Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Christian Andersen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783746750194
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      »Da oben kann ich liegen!« dachte der kleine Klaus, als er das Dach erblickte; »das ist ja ein herrliches Bett. Der Storch fliegt wohl nicht herunter und beißt mich in die Beine.« Denn es stand ein lebendiger Storch oben auf dem Dache, wo er sein Nest hatte.

      Nun kroch der kleine Klaus oben auf den Schuppen, wo er lag und sich drehte, um sich recht bequem zu betten. Die hölzernen Laden vor den Fenstern schlossen oben nicht zu, und so konnte er gerade in die Stube hineinblicken.

      Da war ein großer Tisch gedeckt mit Wein und Braten und einem herrlichen Fische darauf; die Bauersfrau und der Küster saßen bei Tische, sonst aber Niemand; sie schenkte ihm ein, und er gabelte in den Fisch, denn das war sein Leibgericht.

      »Wer doch auch Etwas davon bekommen könnte!« dachte der kleine Klaus, und streckte den Kopf gegen das Fenster hin, Gott, welchen herrlichen Kuchen sah er drinnen stehen! Ja, das war ein Fest!

      Nun hörte er Jemand von der Landstraße her gegen das Haus geritten kommen; das war der Mann der Bauersfrau, der nach Hause kam.

      Er war ein sehr guter Mann, aber er hatte die wunderliche Eigenheit, daß er nie vertragen konnte, einen Küster zu sehen; kam ihm ein Küster vor die Augen, so wurde er ganz rasend. Darin lag auch der Grund, daß der Küster zu seiner Frau hineingegangen war, um ihr guten Tag zu sagen, weil er wußte, daß der Mann nicht zu Hause sei; und die gute Frau setzte ihm deshalb das herrlichste Essen vor, was sie hatte. Als sie aber den Mann kommen hörten, erschraken sie, und die Frau bat den Küster, in eine große leere Kiste zu kriechen. Das that er, denn er wußte ja, daß der arme Mann es nicht vertragen konnte, einen Küster zu sehen. Die Frau verbarg eilends all' das herrliche Essen und den Wein in ihrem Backofen, denn hätte der Mann das zu sehen bekommen, so hätte er sicher gefragt, was es zu bedeuten habe.

      »Ach ja!« seufzte der kleine Klaus oben auf seinem Schuppen, als er das Essen verschwinden sah.

      »Ist Jemand dort oben?« fragte der Bauer und sah nach dem kleinen Klaus hinauf. »Weshalb liegst Du dort? Komm lieber mit in die Stube.«

      Nun erzählte der kleine Klaus, wie er sich verirrt habe, und bat, daß er die Nacht hier bleiben dürfe.

      »Ja freilich!« sagte der Bauer; »aber wir müssen zuerst Etwas zu leben haben!«

      Die Frau empfing Beide sehr freundlich, deckte einen langen Tisch und gab ihnen eine große Schüssel Grütze. Der Bauer war hungrig und aß mit rechtem Appetit, aber der kleine Klaus konnte nicht unterlassen, an den herrlichen Braten, Fisch und Kuchen, welche er im Ofen wußte, zu denken.

      Unter den Tisch, zu seinen Füßen, hatte er den Sack mit der Pferdehaut darin gelegt, denn wir wissen ja, daß er ihrethalben ausgegangen war, um sie in der Stadt zu verkaufen. Die Grütze wollte ihm nicht schmecken, darum trat er auf seinen Sack, und die trockene Haut im Sacke knarrte laut.

      »St!« sagte der kleine Klaus zu seinem Sacke, trat aber zu gleicher Zeit wieder darauf; da knarrte es lauter, als zuvor.

      »Ei, was hast Du denn in Deinem Sacke?« fragte der Bauer nun.

      »O, das ist ein Zauberer!« sagte der kleine Klaus. »Er sagt, wir sollten keine Grütze essen, denn er habe den ganzen Ofen voll von Braten, Fischen und Kuchen gehext.«

      »Potztausend!« sagte der Bauer und machte schnell den Ofen auf, wo er all' die prächtigen, leckern Speisen erblickte, welche die Frau dort verborgen hatte, aber die, wie er nun glaubte, der Zauberer im Sacke für sie gehext habe. Die Frau durfte nichts sagen, sondern setzte sogleich die Speisen auf den Tisch, und so aßen Beide vom Fische, vom Braten und von dem Kuchen. Nun trat der kleine Klaus wieder auf seinen Sack, daß die Haut knarrte.

      »Was sagt er jetzt?« fragte der Bauer.

      »Er sagt,« erwiderte der kleine Klaus, »daß er auch drei Flaschen Wein für uns gehext habe; sie ständen dort in der Ecke beim Ofen!« Nun mußte die Frau den Wein herholen, den sie verborgen hatte, und der Bauer trank und wurde sehr lustig! Einen solchen Zauberer, wie der kleine Klaus im Sacke hatte, hätte er doch gar zu gern gehabt.

      »Kann er auch den Teufel hervorhexen?« fragte der Bauer; »ich möchte ihn wohl sehen, denn nun bin ich lustig!«

      »Ja,« sagte der kleine Klaus, »mein Zauberer kann Alles, was ich verlange. Nicht wahr?« fragte er und trat auf den Sack, daß es knarrte. »Hörst Du? er sagt: Ja! Aber der Teufel sieht sehr häßlich aus; wir wollen ihn lieber nicht sehen!«

      »O, mir ist gar nicht bange. Wie mag er wohl aussehen?«

      »Er wird sich leibhaftig als ein Küster zeigen!«

      »Hu!« sagte der Bauer, »das ist häßlich! Ihr müßt wissen, ich kann nicht vertragen, einen Küster zu sehen! Aber es thut Nichts; ich weiß ja, daß es der Teufel ist; so werde ich mich wohl leicht drein finden! Nun habe ich Muth! Allein er darf mir nicht zu nahe kommen.«

      »Nun werde ich meinen Zauberer fragen,« sagte der kleine Klaus, trat auf den Sack und hielt sein Ohr hin.

      »Was sagt er?«

      »Er sagt, Ihr könnt die Kiste aufmachen, die dort in der Ecke steht: so werdet Ihr den Teufel sehen, wie er drin kauert; aber Ihr müßt den Deckel halten, daß er nicht entwischt.«

      »Wollt Ihr mir helfen, ihn zu halten?« bat der Bauer und ging zu der Kiste hin, wo die Frau den wirklichen Küster verborgen hatte, der drin saß und sich sehr fürchtete.

      Der Bauer öffnete den Deckel ein wenig und sah unter denselben hinein. »Hu!« schrie er und sprang zurück. »Ja, nun habe ich ihn gesehen; er sah ganz aus, wie unser Küster. Nein, das war schrecklich.«

      Darauf mußte getrunken werden, und so tranken sie denn noch bis in die tiefe Nacht hinein.

      »Den Zauberer mußt Du mir verkaufen,« sagte der Bauer. »Verlange dafür Alles, was Du willst! Ja ich gebe Dir gleich ein ganzes Scheffelmaß voll Geld!«

      »Nein, das kann ich nicht,« sagte der kleine Klaus. »Bedenke doch, wie vielen Nutzen kann ich nicht von diesem Zauberer haben!«

      »Ach, ich möchte ihn so gern haben!« sagte der Bauer und fuhr fort zu bitten.

      »Ja,« sagte der kleine Klaus zuletzt: »da Du so gut gewesen bist, mir diese Nacht Obdach zu gewähren, so mag es darum sein. Du sollst den Zauberer für einen Scheffel voll Geld haben; aber ich will den Scheffel gehäuft voll haben.«

      »Das sollst Du bekommen,« sagte der Bauer. »Aber die Kiste dort mußt Du mit Dir nehmen; ich will sie nicht eine Stunde im Hause behalten; man kann nicht wissen: vielleicht sitzt er noch drin.«

      Der kleine Klaus gab dem Bauer seinen Sack mit der trocknen Haut, und bekam ein Scheffelmaß voll Geld, und das gehäuft gemessen, dafür. Der Bauer schenkte ihm sogar noch einen Karren, um das Geld und die Kiste darauf fortzufahren.

      »Lebe wohl!« sagte der kleine Klaus, und fuhr mit seinem Gelde und der großen Kiste, worin noch der Küster saß, davon.

      Auf der andern Seite des Waldes war ein großer, tiefer Fluß; das Wasser floß so reißend, daß man kaum gegen den Strom schwimmen konnte; man hatte eine große neue Brücke darüber geschlagen; der kleine Klaus hielt mitten auf derselben an, und sagte ganz laut, damit der Küster in der Kiste es hören könne:

      »Nein, was soll ich doch mit der dummen Kiste machen? Sie ist so schwer, als ob Steine drin wären! Ich werde nur müde davon, sie weiter zu fahren; ich will sie in den Fluß werfen; schwimmt sie zu mir nach Hause, so ist es gut, und thut sie es nicht, so macht es auch nichts.«

      Nun faßte er die Kiste mit der einen Hand an und hob sie ein wenig auf, als ob er sie in das Wasser werfen wollte.

      »Nein, laß das sein!« rief der Küster in der Kiste. »Laß mich erst hinaus!«

      »Hu,« sagte der kleine Klaus und that, als fürchte er sich. »Er sitzt noch drin! Da muß ich ihn geschwind in den Fluß werfen, damit er ertrinkt!«

      »O nein, nein!« rief der Küster. »Ich will Dir einen ganzen Scheffel voll Geld geben,