2145 - Die Verfolgten. Katherina Ushachov. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katherina Ushachov
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742709752
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      Fa­bri­cia hat­te nie ge­wusst, dass Aria­ne ihr den Freund nei­de­te, sie hat­te nicht ein­mal ge­ahnt, wie ger­ne Aria­ne an ih­rer Stel­le ge­we­sen wä­re, und jetzt stand der Be­weis vor ihr, dass Riú und ih­re bes­te Freun­din … nein. Nicht dar­an den­ken, die Bil­der woll­te sie ganz ge­wiss nicht in ih­rem Kopf ha­ben.

      Has­tig tipp­te sie ei­ne Nach­richt an Fa­bri­cia und kehr­te dann erst zu Avri­el zu­rück.

      Als sie die Kü­che er­neut be­trat, zuck­te Avri­el nicht ein­mal mit der Wim­per. Jetzt al­ler­dings schi­en er aus sei­ner Lethar­gie zu­min­dest so­weit er­wacht zu sein, dass er das für ihn hoff­nungs­los ver­al­te­te Gerät mit halb­of­fe­nem Mund an­gaff­te. »Was ist das denn?«

      Aria­ne leg­te das Pad auf den Kü­chen­tisch und ak­ti­vier­te es, in­dem sie zwei­mal schnell auf den Bild­schirm tipp­te. »Schreibt ihr in der Schu­le nicht auch auf sol­chen Din­gern? Nur müss­ten eu­re Mo­del­le ein we­nig neu­er sein.« Sie dreh­te das Gerät um. »Siehst du? Das hält fast nur noch mit Pan­zer­band und Spu­cke zu­sam­men. Es wur­de von mir ge­hackt und ist Teil ei­nes Ne­xus-Net­zes, für die gan­zen mo­der­nen Über­wa­chungs­pro­gram­me hat es nicht ge­nug Saft und die al­ten ha­be ich run­ter­ge­schmis­sen. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, un­be­scha­det auf m-mail.com zu­zu­grei­fen.«

      »Äh, Mail-was?«

      »Der Mail­dienst von und für Mu­tan­ten in al­ler Welt, samt So­ci­al Net­work au­ßer­halb der staat­li­chen Kon­trol­le.«

      »Was sind die­se So­ci­al-Din­ger?«

      Ah, Ju­gend­li­che. Ver­mut­lich hat­te er kein Wort von dem ver­stan­den, was sie er­klärt hat­te. »Ein So­ci­al Net­work ist ein Ort, an dem man Bil­der, Vi­deos und noch mehr Nach­rich­ten aus­tau­schen kann. Auch wenn das heu­te nicht mehr ak­tu­ell ist – was bringt man euch in der Schu­le bei?«

      »Ge­schich­te, Ma­the, Ras­sen­kun­de …«

      Sie seufz­te. »Schon gut. Al­so. Die­ses Pad ist je­den­falls ge­gen staat­li­che Über­wa­chung ge­schützt und kann da­mit für den Wi­der­stand be­nutzt wer­den.«

      »Wie soll das ge­hen?«

      Er schloss die Au­gen und drück­te die Fin­ger auf die Li­der.

      Aria­ne ver­stand, dass sie sich lang­sam auf das Se­hen im Dun­keln spe­zia­li­sier­ten. »Ne­xus-Netz, sag­te ich doch. Schwie­rig auf die Schnel­le zu er­klä­ren, es kommt je­den­falls nie­mand rein, der nichts da­von weiß und nicht ein­ge­la­den ist.«

      »Wa­rum er­zählst du mir das al­les? Das gan­ze ver­bo­te­ne Zeug?« Sei­ne Stim­me hat­te jetzt einen dumpf-ge­quäl­ten Klang.

      »Weil du oh­ne­hin ge­sucht wirst und es auf einen Ge­set­zes­ver­stoß mehr oder we­ni­ger nicht an­kommt?«

      Er seufz­te. Dann hob er sei­ne Tee­tas­se an die Lip­pen und trank ih­ren In­halt in ei­nem lan­gen Schluck leer.

      »Aber ich glau­be nicht«, fuhr Aria­ne fort, »dass du her­ge­kom­men bist, um Tee zu trin­ken.«

      »Nein. Es ist kom­pli­zier­ter.«

      20. Avriel Adamski – Atlanta – 08.07.2145

      Er ver­trau­te Aria­ne. Et­was in ih­rem Ge­sicht schi­en ihm auf ei­ne in­stink­ti­ve Art ver­traut, auch wenn er es nicht be­nen­nen konn­te.

      »Wa­rum bist du al­so hier?« Sie nipp­te an ih­rem Tee und lä­chel­te ihn freund­lich an.

      »Wa­rum hast du mich ins Wai­sen­haus ge­bracht?«

      »Wo­her weißt du das?« Sie hob bei­de Au­gen­brau­en.

      »Ich ha­be mei­ne Ak­te ge­se­hen.«

      »Es war der ein­zi­ge Weg, um dich zu ret­ten. Ich ha­be be­haup­tet, dass du vor mei­ne Tür­schwel­le ge­legt wur­dest. Es ist nicht mög­lich, Ba­bys auf das Mu­tan­ten­gen zu tes­ten. Es kann erst bei Tee­na­gern nach­ge­wie­sen wer­den. Wenn man al­so nicht weiß, wer dei­ne El­tern sind, dann giltst du au­to­ma­tisch als Mensch.«

      Er schluck­te im­mer wie­der, aber der Kloß in sei­nem Hals blieb und drück­te ihm die Luft ab. Sie wuss­te, wer sei­ne El­tern wa­ren. Sie wuss­te, wer er war.

      Sie wuss­te es.

      »Al­les in Ord­nung? Du bist so still.«

      »Es wä­re bes­ser ge­we­sen, wenn ich ge­stor­ben wä­re.«

      Sie streck­te die Hand aus, über den Tisch hin­weg, strich über sei­nen Är­mel. »Nein. Wä­re es nicht.«

      »Doch, wä­re es.« Mit ei­nem Mal ver­spür­te er das drin­gen­de Be­dürf­nis, sich al­les von der See­le zu re­den. »Ich weiß erst seit ges­tern, dass du exis­tierst. Aber an­de­re Hin­wei­se zu mei­ner Her­kunft ha­be ich nicht.«

      Er fühl­te sich selt­sam, als wür­de sein Ge­hirn in ei­ner viel zu en­gen, mit Wat­te ge­füll­ten Kis­te lie­gen, als wür­den sei­ne Ge­dan­ken nicht funk­tio­nie­ren, wie er woll­te. Avri­el fühl­te sich hilf­los, woll­te un­be­dingt spre­chen und konn­te nicht, streck­te Aria­ne statt­des­sen ein­fach sei­ne ID ent­ge­gen.

      Aria­ne las die Da­ten laut vor: »Avri­el Adam­ski, ge­bo­ren am 8. Ju­li 2128 in At­lan­ta, Ver­wal­tungs­ein­heit Ge­or­gia, Groß­raum Nord­ame­ri­ka, gül­tig bis zum 21. Ja­nu­ar 2148, wohn­haft in Gor­don Ci­ty, 1.70m groß, blond, grü­ne Au­gen, Ras­se ho­mo sa­pi­ens sa­pi­ens.«

      Sei­ner Mei­nung nach sah er auf dem bio­me­tri­schen Fo­to nicht wirk­lich aus wie er selbst, aber wer tat das schon? Den­noch er­kann­ten ihn die Ka­me­ras in der Schu­le, je­den­falls be­grüß­te ihn im­mer ei­ne Ro­bo­ter­stim­me am Ein­gang.

      »In ei­nem Punkt hat sich der Aus­s­tel­ler ge­irrt. Du bist ei­gent­lich ein ho­mo sa­pi­ens mu­t­ans, wie die Eu­ge­ni­ker un­se­re Ras­se be­zeich­nen. Ich fin­de das, wenn ich ehr­lich bin, reich­lich wi­der­lich, klingt mehr nach Zom­bie-Apo­ka­lyp­se als nach We­sen, die sich von Men­schen kaum un­ter­schei­den.«

      Avri­el nick­te nur. Seit er wuss­te, was er wirk­lich war, hat­te er sich schmut­zig ge­fühlt, oh­ne einen Grund da­für an­ge­ben zu kön­nen. Vi­el­leicht fand Avri­el ih­re Aus­sa­ge des­we­gen so tröst­lich, dass er sie spon­tan um­arm­te.

      Sie wur­de leicht rot und schob ihn sanft von sich. Ih­re Au­gen wur­den feucht, als ob er et­was Trau­ri­ges ge­tan hät­te, da­bei war es nur ei­ne Umar­mung ge­we­sen. Oder hat­te er sich das nur ein­ge­bil­det? Denn im nächs­ten Mo­ment war ihr Ge­sicht wie­der völ­lig ge­fasst.

      »Hast du kei­nen Ver­dacht ge­schöpft? Ich mei­ne, man spürt über­deut­lich, dass man mu­tiert.«

      »Doch, schon. Ich woll­te es aber igno­rie­ren. Vor ei­ni­gen Wo­chen ha­be ich halt Pro­ble­me mit der Ge­sund­heit be­kom­men. Ich konn­te auf ein­mal schlecht at­men, wenn die Luft sehr tro­cken war. Und wenn die Son­ne im Som­mer her­un­ter­knall­te, war ich wie blind. Dann konn­te ich im­mer schlech­ter schla­fen und war aus die­sem Grund in der Schu­le mü­de. Mei­ne Freun­din Va­len­ti­ne …« Er schluck­te. Es tat weh, an Va­len­ti­ne zu den­ken, raub­te ihm fast wie­der die Spra­che.

      »Was hat sie ge­sagt?«

      »Sie