Suomi on kaunis (Deutschland auch). Nadja Hummes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadja Hummes
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746732084
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in mir gewohnter Weise öffnen. Ich schüttele Valtteris Bettzeug in seinem Schlafzimmer und meines im Wohnzimmer auf.

      Die herein wehende Luft ist frisch und klar. Herrlich.

      *

      Valtteri hat bestimmt ein paar geeignete Klamotten.

      Ich muss sie nur finden.

      Prüfend begutachte ich den Inhalt seines Kleiderschrankes. Du liebe Güte, Valtteri! Wie soll ich dir denn da bei der Kleidung helfen? Welch ein Equipment. Na gut, ich tue mein Bestes.

      Fünf langbeinige Hosen, zwei davon Jeans. Eine schwarze, eine blaue. Der Zustand? Naja, kann man vielleicht noch als Used-Look oder Worker-Look durchgehen lassen. Nein.

      Eine Cordhose. Hm. Auch nicht mehr ganz taufrisch. Eher etwas für den Handwerker-Tag. Nein.

      Eine ausgeleierte Jogginghose. Nein. Indiskutabel.

      Eine schwarze Stoffhose. Aha. Na, das ist doch immerhin schon etwas. Der Schnitt ist ohne Zweifel etwas aus der Mode gekommen, aber immerhin: Die Hose, wahr­scheinlich selten getragen, ist in einem gepflegten Zustand. Also her damit.

      Nun zu den Oberteilen.

      Etliche schlabbrige, verwaschene T-Shirts. Nein.

      Drei Hemden. Hemden? Oh wow! Mal sehen.

      Weiß? Nein, das ist zu overdressed.

      Grün? Dieses Grün? Uff, nein. Welch ein Farbton.

      Dunkelblau? Dunkelblau sieht gut aus. In Kombination mit der schwarzen Hose recht ansehnlich. Immerhin ist diese Kombination noch weit genug von einer Trauerkleidung entfernt, um nicht missverstanden zu werden. Geht!

      Und darüber ein Pullover. Es ist schließlich Winter. Es muss ein dezenter heller Farbton sein, dann bildet der dunkelblaue Hemdkragen einen angenehmen Kontrast. Nach einer Weile werde ich endlich fündig. Ein schlichter beiger Pullover landet neben dem dunkelblauen Hemd und der schwarzen Hose auf Valtteris Bett.

      Okay, jetzt noch die Schuhe.

      Das zweite Paar der Arbeitsstiefel. Nein.

      Die ausgelatschten Herrensandalen. Nein.

      Ausgefranste Gummistiefel. Nein.

      Finnische Filzpantoffeln. Nein.

      Oh je, er wird doch wohl noch ein anderes Paar Schuhe im Schrank haben?

      Ja, hat er. Erleichterung! Schwarze verstaubte Herrenschnürschuhe. Die sind wohl lange nicht mehr gepflegt worden.

      Ich überlege eine Sekunde lang, ob ich eben drüber wienere oder es lasse. Kurz darauf stehen die frisch geputzten schwarzen Schnürschuhe vor seinem Bett. Das durchs Putzen arg verunreinigte Klopapier landet zielsicher im Abfall, woraufhin ich die zweckentfremdete Bodylotion – ich habe wirklich nur einen einzigen Tropfen pro Schuh verwendet – sorgfältig wieder zu meinen Bade­zimmerutensilien zurückstelle. Anschließend lege ich einen Zettel neben seine vorbereitete Kleidung.

      Hallo Valtteri

      Die Unterhose suchst Du Dir bitte selber aus.

      Ich schaue mir jetzt die Gegend an.

      Am frühen Abend bin ich zurück.

      Ich drücke Dir alle Daumen und wünsche Dir ganz viel Glück.

      Lenja

      *

      Schritt für Schritt wandere ich durch eine endlose weiße Schneelandschaft. Lediglich einzelne Bäume ragen aus dem im Laternenlicht glitzernden Weiß empor. Ich stutze. Zwischen einige der Bäume wurden Drahtseile gespannt. In regelmäßigen Abständen befinden sich Karabinerhaken an den Drahtseilen. An einem der Drahtseile hängt ein Schild: Varokaa heikkoja jäitä. Aha, hier wird also vor dünnem oder brüchigem Eis gewarnt. Abrupt bleibe ich stehen. Dies ist definitiv einer jener Momente, in denen sich das Erlernen eines zumindest rudimentären Wortschatzes der finnischen Sprache auszahlt.

      Unweit des Schildes hängt ein oranger Rettungsring. Ohne mich von der Stelle zu rühren, schaue ich wachsam in jede nur erdenkliche Richtung. Froh, mir heute vorsorglich eine Taschenlampe eingesteckt zu haben, leuchte ich tiefer in die Umgebung hinein. Einer der Bäume steht leicht abgesenkt. Nahe seinen unteren Zweigen ragen einzelne gelbe Halme aus der Schneedecke. Vereistes Schilfgras. Dazwischen Vogelspuren. Ich befinde mich am Ufer eines Sees.

      Umsichtig setze ich meinen Weg fort, achte instinktiv auf das Gefühl unter meinen tastenden Füßen. Es gelingt mir, auf festem Grund zu bleiben. Mit jedem Schritt verfeinert sich mein Gespür dafür, an welchen Stellen der Schnee trittfest, von Eis bedeckt oder andernorts eine dicke lockere Masse ist. Die dicke lockere Masse liegt an etlichen Stellen. Mehr als einmal versinke ich bis über die Unterschenkel im Schnee.

      Weiter hinten wird ein kleiner Trampelpfad sichtbar. Ganz offensichtlich ein Rundweg für Hundebesitzer. Die Hinterlassenschaften der lieben Vierbeiner sind in diesem Weiß deutlich zu erkennen. Nun kann ich auch meine Füße wieder sehen. Stiefel und Spikes sind über und über schneebedeckt. In feinsten Körnern zieht er sich bis in die winzigen Zwischenräume der Schnürbänder und Stiefelzunge.

      Der Trampelpfad endet in der Nähe einer kleinen Wohnsiedlung. Sie besteht ausschließlich aus bunten Holzhäusern. Durch die Wohnsiedlung führt eine schmale Straße. Diese ist geräumt und dennoch von circa zwanzig bis dreißig Zentimeter dickem Eis bedeckt. Auf dem Eis liegt schwarzer Kiesel. Streugut. Mit Salz halten die Finnen sich gar nicht erst auf. Logisch. Was soll Salz bei solchen Temperaturen schon ausrichten? Ich muss lachen. In Deutschland wäre längst Katastrophenalarm ausgerufen worden. Hier in Finnland sieht man das gelassener.

      Ich folge dem Straßenverlauf. Holzhaus reiht sich an Holzhaus. Ein jedes hat einen festen Unterbau aus Stein. Nur zu erkennen, weil die jeweiligen Hausbesitzer die Schneemassen an einigen Stellen etwas zur Seite geschaufelt haben. Erst über dem Steinpodest beginnt die Holzbauweise. Klug konstruiert. In der Regel haben diese Holzhäuser ein bis zwei Stockwerke.

      Ein Wagen biegt in die Straße ein. Ein alter Volvo. Das Auto wird am Straßenrand geparkt, der Fahrer steigt aus. Ein Mann, circa Anfang fünfzig, kommt auf mich zu.

      „Hyvää“, spricht er mich an.

      „Hyvää paivää“, antworte ich.

      Er lächelt mir freundlich zu und streckt mir seine Hand entgegen.

      Einen Moment lang bin ich irritiert, doch schließlich schütteln wir einander die Hände.

      Dann sagt er drei Sätze, von denen ich keinen einzigen verstehe. Abwartend schaut er mich an. Mit meinen Händen mache ich eine Geste, die ihm zu verstehen geben soll, dass ich etwas Zeit für den nächsten Satz brauche. Sein Lächeln wird zu einem sympathischen Schmunzeln. Er wartet. Ich räuspere mich.

      „Minä olen Lenja“, beginne ich ihm zu erklären. „Puhun vain vähän suomea.“

      „Saksasta?“

      „Kyllä. Saksasta. Niin on.“

      „Speak English?“

      „Yes.“

      „I speak German... but... just a little bit. Perhaps my English... maybe better. Are you searching for sight­seeings? Where is your car? Out of order? Do you need help?“

      „No car. Kiitos. I'm just walking.“

      „Walking?“

      „Yes.“

      „But it's cold! Cold outside! How long are you walking?“

      „Well... Let me think. I started after brunch. Maybe since two or three hours? I don't know exactly. But that doesn't matter. No problem at all. Kiitos. If I need a break I'll visit a restaurant in Vanha Rauma.“

      „Three hours? You are walking since two or three hours?“