Früh Morgens kam der König und die Königin, die alte Hofdame und alle Offiziere, um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war.
»Da ist es!« sagte der König, als er die erste Thür mit einem Kreuz daran erblickte.
»Nein, dort ist es, mein lieber Mann!« sagte die Königin, als sie die zweite Thür ebenfalls mit einem Kreuze sah.
»Aber da ist eins und dort ist eins!« sagten Alle; wohin sie blickten, war ein Kreuz an den Thüren. Da begriffen sie denn wohl, daß ihnen das Suchen nichts helfen würde.
Aber die Königin war eine äußerst kluge Frau, die mehr konnte, als in einer Kutsche fahren. Sie nahm ihre große goldene Scheere, schnitt ein Stück Seidenzeug in Stücke, und nähete daraus einen kleinen niedlichen Beutel; den füllte sie mit seiner Buchweizengrütze, band ihn der Prinzessin auf den Rücken, und als das gethan war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, sodaß die Grütze den ganzen Weg bestreuen mußte, den die Prinzessin nahm.
In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf den Rücken und lief mit ihr zum Soldaten hin, der sie sehr lieb hatte und gern ein Prinz hätte sein mögen, um sie zur Frau bekommen zu können.
Der Hund merkte durchaus nicht, wie die Grütze gerade vom Schlosse bis zu dem Fenster des Soldaten, wo er die Mauer mit der Prinzessin hinauflief, sich ausstreute. Am Morgen sah der König und die Königin nun wohl, wo ihre Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten und setzten ihn ins Gefängniß.
Da saß er nun. Hu, wie dunkel und langweilig war es dort! Und sie sagten ihm: »Morgen wirst Du gehängt werden.« Das zu hören war eben nicht belustigend, und sein Feuerzeug hatte er im Gasthofe gelassen. Am Morgen konnte er durch das Eisengitter vor dem kleinen Fenster sehen, wie sich das Volk beeilte, aus der Stadt zu kommen, um ihn hängen zu sehen. Er hörte die Trommeln und sah die Soldaten marschiren. Alle Menschen liefen hinaus; darunter war auch ein Schuhmacherjunge mit Schurzfell und Pantoffeln; der lief so im Galopp, daß ihm ein Pantoffel von einem Fuße ab- und gerade gegen die Mauer anflog, wo der Soldat saß und durch das Eisengitter hinausguckte.
»Ei, Du Schuhmacherjunge! Du brauchst nicht solche Eile zu haben!« sagte der Soldat zu ihm. »Es geht doch nicht an, bevor ich da bin! Aber willst Du hinlaufen, wo ich gewohnt habe, und mir mein Feuerzeug holen, so will ich Dir vier Schillinge geben. Aber Du mußt die Beine in die Hand nehmen!« Der Schuhmacherjunge wollte gern die vier Schillinge verdienen und holte das Feuerzeug, gab es dem Soldaten, und – ja, nun wir werden hören!
Außerhalb der Stadt war ein großer Galgen gebaut, rings herum standen die Soldaten und viele hunderttausend Menschen. Der König und die Königin saßen auf einem prächtigen Throne den Richtern und dem ganzen Rathe gegenüber.
Der Soldat stand schon oben auf der Leiter; aber als sie ihm den Strick um den Hals legen wollten, sagte er, daß man ja immer einem armen Sünder, bevor er seine Strafe erleide, die Erfüllung eines unschuldigen Wunsches gewähre. Er möchte so gern eine Pfeife Tabak rauchen; es wäre ja die letzte Pfeife in dieser Welt.
Das wollte der König ihm denn auch nicht verwehren, und so nahm der Soldat sein Feuerzeug und schlug Feuer an, eins, zwei, drei. Und siehe da standen plötzlich alle drei Hunde; der mit den Augen, so groß wie Theetassen, der mit den Augen, so groß wie Mühlräder und der, dem jedes Auge so groß wie ein Thurm war.
»Helft mir nun, daß ich nicht gehängt werde!« sagte der Soldat. Und da fielen die Hunde über den Richter und den ganzen Rath her, nahmen den Einen bei den Beinen und den Andern bei der Nase und warfen sie viele Klafter hoch in die Luft, sodaß sie niederfielen und in lauter Stücke zersprangen.
»Ich will nicht!« sagte der König, aber der größte Hund nahm sowohl ihn, wie die Königin und warf sie den Andern nach; da erschraken die Soldaten und alles Volk rief: »Guter Soldat, Du sollst unser König sein und die schöne Prinzessin haben!«
Dann setzten sie den Soldaten in des Königs Kutsche, und die drei, Hunde tanzten voran und riefen: »Hurrah!« Und Knaben pfiffen auf den Fingern und die Soldaten präsentirten das Gewehr. Die Prinzessin kam aus dem kupfernen Schlosse und wurde Königin, und das gefiel ihr wohl! Die Hochzeit währte acht Tage und die Hunde saßen mit bei Tische und machten große Augen.
Ein Herzeleid.
Diese Geschichte besteht eigentlich aus zwei Theilen; der erste Theil könnte zwar wegfallen, – aber er giebt uns einige Vorkenntnisse, und die sind nützlich!
Wir halten uns auf dem Lande, auf einem Herrenhause auf, wo es sich ereignet hatte, daß die Herrschaft auf einige Tage verreist war. Während dessen kam aus dem nächsten Städtchen eine Madame an; sie führte einen Mops bei sich, und kam, wie sie sagte, damit man Actien auf ihre Gerberei nehmen möge. Sie hatte ihre Papiere mit, und wir riethen ihr, um dieselben ein Couvert zu legen und auf dieses die Adresse des Gutsbesitzers »Herrn Generalkiegscommissarius, Ritter etc.« zu schreiben.
Sie hörte uns aufmerksam zu, ergriff die Feder, hielt wieder inne, und bat uns, wir möchten die Aufschrift wiederholen, aber langsam. Wir thaten es und sie schrieb; allein inmitten des »Generalkriegs ...« blieb sie stecken, seufzte tief auf und sagte: »ich bin nur ein Frauenzimmer!« – Ihr »Moppelchen« hatte sich, während sie schrieb, auf den Fußboden gesetzt und knurrte, war doch der Hund auch seines Vergnügens und seiner Gesundheit wegen mitgereist, und dann soll Einem nicht der Fußboden angetragen werden. Stumpfnase und Speckbuckel waren seine äußere Erscheinung.
»Er beißt nicht!« sagte die Dame, »er hat keine Zähne. Er ist gleichsam ein Mitglied der Familie, treu und knurrig, allein dazu haben ihn meine Enkel gereizt; sie spielen Hochzeit, und ihm wollen sie die Rolle der Brautjungfer geben, und das strengt ihn zu sehr an, das alte Fell!«
Und sie gab ihre Papiere ab und nahm das Moppelchen auf den Arm. – Dies ist der erste Theil, – dessen man füglich hätte entbehren können!
»Das Moppelchen starb!« das ist der zweite Theil.
Es war ungefähr eine Woche später; wir kamen in der Stadt an und kehrten im Gasthofe ein. Unsere Fenster führten auf den Hofraum, der durch eine Bretterwand in zwei Theile gesondert war; in deren einen Hälfte hingen Fälle und Häute, rohe und gegerbte. Hier befanden sich alle Materialien einer Gerberei, und dieselbe gehörte der Witwe. – Moppelchen war an diesem Morgen gestorben und in diesem Theile des Hofraumes begraben worden; die Enkel der Witwe, das heißt, die der Gerberwitwe, denn Moppelchen war nie verheirathet, deckten das Grab zu, und es war ein schönes Grab, es mußte ein wahres Vergnügen sein, darin zu liegen.
Das Grab war mit Topfscherben eingezäunt und mit Sand bestreut; ganz oben hatten sie eine halbe Bierflasche hingepflanzt, den Hals derselben nach oben gekehrt, und das war durchaus nicht allegorisch.
Die Kinder tanzten um das Grab herum, und der älteste der Knaben unter ihnen, ein praktischer Junge von sieben Jahren, machte den Vorschlag, daß eine Ausstellung der Moppelchen-Grabstätte stattfinden solle, und zwar für Alle aus dem Gäßchen; der Eintritt solle mit einem Hosenknopfe bezahlt werden, einen solchen besäße jeder Knabe, und jeder könne gleichfalls einen für ein kleines Mädchen hergeben; dieser Vorschlag wurde einstimmig genehmigt.
Alle Kinder aus dem Gäßchen, ja selbst aus dem Hintergäßchen strömten herbei, und jedes gab einen Knopf; gar Viele gingen an diesem Nachmittage nur mit einem Hosenträger umher, aber dafür hatte man das Grab des Moppelchen gesehen, und der Anblick war viel mehr werth.
Doch draußen vor dem Gerberhofe, dicht neben dem Eingange, stand ein kleines in Lumpen gekleidetes Mädchen, gar schön von Gestalt, mit gelocktem Haar und mit Augen, blau und klar, daß es eine Lust war; es sprach kein Wort, es weinte auch nicht, aber jedesmal, wenn das Pförtchen sich öffnete, warf es einen langen, langen Blick in den Hof. Es hatte keinen Knopf, das wußte es wohl, und deshalb blieb es traurig draußen stehen, bis alle die Anderen das Grab gesehen und sich wieder entfernt hatten; alsdann setzte es sich nieder, hielt die kleinen