Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241334
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besorgten Blick zu, den Lennys sofort auffing.

      „Es hat gute Gründe, warum sich die Cas von den Dienstboten fernhalten sollen.“ fauchte sie Rahor an. „Umso besser, wenn du für eine Weile in den Süden gehst! Nimm sie mit oder lass es bleiben! Hauptsache, ihr geht mir aus den Augen! Und jetzt raus!“

      „Und du glaubst, es war eine gute Idee?“

      Hoch oben im Westturm hatte es sich Wandan auf einem brokatbezogenen Sessel bequem gemacht, der dem sonst eher nüchternen cycalanischen Stil widersprach. Eigentlich hielt der alte Krieger nicht viel von Prunk und Bequemlichkeit, doch der sichelländische Winter ließ oft seine Knochen schmerzen. Oben in den Wäldern machte ihm das nicht viel aus, da wusste er sich schon mit der einen oder anderen Medizin zu helfen. Aber jetzt, da er in der Burg Vas-Zarac zu Gast war, wollte er nicht über die Maßen trinken oder zu viel jener Kräuter zu sich nehmen, die ein allgemeines Wohlgefühl auslösten. Umso mehr wusste er das warme Kaminfeuer und die weichen Polster zu schätzen und so hatte er kein schlechtes Gewissen, als ein Diener ihm das Turmzimmer ungewöhnlich üppig eingerichtet hatte.

      „Wen kümmert das schon? Sie müssen lernen, dass es hier immer noch Regeln gibt, an die sie sich zu halten haben. Hier tut doch inzwischen jeder was er will!“

      Lennys hatte Wandan nicht besucht, weil sie eine Hilfe oder eine Bestätigung erwartet hätte. Sie wollte eigentlich nur weg von den ständig aufgebrachten Ratsmitgliedern, mit denen sie sich auch heute wieder über Stunden hatte befassen müssen. Am liebsten hätte sie sich ganz allein in ihr Gemach zurückgezogen, aber sie konnte es sich nicht erlauben, untätig herumzusitzen. Also hatte sie Wandan aufgesucht, der zumindest eine gute Menschenkenntnis besaß und – und das unterschied ihn von den meisten – nichts nur zu seinem eigenen Vorteil tat. Mit ihm konnte sie vielleicht besser in die Zukunft planen.

      „Nur, wenn du sie lässt.“ lächelte Wandan. „Und eigentlich schätzt du es doch, wenn sie selbst die Initiative ergreifen. Und auch, wenn sie ehrlich sind und sich nicht in Schmeicheleien verlieren.“

      „Sie vergessen, wo sie sind! Und wen sie vor sich haben! So etwas werde ich niemals dulden!“ Noch immer konnte die Cycala ihren Zorn kaum bändigen. „Wenn sie sich nicht zu benehmen wissen, brauche ich sie nicht!“

      Wandan jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

      „Und deshalb schickst du Rahor ins Verlassene Land? Weil er über die Stränge schlägt? Ist das nicht eher eine Strafmaßnahme für junge Säbelschüler? Zumindest, wenn man davon absieht, dass er wahrscheinlich nicht zurückkehrt?“

      „Du hörst dich an wie diese Mittelländerin!“

      „Diese Mittelländerin wurde bis vor kurzem noch von dir bei ihrem Namen genannt. Und ich fürchte, ich muss Sara recht geben. Inmitten der Kriegsvorbereitungen den höchsten Kämpfer des Landes – von dir natürlich abgesehen – mit dem Auftrag eines Kundschafters fortzuschicken, ist vielleicht nicht unbedingt das, was man als besonders nachvollziehbar bezeichnen könnte.“

      „Was soll ich mit einem Krieger, der nur um eine Dienstbotin herumscharwenzelt und dann wieder für mehrere Tage unauffindbar ist? Ein solcher Cas ist nutzlos! Da kann er ebenso gut im Süden verschwinden!“

      „Aber das willst du nicht wirklich. Du willst gar nicht, dass er verschwindet. Du willst ihm nur eine Lehre erteilen. Und Sara auch. Du solltest nur darüber nachdenken, ob dir diese Lehre so viel wert ist, dass du dafür auch seinen Tod in Kauf nehmen würdest.“

      „An meiner Entscheidung gibt es keinen Zweifel mehr. Rahor wird ins Verlassene Land gehen. Und er wird alles tun, um an Informationen über Iandal zu kommen oder aber er wird bei dem Versuch sterben.“

      „Du bist hart.“ Es klang nicht vorwurfsvoll. „Aber ich kann dich verstehen, zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Rahor ist ein guter Mann. Du kannst dich auf ihn verlassen. Dass er einfach ein paar Tage verschwunden war, ohne dich über den Grund zu informieren, war natürlich ein Fehler. Aber er wusste sicher, was er tat und anscheinend war ihm die Reise so wichtig, dass er das Risiko einer Zurechtweisung dafür gern in Kauf genommen hat. Wer weiß, vielleicht ist es gerade jene Verantwortung, die er für sein Tun übernimmt, die irgendwann noch eine entscheidende Rolle spielen wird.“

      „Für sein Verhalten gibt es keine Entschuldigung."

      "Was nicht bedeutet, dass ich diese Art von Strafe gutheißen kann.“

      Lennys zuckte gleichgültig die Achseln.

      „Das musst du auch nicht.“ Sie griff nach einer Flasche manatarischen Rums, den sich Wandan hatte bringen lassen. Nachdenklich betrachtete sie das Siegel. „Du trinkst dieses fremdländische Zeug?“

      „Nicht alles, was von anderen Völkern kommt, ist schlecht.“

      „Früher oder später stellt sich aber heraus, dass es überflüssig ist.“ Sie zog den Korken heraus und trank einige Schlucke.

      „Spielst du auf Sara an?“ fragte Wandan vorsichtig.

      „Ich spiele auf überhaupt nichts an. Ich hätte sie dort lassen sollen, wo sie herkommt. Im Nebeltempel oder sonstwo. Hier ist eine andere Welt und sie gehört nicht hierher. Du hättest sie hören sollen vor dem Rat. Hat sich benommen, als könne sie offen ihre Meinung sagen.“

      „Und warum kann sie das nicht? War es nicht gerade diese Eigenschaft, die du sonst an ihr besonders geschätzt hast?“

      „Sie hat nicht die geringste Ahnung! Weder von Krieg, noch von den Hantua, noch von Cycalas! Dass sie jetzt plötzlich um Rahor besorgt ist, zeigt erst recht, dass sie dem allen nicht gewachsen ist. Wie wird sie erst reagieren, wenn diejenigen, die sie als Freunde bezeichnet, abgeschlachtet vor ihr im Dreck liegen und ihr Blut den Boden tränkt? Es war ein Fehler, sie zu den Sitzungen zu holen und ich werde ihn sicher nicht noch einmal machen!“

      „Und willst du auch wirklich, dass sie Rahor begleitet?“

      „Es ist mir egal, was sie tut, Hauptsache, sie hält sich von mir fern. Und ich habe auch keine Lust mehr, weiter über sie oder Rahor zu reden.“

      Wandan nickte. „Ich weiß. Und ich weiß auch, warum du eigentlich gekommen bist.“

      „Und ich weiß, dass du mir nicht sagen wirst, was ich wissen will.“

      „Alles ist nur sehr vage. Es sind Ahnungen, zu sehr in einen Nebel gehüllt, als dass ich sie richtig greifen könnte.“

      „Bisher waren deine Ahnungen sehr zuverlässig.“

      „Du kannst mir befehlen, meine Gedanken mit dir zu teilen. Aber ich bitte dich, es nicht zu tun. Ich bin überzeugt, dass sich das Schicksal nicht abwenden lässt, alles ist vorbestimmt und die Entscheidungen, die die Zukunft beeinflussen, sind schon getroffen. Es ist nicht mehr zu ändern.“

      „Trotzdem sprichst du mit anderen darüber.“

      „Ich tue nur das, was ich als notwendig erachte. Du bist in der Lage, die Geschicke dieses Landes zu lenken, ganz ohne meine Ratschläge. Andere müssen erst zu dem einen oder anderen Schritt ermutigt werden.“

      Lennys musterte den alten Cas nachdenklich. Ein Verdacht stieg in ihr auf.

      „Bist du etwa dafür verantwortlich, dass Rahor einige Tage lang verschwunden war?“

      „Nein...“ lächelte Wandan. „Verantwortlich für sein Handeln ist Rahor allein und niemand sonst. Aber vielleicht ist er nach seinem Gespräch mit mir ein wenig selbständiger geworden. Ich kann niemanden dazu bringen, gegen seine Überzeugung zu handeln. Ich kann Menschen nur manchmal ein wenig klarer sehen lassen.“

      „Du hast dich sehr verändert.“ Es klang nicht wie ein Kompliment.

      „Die Einsamkeit des Waldes bewirkt in jedem eine Veränderung. Und auch das Alter. Sieh mich an, Herrin Cycalas'. Ich bin gerade erst fünfzig geworden, doch in den Augen der Kämpfer bin ich ein alter Mann. Ich sehe aus wie siebzig, bewege mich wie achtzig und fühle mich als wäre ich hundert. Und ich weiß nicht, was mich mehr hat altern lassen, die wenigen