Tot im Wohnwagen. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750253230
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Gegenüber grinste und holte ihr Handy aus der Tasche. „Abmelden tu ich mich sofort!“ Sie klickte eine Zeitlang herum und sah dann lobheischend auf: „Erledigt!“

      „Sehr gut – aber nicht wieder anmelden!“

      „Ich bin doch nicht blöd! Da fällt mir ein, ich hab auch noch ein silbernes Teeservice, also Tablett, Kanne, Zuckerdose, Milchkännchen. Brauche ich nie!“

      „Wenn Sie sicher sind? Nicht, dass Sie es hinterher bereuen!“

      „Bestimmt nicht. Wo könnte ich noch sparen, was meinen Sie?“

      Nele überlegte. „Nichts kaufen, was Sie nicht wirklich brauchen. Brauchen, nicht haben wollen – das ist ein Unterschied!“

      „Schwierig…“

      „Sie kommen doch nächste Woche wieder, nicht wahr? Müssen Sie bis dahin überhaupt etwas einkaufen?“

      „Was zum Beispiel?“

      „Neues Duschgel, Brot, Butter…“

      „Wasser…“

      „Wozu? Leistungswasser ist von der Qualität her meist besser und kostet so gut wie gar nichts.“

      „Eigentlich eine gute Idee – ich meine, da müsste ich ja auch nichts schleppen. Duschgel hab ich noch reichlich … und eigentlich noch genug zu essen. Bis zum Wochenende brauche ich gar nichts, glaube ich.“

      „Dann versuchen Sie es ruhig. Einen Vorteil hätte das obendrein, wenn Sie Ihre Vorräte verbrauchen: Sie können den Kühlschrank gleich abtauen und gründlich putzen. Machen wir es so: Sie gehen auf jeden Fall zum Silberankauf und dann zahlen Sie die Hälfte des Erlöses auf ihr Girokonto ein. Ausgeben werden Sie möglichst nichts. Müssten Sie bis nächsten Mittwoch nicht auch schon wieder Gehalt bekommen? Dann wären Sie immerhin gut tausend Euro von Ihrem Dispo-Limit entfernt. Ein erster Schritt…“

      „Das klingt doch schon ganz gut, meinen Sie nicht, Frau Garbrecht?“

      „Geht so. Frau Meusel, dann sind Sie immer noch rund zweieinhalbtausend in den Miesen. Wissen Sie, wieviel Zinsen Sie da zahlen? Im Schnitt sind es zehn Prozent.“

      Frau Meusel senkte verzagt den Kopf und Nele klärte sie auf: „Zweihundertfünfzig im Jahr sind über zwanzig Euro jeden Monat, die Sie bloß der Bank in den Rachen werfen. Nein, vom Dispo müssen Sie schnell runter. Frau Meusel, mal ganz ehrlich: Wofür geben Sie noch zu viel Geld aus? Das Online-Casino war es doch nicht alleine, oder?“

      „Naja… manchmal fühle ich mich so mutlos…“ Die Stimme verklang in Gemurmel.

      Nele wusste Bescheid. „Und dann müssen Sie sich etwas gönnen? In der Altstadt?“

      „Ja – woher wissen Sie das? Ich meine, das ist doch total idiotisch?“

      „So geht es vielen. Man spricht auch von Frustkäufen. Oder können Sie immer brauchen, was Sie sich gekauft haben?“

      „Ach nein. Manches habe ich noch nicht einmal ausgepackt. Wenn ich bloß das Geld hätte, das ich dafür rausgeworfen habe…“

      „Was haben Sie denn bevorzugt gekauft?“

      „Naja… Kosmetik, zum Beispiel.“ Sie grinste kurz. „Man glaubt ja immer, dass man davon viel schöner wird, nicht?“

      „Die Lügen der Werbung, da haben Sie schon Recht. Können Sie den Kram peu à peu verbrauchen, um nichts Neues kaufen zu müssen?“

      „Naja, ich hab mindestens drei Wunderwimperntuschen, alle noch zugeklebt, und zwei angebrochene.“

      „Ich fürchte, verkaufen kann man das nicht mehr, aber vielleicht freuen sie sich bei der Tafel? Auch Bedürftige brauchen ja vielleicht mal etwas Make-up…“

      Frau Meusel kritzelte auf ihren Block. „Bis zum nächsten Mal sortiere ich das alles danach, wo es hinkann, Tafel, Flohmarkt, Vorratsschrank.“

      „Das ist eine sehr nützliche Idee. Sie machen wirklich Fortschritte, Frau Meusel!“

      „Es geht nur alles so langsam… wie machen Sie das, Frau Garbrecht? Ich meine, wie schützen Sie sich vor Frustkäufen?“

      Nele überlegte kurz. „Ich kaufe grundsätzlich nichts, das nicht Bio oder in zuviel Plastik verpackt ist – und keine billigen Klamotten, die garantiert auf Kosten von Natur und schlecht bezahlten Näherinnen in Asien zusammengetackert worden sind. Unglaublich, was da alles nicht mehr in Frage kommt! Und darüber hinaus bin ich Minimalistin – weniger Kram, mehr Lebensqualität, eine herrlich leere Wohnung.“

      „Das klingt ja toll. Sollte ich mir dazu Bücher kaufen, was meinen Sie?“

      „Frau Meusel! Was meinen Sie selbst?“

      Jenny Meusel lächelte beschämt. „Nichts kaufen, erstmal im Netz schauen?“

      „Spart auf jeden Fall Geld. Also, welche drei To do-Aufgaben packen Sie jetzt bis nächste Woche an?“

      Jenny Meusel blätterte. „Ich hätte viel mehr!“

      „Bitte die drei wichtigsten! Mehr ist für eine Woche im Allgemeinen zu viel.“

      „Hm… Silber verkaufen als erstes. Krempel sortieren und schon mal schauen, was zur Tafel kann. Also, Originalverpacktes. Und als drittes… wenn ich was kaufen will, schauen, ob es total bio und ohne Plastik ist und ob ich es überhaupt dringend brauche?“

      „Das klingt sehr vernünftig. Man hat festgestellt, dass man, wenn man solche Verhaltensweisen einige Wochen lang trainiert, sie wirklich verinnerlichen kann.“

      Sie erhob sich und verabschiedete Jenny Meusel, die halb getröstet, halb voller Tatendrang wirkte. Dann sah sie ihr nach: Ob das schon etwas brachte? Das bisschen Coaching? So einfach konnte es schließlich nicht sein. Mal sehen, was sie nächste Woche zu berichten hatte.

      Sonja saß noch im Ausweichraum, also nutzte sie schnell die Gelegenheit und überlegte, ob sie noch einmal beim Ordnungsamt anrufen sollte, um denen wieder zu erzählen, dass in einem dieser schrottreifen Wohnwagen irgendetwas verrottete und es dementsprechend in der Fontaneallee ekelerregend stank, von Tag zu Tag mehr. Beim letzten Mal hatte man nur gelangweilt nach ihrem Namen gefragt und versprochen, bei Gelegenheit dort einmal nach dem Rechten zu sehen. Geschehen war offenbar gar nichts.

      Sonja kam zurück. „Puh, dieser Vater! Die Kleine tyrannisiert ihn total. Die probiert doch, wie weit sie gehen kann, und stößt nie an ein Hindernis. Ich hab ihn echt zur Erziehungsberatung weitervermittelt, die Renate hatte gerade noch einen Termin frei.“

      „Wahrscheinlich denkt er, das arme mutterlose Kind braucht besonders viel Liebe.“

      „Richtig. Aber keine Grenzen setzen – das ist doch keine Liebe, sondern Weicheiverhalten!“

      „Ganz genau. Wir haben doch auch nicht alles gedurft, oder? Hat uns gar nichts geschadet. Huch – hab ich das jetzt eben wirklich gesagt? Ich werde alt!“

      Sonja kicherte. „Was glaubst du, wie oft ich schon Elternsprech abgesondert habe. Ab dreißig ist das unvermeidlich.“

      2

      Gegen fünf war sie für heute fertig und schaukelte gemütlich im Bus Richtung Birkenried, wobei sie über die Ratschläge nachdachte, die sie Jenny Meusel und noch zwei weiteren mäßig verschuldeten jungen Frauen erteilt hatte. Beziehungsweise diese Verhaltensweisen mehr oder weniger aus ihnen herausgekitzelt hatte. Doch, das funktionierte – wenn sie es verinnerlichten. Sie selbst hatte doch in dieser Woche auch erst – naja – zwölf Euro oder so ausgegeben – wozu auch mehr? Sie brauchte nichts, zu essen war noch genug im Haus, Wasser kam aus dem Hahn, den guten grünen Tee hatte sie auch noch – und ihre angenehm kleine Wohnung verhinderte doch ohnehin, dass sie zuviel Krempel ansammelte. Am schlimmsten waren sogenannte Deko-Artikel! Ab und zu schlenderte sie zum Spaß durch ein Möbelhaus, das sehr günstig im Nordwesten von Birkenried lag und wohl immer noch hauptsächlich von den neu Zuziehenden lebte. Was es da an Dekokram