeschlossen war.“ Boschi hatte in seiner Antwort all seinen Mut zusammengefasst. „Ich würde Ihnen vorschlagen, Sie sagen, wie sich alles zugetragen hat. Einfach die Wahrheit, Herr Oberstaatsanwalt!“ Boschi nahm kein Blatt vor dem Mund und hoffte inständig, dass ihm Dr. Höglmeier nicht gleich an die Kehle springt.
Sekundenlang herrschte eine beängstigte Stille. Jette, Sepp und Frank blickten bewundernd auf ihren Chef, der sich diese harsche Kritik an einem Vorgesetzten zutraute. Die Luft in Boschis Büro knisterte vor Spannung. Alle blickten zum Staatsanwalt und warteten auf eine Reaktion.
Der war im ersten Moment sprachlos, ihm blieb die Spucke weg. Mit so einer Abfuhr hatte er nicht gerechnet. Zuerst wollte er losbrüllen und diesen aufmüpfigen kleinen Kripobeamten in die Schranken weisen, doch dann besann er sich eines Besseren. „Ähm … ja, Herr Dippold, Sie haben vollkommen Recht. Ein Mann von Welt sollte auch zu seinen Fehlern stehen. Das muss ich dann wohl oder übel auf meine Kappe nehmen.“ Oberstaatsanwalt Höglmeier richtete nervös seinen teuren, viel zu eng gebundenen Schlips.
Alle Anwesenden nickten und atmeten erleichtert auf. „Gibt es seit ihrem Bericht von gestern neue Erkenntnisse, die ich vielleicht der Presse mitteilen kann, Herr Dippold?“
Boschi überlegte. „Wir sind natürlich noch mitten in den Ermittlungen. Wir müssen unbedingt wissen, wo sich das Opfer Benjamin Sattler in der Oktoberwoche letzten Jahres aufgehalten hat. Außerdem müssen wir alles daransetzen, den Aufenthaltsort von Angus Streitberger zu ermitteln. Er hat sich mitten unter uns über ein Jahr versteckt, war schwer verwundet. Wer hat ihn gesehen, vielleicht sogar geholfen? Was …“
Dr. Höglmeier unterbrach Boschi verärgert. „Sicher nicht Herr Dippold. Der Name Streitberger bleibt vorerst unter Verschluss! Die Presse zerreißt uns doch in der Luft! Ich warne Sie … Sie alle hier im Raum. Der Name Streitberger ist für die Öffentlichkeit tabu! Das ist doch hoffentlich jedem klar!“
Boschi merkte, dass sich das Fähnchen Höglmeier gerade wieder in die entgegengesetzte Windrichtung drehte. Im Raum nickten alle eingeschüchtert. Boschi fragte sofort nach: „Wie soll das gehen? Gerade sagten Sie …“
„Sind Sie ruhig, Herr Dippold! Bitte! Ich finde schon eine plausible Erklärung, die die Öffentlichkeit und die Presse beruhigt.“ Oberstaatsanwalt Höglmeier wandte sich seiner Pressemappe zu und fragte gestresst. „Ok, gibt es sonst noch irgendwelche Vorschläge?“
„Franz … äh, ich meine Herr Oberstaatsanwalt!“, meldete sich Kommissar Frank Maisetschläger vorlaut und bekam sofort einen roten Kopf wie ein Feuermelder. „Ich habe noch etwas herausgefunden! In der befragten Mordnacht fand das Herrschinger Herbstfest beim Kurparkschlösschen statt. Der Yachtclub ist dort gleich um die Ecke.“
Boschi stand kurz vor einem Wutausbruch. Frank hatte sich wieder mal unkollegial verhalten und wichtige Informationen nicht rechtzeitig mitgeteilt. Boschi hatte seine Arbeitsweise schon öfter angeprangert. Persönlich, unter vier Augen hatte er mit ihm über sein Verhalten gesprochen und eigentlich hatte er gedacht, Frank hätte es endlich begriffen, wie man miteinander im Team arbeitet.
„Sorry Chef, das habe ich gerade erst herausgefunden! Ich wollte es Ihnen noch mitteilen, aber dann kam schon Franz … äh, Oberstaatsanwalt Höglmeier“, versuchte sich Frank noch zu verteidigen, als er Boschis Reaktion und den folgenden verärgerten Gesichtsausdruck mitbekam.
Oberstaatsanwalt Höglmeier strahlte den zukünftigen Schwiegersohn an. „Sehr gut Kommissar Maisetschläger! Dieser Hinweis ist doch für die Presse ein gefundenes Fressen. Jeder, der auf dem Fest war, kann ungewöhnliche Beobachtungen hier im Kommissariat melden. Wir starten erstmal diesen Presseaufruf um Mithilfe zur Rekonstruktion