2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katherina Ushachov
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742709752
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in­ner­lich. Sie wür­den nichts fin­den. Nicht mehr.

      24. Avriel Adamski – unterwegs – 09.07.2145

      Wäh­rend er mit­ten in der Nacht über den men­schen­lee­ren Highway braus­te, dach­te Avri­el zum ers­ten Mal rich­tig nach. All die Ge­scheh­nis­se der letz­ten Ta­ge wir­bel­ten wirr durch sei­nen Kopf.

      Va­len­ti­nes blut­über­ström­tes Ge­sicht tauch­te vor sei­nem in­ne­ren Au­ge auf. Al­les lief falsch, völ­lig falsch! Die­ser Abend … Er hat­te ihn ge­plant, hat­te schon vor Mo­na­ten den Ring ge­kauft, doch dann …

      Aber er konn­te es nicht än­dern. Nichts von all­dem.

      Statt­des­sen war er auf Aria­nes Mo­tor­rad un­ter­wegs nach New Or­leans, um ir­gend­ei­ner Frau, die er ge­nau­so we­nig kann­te wie Aria­ne, ein Pad zu brin­gen. Wie, zur Höl­le, soll­te er wis­sen, wer sie war? Die Stadt war be­stimmt rie­sig, da konn­ten fünf­zig Fa­bri­ci­as mit schwar­zen Haa­ren woh­nen.

      Dann stutz­te er – New Or­leans. Die­se Stadt exis­tier­te doch gar nicht mehr! Sie war nach dem Hur­ri­kan Va­les­ka ir­gend­wann im letz­ten Jahr­hun­dert un­be­wohn­bar ge­wor­den und man hat­te al­le Be­woh­ner eva­ku­iert. Dass der Au­to­pi­lot das noch ein­ge­spei­chert hat­te, war merk­wür­dig.

      In die­sem Mo­ment riss das Mo­tor­rad ihn aus sei­nen ver­wor­re­nen Ge­dan­ken.

      »Hal­lo, un­be­nann­ter Fah­rer. Der Ak­ku ist fast leer. Au­to­pi­lot Jack steu­ert die nächs­te La­de­sta­ti­on an. Bit­te be­stä­ti­gen.«

      »Ich be­stä­ti­ge.«

      »Au­to­pi­lot Jack steu­ert die nächs­te La­de­sta­ti­on bei Cam­den, Ala­ba­ma an. Bit­te be­ach­ten Sie, dass Ge­büh­ren an­fal­len kön­nen. Die­se wer­den …«

      Ge­nervt schal­te­te Avri­el das plap­pern­de Gerät auf stumm und nahm die Ab­fahrt zum Ge­län­de der La­de­sta­ti­on.

      Au­ßer ihm war kein ein­zi­ger Mensch dort. Kein Wun­der, nach der Sperr­stun­de wa­ren nur noch selbst­fah­ren­de Last­wa­gen un­ter­wegs. Ei­ni­ge da­von – rie­si­ge Ma­schi­nen – stan­den fried­lich an­ge­dockt und tank­ten Ener­gie.

      Nur ih­re Schein­wer­fer und das Licht aus den Fens­tern der voll­au­to­ma­ti­schen Selbst­be­die­nungs­be­trie­be be­leuch­te­ten die Sze­ne­rie.

      Avri­el schob die Har­ley-Da­vid­son eStreet 2130 zu ei­ner der Dockings­ta­tio­nen. Da­bei fiel sein Blick auf die di­gi­ta­le Da­tums­an­zei­ge. 09.07., sein Ge­burts­tag. Er hat­te sei­nen Ge­burts­tag ver­ges­sen. Avri­els Herz mach­te einen schmerz­haf­ten Sprung – an sei­nem Sieb­zehn­ten woll­te er mit Va­len­ti­ne in ei­nem klei­nen Café sit­zen und nicht nur sei­nen Ge­burts­tag, son­dern auch ih­re Ver­lo­bung fei­ern.

      Statt­des­sen hat­te er den Tag auf der Flucht ver­bracht und kei­nen Au­gen­blick dar­an ge­dacht …

      Er schluck­te den Kloß im Hals her­un­ter und be­gab sich ins klei­ne Selbst­be­die­nungs­lo­kal, das zur La­de­sta­ti­on ge­hör­te. Ein Kaf­fee wür­de ihm jetzt gut­tun, er muss­te noch ei­ne hal­be Ewig­keit fah­ren.

      Avri­el drück­te sei­ne Kar­te in den Be­zahl­schlitz am Kaf­fee­au­to­ma­ten, ent­nahm den vor sei­nen Au­gen ge­druck­ten Plas­tik­be­cher mit dem Heiß­ge­tränk und nahm einen Schluck. So­fort fühl­te er war­me Kraft durch sei­ne Adern strö­men, dreh­te sich zur Glas­tür und … ver­schluck­te sich am brü­hend hei­ßen Kaf­fee.

      So­fort ließ er den Be­cher ste­hen und rann­te hin­aus. »Hey! Hey, hau ab, das ist meins!«

      Die er­tapp­te Ge­stalt schrie er­schro­cken auf und rutsch­te un­ge­schickt vom Mo­tor­rad ab. Ehe sie sich auf­rap­peln konn­te, stand Avri­el auch schon vor ihr und schnitt ihr den Weg ab.

      »Aus dem Weg!« Ein wü­ten­des, zer­kratz­tes Mäd­chen­ge­sicht blick­te mit trot­zi­gen, ker­zen­flam­men­blau­en Au­gen zu ihm auf. »Wird’s bald?« Die Neon­be­leuch­tung of­fen­bar­te deut­lich die Angst in ih­ren Zü­gen.

      »Bist du be­scheu­ert? Klaust mir fast mein Mo­tor­rad und dann soll ich dich da­mit weg­fah­ren las­sen? Ich …« Bei­na­he hät­te er ge­sagt, er wür­de die Po­li­zei ru­fen. Aber das war das Letz­te, was er jetzt tun durf­te. Un­schlüs­sig biss er sich auf die Un­ter­lip­pe.

      In­zwi­schen war sie auf­ge­stan­den und hat­te sich die schwar­zen Haa­re aus dem Ge­sicht ge­stri­chen. »Was? Rufst du die Bul­len? Oh­ne mich!« Sie sprang zur Sei­te, doch Avri­el pack­te sie am Arm und hielt sie fest. Auch wenn sie ver­such­te, mög­lichst frech und ar­ro­gant drein­zu­schau­en, blitz­te blan­ke Furcht in ih­ren Au­gen. »Du tust das nicht! Oder?« Auf ein­mal wirk­te sie sehr un­si­cher.

      Im­mer noch stand er un­schlüs­sig da und hielt ih­ren Arm fest. Was mach­te man in sol­chen Si­tua­tio­nen?

      »Sag bloß, du haust auch ab?«

      »De­fi­ni­tiv nicht!« Sei­ne Stim­me klang hö­her als nö­tig.

      »Wa­rum tust du’s dann nicht?«

      »Kann dir egal sein!« Am En­de rief sie noch die Po­li­zei. Und dann wä­re es aus mit ihm. An­de­rer­seits … dann wä­re sie auch dran, und so däm­lich konn­te kei­ner sein.

      »Wenn ja … nimmst du mich mit?«

      Avri­el war so über­rascht, dass er ih­ren Arm losließ. Das Mäd­chen mach­te kei­ne An­stal­ten mehr weg­zu­lau­fen.

      »Al­so, was ist? Nimmst du mich mit? Wo­hin geht’s über­haupt?«

      »Ähm … al­so … das … al­so …«

      »Nun sag schon. Vi­el­leicht ha­ben wir den glei­chen Weg.«

      Das glaub­te Avri­el zwar nicht, aber ihm fiel auch auf die Schnel­le kein an­de­res Ziel ein, das er ihr nen­nen könn­te. »Nach New Or­leans.«

      »Dann ha­ben wir so­wie­so den glei­chen Weg. Die Er­zie­he­rin hat ge­sagt, ich soll mich dort­hin durch­schla­gen.«

      »Wer? Wa­rum ge­nau dort­hin?«

      Das Mäd­chen senk­te die Stim­me. »Weil da sol­che wie ich sein sol­len. Und … wie du.«

      »Wie kommst du …?«

      »Nein, lass den Quatsch. Wir wis­sen bei­de, dass ich recht ha­be.«

      »Schon gut.« Er nick­te. »Dann sitz mei­net­we­gen hin­ten. Aber we­he, du ver­suchst noch mal, das Mo­tor­rad zu klau­en.«

      »Bin ich be­scheu­ert? Au­ßer­dem siehst du, wie gut ich das kann.« Sie grins­te schief. »Wie heißt du ei­gent­lich?«

      »Avri­el Adam­ski.«

      »Jetzt ver­arschst du mich.«

      »Wa­rum soll­te ich?«

      »Ich hei­ße Al­le­gra. Zu­fäl­lig auch Adam­ski.«

      »Jetzt ver­arschst du mich! Zeig dei­nen Aus­weis her.« Wann nah­men die selt­sa­men Er­eig­nis­se ein En­de?

      »Zeig du erst dei­nen!«

      »Nein!«

      »Dann eben gleich­zei­tig.« Ehe Avri­el rea­gie­ren konn­te, zog Al­le­gra be­reits ih­re