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lief hin, den neuen Kaiser zu begrüßen. Die Kammerdiener liefen hinaus, um darüber zu schwatzen, und die Kammermädchen hatten große Kaffeegesellschaft. Rings umher in alle Säle und Gänge war Tuch gelegt, damit man keinen Fußtritt vernehme, und deshalb war es da still, ganz still! Aber der Kaiser war noch nicht todt; steif und bleich lag er in dem prächtigen Bette mit den langen Sammetgardinen und den schweren Goldquasten; hoch oben stand ein Fenster offen, und der Mond schien herein auf den Kaiser und den Kunstvogel.

      Der arme Kaiser konnte kaum athmen; es war, als ob Etwas auf seiner Brust säße; er schlug die Augen auf, und da sah er, daß es der Tod sei, der auf seiner Brust saß und sich seine goldene Krone aufgesetzt hatte und in der einen Hand des Kaisers goldenen Säbel, in der andern seine prächtige Fahne hielt. Und rings umher aus den Falten der großen, sammtnen Bettgardinen sahen wunderbare Köpfe hervor: einige häßlich, andere lieblich und mild. Das waren alle des Kaisers böse und gute Thaten, welche ihn anblickten, jetzt da der Tod ihm auf dem Herzen saß.

      »Entsinnest Du Dich dieses?« flüsterte Einer nach dem Andern. »Erinnerst Du Dich dessen?« Und dann erzählten sie ihm so viel, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann.

      »Das habe ich nicht gewußt!« sagte der Kaiser. »Musik! Musik! die große chinesische Trommel!« rief er; »damit ich nicht Alles zu hören brauche, was sie sagen!«

      Und sie fuhren fort, und der Tod nickte wie ein Chinese zu Allem, was gesagt wurde.

      »Musik, Musik!« schrie der Kaiser. »Du kleiner herrlicher Goldvogel! Singe doch, singe! Ich habe Dir ja Gold und Kostbarkeiten gegeben; ich habe Dir selbst meinen goldenen Pantoffel um den Hals gehängt: singe doch, singe!«

      Der Vogel aber stand still; es war Niemand da, ihn aufzuziehen, und sonst sang er nicht; aber der Tod fuhr fort, den Kaiser mit seinen großen, hohlen Augen anzustarren; und still war es, schrecklich still!

      Da klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang: es war die kleine, lebende Nachtigall, welche auf einem Zweige draußen saß. Sie hatte von der Noth ihres Kaisers gehört und war deshalb gekommen, ihm Trost und Hoffnung zu singen. Und wie sie sang, wurden die Gespenster immer bleicher und bleicher; das Blut kam immer rascher und rascher in des Kaisers schwachen Gliedern in Bewegung, und selbst der Tod horchte und sagte: »Fahre fort, kleine Nachtigall! fahre fort!«

      »Ja, willst Du mir den prächtigen goldenen Säbel geben? Willst Du mir die reiche Fahne geben? Willst Du mir des Kaisers Krone geben?«

      Und der Tod gab jedes Kleinod für einen Gesang; und die Nachtigall fuhr noch fort zu singen; sie sang von dem stillen Gottesacker, wo die weißen Rosen wachsen, wo der Flieder duftet, und wo das frische Gras von den Thränen der Ueberlebenden befeuchtet wird. Da bekam der Tod Sehnsucht nach seinem Garten und schwebte, wie ein kalter, weißer Nebel, aus dem Fenster.

      »Dank, Dank!« sagte der Kaiser. »Du himmlischer, kleiner Vogel! Ich kenne Dich wohl! Dich habe ich aus meinem Lande und Reiche gejagt! Und doch hast Du die bösen Gesichter von meinem Bette weggesungen, den Tod von meinem Herzen weggeschafft! Wie kann ich Dir lohnen?«

      »Du hast mich belohnt!« sagte die Nachtigall. »Ich habe Deinen Augen Thränen entlockt, als ich das erste Mal sang: das vergesse ich nie! Das sind Juwelen, die ein Sängerherz erfreuen! – Aber schlafe nun und werde wieder frisch und stark! Ich werde Dir etwas vorsingen!«

      Und sie sang – und der Kaiser fiel in einen süßen Schlummer. Ach! wie mild und wohlthuend war der Schlaf!

      Die Sonne schien durch die Fenster zu ihm herein, als er gestärkt und gesund erwachte. Keiner von seinen Dienern war noch zurückgekehrt, denn sie glaubten, er sei todt; nur die Nachtigall saß noch bei ihm und sang.

      »Immer mußt Du bei mir bleiben!« sagte der Kaiser. »Du sollst nun singen, wenn Du selbst willst, und den Kunstvogel schlage ich in tausend Stücke.«

      »Thue das nicht!« sagte die Nachtigall. »Der hat ja Gutes gethan, so lange er konnte! Behalte ihn, wie bisher! Ich kann im Schlosse nicht mein Nest bauen und bewohnen; aber laß mich kommen, wenn ich selbst Lust habe: da will ich des Abends auf dem Zweige dort beim Fenster sitzen und Dir etwas vorsingen, damit Du froh werden kannst und gedankenvoll zugleich! Ich werde von den Glücklichen singen, und von Denen, die da leiden! Ich werde vom Bösen und vom Guten singen, was rings um Dich her verborgen bleibt! Der kleine Singvogel fliegt weit umher, zu dem armen Fischer, zu des Landmanns Dach, zu Jedem, der weit von Dir und Deinem Hofe entfernt ist! Ich liebe Dein Herz mehr als Deine Krone, und doch hat die Krone einen Duft von etwas Heiligthum um sich! – Ich komme, ich singe Dir etwas vor! – Aber Eins mußt Du mir versprechen.« –

      – »Alles!« sagte der Kaiser und stand da in seiner kaiserlichen Tracht, die er selbst angelegt hatte, und drückte den Säbel, welcher schwer von Gold war, an sein Herz.

      »Um Eins bitte ich Dich! Erzähle Niemand, daß Du einen kleinen Vogel hast, der Dir Alles sagt; dann wird es noch besser gehen!«

      Da flog die Nachtigall fort.

      Die Diener kamen herein, um nach ihrem todten Kaiser zu sehen – – ja, da standen sie, und der Kaiser sagte: »Guten Morgen!«

      Es war im Maimonat, der Wind blies noch kalt; aber »der Frühling ist da«, sagten Büsche und Bäume, Feld und Flur; es wimmelte von Blumen bis in die lebendigen Hecken hinauf; und dort führte der Frühling selbst seine Sache, er predigte von einem kleinen Apfelbaume herab, dort hing ein einziger Zweig, frisch und blühend, mit feinen, rosenrothen Knospen überstreut, welche im Begriff waren, sich zu öffnen; er wußte recht wohl, wie schön es sei, denn es liegt im Blatte sowohl wie im Blute; deshalb überraschte es ihn auch nicht, als ein herrschaftlicher Wagen vor ihm anhielt, und die junge Gräfin sagte, daß ein Apfelzweig das lieblichste sei, das man sehen könne: er sei der Frühling selbst in seiner herrlichsten Offenbarung. Der Zweig wurde abgebrochen, sie nahm ihn in ihre feine Hand, und beschattete ihn mit ihrem seidenen Sonnenschirme, – dann fuhren sie nach dem Schlosse, wo sich hohe Säle und prächtige Zimmer befanden; klare, weiße Gardinen flatterten vor den offenen Fenstern und herrliche Blumen standen in glänzenden, durchsichtigen Vasen, und in eine derselben, die wie aus frischgefallenem Schnee geschnitten war, wurde der Apfelzweig zwischen frische, lichte Buchenzweige gesteckt; es war eine Lust ihn zu sehen.

      Da wurde der Zweig stolz und das ist ja menschlich!

      Es kamen verschiedenartige Leute durch die Zimmer, und je nachdem sie etwas galten, durften sie ihre Bewunderung aussprechen. Einige sagten nichts, andere wiederum zu viel, und der Apfelzweig verstand es, daß ein Unterschied zwischen den Gewächsen sei. »Einige sind zum Staate und einige zum Ernähren da; es giebt auch solche, die man ganz entbehren könnte,« meinte der Apfelzweig, und da er gerade vor dem offenen Fenster stand, von wo aus er in den Garten und auf das Feld sehen konnte, so hatte er Blumen und Gewächse genug, um sie zu betrachten und darüber nachzudenken; dort standen reiche und arme, einige gar zu ärmliche.

      »Arme verstoßene Kräuter!« sagte der Apfelzweig, »ein Unterschied ist freilich da! wie unglücklich müssen sie sich suhlen, wenn die Art so fühlen kann wie ich und meines Gleichen; freilich ist ein Unterschied da, aber der muß auch gemacht werden, sonst wären sie ja Alle gleich!«

      Und der Apfelzweig sah mit gewissem Mitleid besonders auf eine Art von Blumen, welche sich in Menge auf Feldern und in Gräben vorfanden; Keiner Band sie zum Strauße; sie waren gar zu gewöhnlich, ja, man konnte sie selbst zwischen den Steinpflaster finden. Sie schossen wie das ärgste Unkraut hervor, und hatten den häßlichen Namen: Hundsblumen.

      »Armes, verachtetes Gewächs!« sagte der Apfelzweig, »Du kannst nichts dafür, daß Du den häßlichen Namen erhieltest, welchen Du führst. Aber mit den Gewächsen ist es wie mit den Menschen, ein Unterschied muß sein!«

      »Unterschied!« sagte der Sonnenstrahl und küßte den blühenden Apfelzweig, küßte aber auch die gelben Hundsblumen draußen auf dem Felde, alle Brüder des Sonnenstrahls küßten sie, die armen Blumen sowohl wie die reichen.

      Der Apfelzweig hatte niemals über Gottes unendliche Liebe gegen Alles, was da lebt und sich in ihm bewegt,