»Das kann ich nicht aushalten!« sagte sie. »Ich muß aus dem Schubkasten heraus!« Aber als sie auf dem Fußboden anlangten und nach dem Tische hinaufblickten: da war der alte Chinese erwacht und schüttelte den ganzen Körper; unten war er ja ein Klumpen!
»Nun kommt der alte Chinese!« schrie die kleine Hirtin und fiel auf ihre Porzellankniee nieder: so betrübt war sie.
»Es fällt mir etwas ein!« sagte der Schornsteinfeger. »Wollen wir in die große Potpourrivase, die in der Ecke steht, kriechen? Da können wir auf Rosen und Lavendel liegen und ihm Salz in die Augen werfen, wenn er kommt.«
»Das kann nichts nützen!« sagte sie. »Ueberdies weiß ich, daß der alte Chinese und die Potpourrivase mit einander verlobt gewesen sind, und es bleibt immer etwas Wohlwollen zurück, wenn man in solchen Verhältnissen gestanden hat. Nein, es bleibt nichts übrig, als in die weite Welt hinauszugehen!«
»Hast du wirklich Muth, mit mir in die weite Welt hinauszugehen?« fragte der Schornsteinfeger. »Hast Du bedacht, wie groß die ist, und daß wir nie mehr Hieher zurückkommen können?«
»Das habe ich!« sagte sie.
Und der Schornsteinfeger sah sie fest an und dann sagte er: »Mein Weg geht durch den Schornstein! Hast Du wirklich Muth, mit mir durch den Ofen, sowohl durch den eisernen Kasten als durch die Rohre zu kriechen? Dann kommen wir hinaus in den Schornstein, und da verstehe ich mich zu tummeln! Wir steigen so hoch, daß sie uns nicht erreichen können, und ganz oben geht ein Loch in die weite Welt hinaus!«
Und er führte sie zu der Ofenthüre hin.
»Da sieht es schwarz aus!« sagte sie, aber sie ging doch mit ihm, sowohl durch den Kasten wie durch die Rohre, wo die pechfinstere Nacht herrschte.
»Nun sind wir im Schornsteine!« sagte er. »Und sieh! sieh! dort oben scheint der herrlichste Stern!«
Und es war ein wirklicher Stern am Himmel, der gerade zu ihnen herab schien, als wollte er ihnen den Weg zeigen. Und sie kletterten und krochen; ein gräulicher Weg war es, unendlich hoch; aber er hob sie und half ihr; er hielt sie und zeigte ihr die besten Stellen, wo sie ihre kleinen Porzellanfüße hinsetzen könne; und so erreichten sie den Schornsteinrand und auf den setzten sie sich; denn sie waren sehr ermüdet, und das konnten sie auch wohl sein.
Der Himmel mit allen seinen Sternen war hoch über und alle Dächer der Stadt tief unter ihnen. Sie sahen weit umher, weit, weit hinaus in die Welt. Die arme Hirtin hatte es sich nie so gedacht; sie lehnte sich mit ihrem kleinen Kopfe an ihren Schornsteinfeger und dann weinte sie, daß das Gold von ihrem Leibgürtel absprang.
»Das ist allzuviel!« sagte sie. »Das kann ich nicht ertragen! Die Welt ist allzugroß! Wäre ich doch wieder auf dem Tische unter dem Spiegel! Ich werde nie froh, ehe ich wieder dort bin! Nun bin ich Dir in die Welt hinaus gefolgt, nun kannst Du mich auch wieder zurückbegleiten, wenn Du mich wirklich lieb hast.«
Und der Schornsteinfeger sprach vernünftig mit ihr, sprach von dem alten Chinesen und vom Ziegenbocksbein-Oberuntergeneralkriegscommandandirsergeanten; aber sie schluchzte gewaltig und küßte ihren kleinen Schornsteinfeger, so daß er nicht anders konnte, als sich ihr fügen, obgleich es thöricht war.
Und so kletterten sie mit vielen Beschwerden den Schornstein wieder hinunter und krochen durch die Rohre und den Kasten: das war nichts Schönes! Dann standen sie in dem dunklen Ofen; da horchten sie hinter der Thüre, um zu erfahren, wie es in der Stube aussehe. Dort war es ganz still; sie sahen hinein – ach, da lag der alte Chinese mitten auf dem Fußboden. Er war vom Tische heruntergefallen, als er hinter ihnen her wollte, und lag nun in drei Stücke zerschlagen: der ganze Rücken war in einem Stücke abgegangen und der Kopf war in eine Ecke gerollt. Der Ziegenbocksbein-Oberunduntergeneralkriegscommandirsergeant stand, wo er immer gestanden hatte und dachte nach.
»Das ist gräßlich!« sagte die kleine Hirtin. »Der alte Großvater ist in Stücke zersprungen, und wir sind Schuld daran! Das werde ich nicht überleben!« Und dann rang sie ihre kleinen Hände.
»Er kann noch genietet werden!« sagte der Schornsteinfeger. »Er kann noch genietet werden! – Sei nur nicht so heftig: Wenn sie ihn im Rücken kitten und ihm eine gute Niete im Nacken geben, so wird er so gut wie neu sein und kann uns noch manches Unangenehme sagen!«
»Glaubst Du?« sagte sie. Und dann krochen sie wieder auf den Tisch hinauf, wo sie früher gestanden hatten.
»Sieh, so weit kamen wir!« sagte der Schornsteinfeger. »Da hätten wir uns alle die Mühe ersparen können!«
»Hätten wir nur erst den alten Großvater wieder genietet!« sagte die Hirtin. »Ob das sehr theuer ist?«
Und genietet wurde er. Die Familie ließ ihn im Rücken kitten; er bekam eine gute Niete durch den Hals; er war so gut wie neu: aber nicken konnte er nicht mehr.
»Sie sind wohl hochmüthig geworden, seitdem sie in Stücke zersprungen sind?« sagte der Ziegenbocksbein-Oberunduntergeneralkriegscommandirsergeant. »Mir däucht nicht, daß Sie Ursache hätten, so gefährlich zu thun. Soll ich sie haben oder soll ich sie nicht haben?«
Und der Schornsteinfeger und die kleine Hirtin sahen den alten Chinesen gar rührend an; sie fürchteten, er möchte nicken. Aber das konnte er nicht; und es war ihm fatal, einem Fremden zu erzählen, daß er beständig eine Niete im Nacken habe. Und so blieben die Porzellanleute beisammen, und sie segneten des Großvaters Niete und liebten sich, bis sie zerbrachen.
Das Feuerzeug.
Es kam ein Soldat auf der Landstraße daher marschirt: Eins, zwei! Eins, zwei! Er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Kriege gewesen und wollte nun nach Hause.
Da begegnete er einer alten Hexe auf der Landstraße: die war sehr widerlich. Ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust hinab. Sie sagte: »Guten Abend, Soldat! Was hast Du doch für einen schönen Säbel und großen Tornister! Du bist ein wahrer Soldat! Nun sollst Du so viel Geld haben als Du besitzen magst!«
»Ich danke Dir, Du alte Hexe!« sagte der Soldat.
»Siehst Du den großen Baum dort?« sagte die Hexe und zeigte auf einen Baum, der ihnen zur Seite stand. »Er ist inwendig hohl. Von dem mußt Du den Gipfel erklettern, dann erblickst Du ein Loch, durch welches Du Dich hinablassen und tief in den Baum gelangen kannst! Ich werde Dir einen Strick um den Leib binden, damit ich Dich wieder heraufziehen kann, wenn Du mich rufst.«
»Was soll ich denn da unten im Baume?« fragte der Soldat.
»Geld holen!« sagte die Hexe. »Wisse, wenn Du auf den Boden unter dem Baume kommst, so bist Du in einer großen Halle; da ist es hell, denn da brennen über dreihundert Lampen. Dann erblickst Du drei Thüren; Du kannst sie öffnen, der Schlüssel steckt daran. Gehst Du in die erste Kammer hinein, so siehst Du mitten auf dem Fußboden eine große Kiste; auf derselben sitzt ein Hund; er hat Augen so groß wie ein Paar Theetassen. Doch daran brauchst Du Dich nicht zu kehren! Ich gebe Dir meine blaucarrirte Schürze, die kannst Du auf dem Fußboden ausbreiten; geh dann rasch hin und nimm den Hund, setze ihn auf meine Schürze, öffne die Kiste, und nimm so viele Schillinge als Du willst. Sie sind von Kupfer. Willst Du lieber Silber haben, so mußt Du in das nächste Zimmer hineingehen. Aber da sitzt ein Hund, der hat Augen so groß wie Mühlräder. Doch das laß Dich nicht kümmern! Setze ihn auf meine Schürze und nimm von dem Gelde! Willst Du hingegen Gold haben, so kannst Du es auch bekommen, und zwar so viel als Du tragen magst, wenn Du in die dritte Kammer hineingehst. Aber der Hund, welcher dort auf dem Geldkasten sitzt, hat zwei Augen, jedes so groß wie ein Thurm. Glaube mir, es ist ein böser Hund! Aber deshalb fürchte Dich nur nicht! Setze ihn nur auf meine Schürze, so thut er Dir nichts, und nimm aus der Kiste so viel Gold als Du willst!«
»Das ist so übel nicht!« sagte der Soldat. »Aber was