Tödliche Habsucht. Martin J. Fredrikson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin J. Fredrikson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035087
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war, wurde er sowohl von Jarl Harald als auch vom Goden gerne zu Botendiensten eingesetzt. Vermutlich hatte Teit ihn auch diesmal erwählt.

      Voller Energie und mit kurzen, flinken Schritten kam Ari herangetrabt, wobei sein schulterlanges, hellbraunes Haar wie ein kleiner Umhang flatterte.

      Asleif amüsierte sich über den schelmischen Ausdruck, der wie üblich auf Aris rundem Gesicht lag und begrüßte ihn: »Hei, Ari, wie ist es denn? Ich muss dich was fragen.«

      »Mor’n, Asleif. Ganz gut so weit«, gab er schmunzelnd zur Antwort, derweil seine klaren, braunen Augen leuchteten. Seine Sprechweise und die Worte, die seinem runden Mund entsprossen, waren für jedermann, der Ari nicht kannte, gewöhnungsbedürftig. »Wat willst’e denn für mich?«

      »Ari, warst du heute Morgen im Auftrag des Goden unterwegs, des Goden?«

      »Dat will ick wohl meinen, ja. Ick musste für ihm so’n Silberkasten zu so’n fremdländischen Gesandten bring’n; du weiß’ schon, diesen Kerl, der wo vorgestern Abend auch bei’n Bankett von den Jarl war un’ der immer guckte, als wenn er ’n Elch verschluckt hätte, wie wir uns’re Lieder brüllten.«

      »Genau darum geht es, Ari. Ich hoffe, du hast niemandem davon erzählt, von der Schatulle und deinem Auftrag, meine ich?«

      »Nee, noch keinem nich, warum?«

      »Ari, das ist eine sehr, sehr wichtige Sache! Wir müssen uns darüber mal in Ruhe unterhalten. Lass uns am Besten in meine Schreibstube gehen, meine Schreibstube; da kann uns niemand belauschen.«

      Ari riss verwundert die Augen auf, erwiderte indes nichts, sondern ging bereitwillig mit.

      Außer in die Jarlshalle gelangte man von der Vorhalle des Langhauses aus noch in einige andere Räume. Linker Hand beispielsweise lagen die Kammern von Teit und Asleif.

      Zielstrebig, um sich zu vergewissern, dass der Gode sich zwischenzeitlich nicht wieder eingefunden hatte, steuerte der Schreiber zunächst auf Teits Kammer zu. Er öffnete die Tür und überblickte den Raum im Nu – niemand da! Mithin betrat er umgehend, Ari immer im Schlepptau, seine eigene Kammer, welche gleich rechts daneben lag. Hier schrieb Asleif für Gewöhnlich Briefe oder Verträge des Jarls ins Reine, führte für den Goden Register oder kopierte gelegentlich auch mal ein Buch. Der Raum war zwar nicht sonderlich groß, etwa drei mal vier Schritt, aber immerhin gehörte ein Bett zum Inventar, in dem der Schreiber alleine nächtigen konnte – ganz im Gegensatz zu des Jarls Recken und Bediensteten, die entweder auf den Erdbänken in der Jarlshalle oder in dem großen Schlafsaal gleich neben dem Langhaus schlafen mussten. Außer ihm – und selbstverständlich der Jarlsfamilie – genoss nur noch Teit das Privileg eines eigenen Bettes.

      Asleif ließ sich auf der Bank hinter seinem Tisch nieder und wies Ari an, ihm gegenüber auf dem Hocker Platz zu nehmen. »Ari, alles was wir jetzt miteinander besprechen muss geheim bleiben, hörst du. Du darfst mit niemandem darüber reden, abgesehen von mir oder Jarl Harald, so er es wünscht!«

      »Wat soll dat, Asleif? Ick hab doch nur so’n Kasten getragen. Ick weiß gar nich, wat die Aufregung soll? Aber wenn du wills’, dann bin ick natürlich stumm wie ’n Fisch.«

      »Ari, sag mir zunächst, ob du Kenntnis über den Inhalt der Schatulle besitzt, über den Inhalt?«

      »Ja, dat hab ick. Ick war nämlich dabei, wie die Gode dem Inhalt in den Kästchen tat. Sah aus wie so ’ne Rolle aus Pega..., Pegra..., na halt so ’ne Blätter, wie du auch immer has’, hier diese da, du weiß’ schon.«

      »Pergament, heißt das, Ari, Pergament! Ich bin erstaunt, dass der Gode dich hat zuschauen lassen. Wie bereits gesagt, sind diese Schriftrollen höchst geheim. Hat er übrigens noch etwas anderes mit in die Schatulle gelegt?«

      »Ja, so’n ganz komischen Schlüssel, so wat hab ick noch nie gesehen. Un’ dat ick dat mit ansehen durfte, dat war wohl auch nich so geplant von die Gode. Er hatte mich nämlich ’n klein’n Jung’n mit die Botschaft geschickt, ick sollt’ zu ihn in die Tempel komm’n. Da ick just Zeit hatte, lief ick gleich los, un’ wer war natürlich nich da – der Gode! Ick wart’ ein Augenblick, un’ denk bei mich, vielleich’ is’ er ja inner Amtsstube. Un’ da ick ja, wie du weiß’, verdammt schnell sein kann, war ick in Handumdrehen bei die Stube un’ wie ick so durch die Tür komm, seh’ ick, wie er just an Einpacken is’.«

      »Also hast du es eher zufällig beobachtet«, bemerkte Asleif. »Hat er dir die Schatulle alsdann übergeben?«

      »Nee, da noch nich. Aber du has’ recht, er war völlig entgeistert, wie er mir plötzlich sah. Er war so verdattert, dat er die and’re Schriftrolle fallen ließ, die wo er danach vom Tisch geklaubt hatte.«

      »Eine andere Rolle, sagst du?« Asleif war mit einem Male hellwach. Sollte Teit womöglich in diesem Moment die Pergamente vertauscht haben? Er sah Ari erwartungsvoll in die braunen Augen und fragte: »Bei Balder! Hatte diese zweite Rolle das gleiche Format wie …, nein, warte, ich will es anders ausdrücken: war die Rolle genauso lang wie diejenige, welche er in die Schatulle gelegt hatte?«

      »Ick kenn da ja nix von, Asleif, aber jetzt wo du’s sagst, die sah’n sich schon recht ähnlich.«

      »Hast du gesehen, was er damit gemacht hat? Ich meine die Rolle, die nicht in das Kästchen gewandert ist.«

      »Nun, wenn ick mir recht entsinne, hat er ’se wieder aufgehob’n un’ dann in sein’n Umhang gesteckt, der wo neben die Tür hing. Danach hat er dat Kästchen geschloss’n un’ zu mich gesacht, er müsst’ noch schnell in die Tempel, um die Sach’n, wo in dat Kasten wär’n, zu segnen. Aber noch ein’s war mich aufgefall’n bevor wir ging’n: er hatte sein’n Umhang genomm’n un’ umgelegt, un’ wie wir rausgeh’n, bleibt er in der Tür steh’n, dreht sich noch mal um, starrt an die Wand und fummelt dann wie wild an sein’n Umhang rum. Wie’s schien, war aber dat, wat er suchte, da, denn plötzlich hört er auf mit Suchen, lächelt, nickt mit die Kopf, un’ endlich ging’s los.«

      »Warst du im Tempel dabei, als er die Pergamente gesegnet hat?«

      »Ja un’ nein. Ick war zwar mit in die Tempel, doch weiter weg, wo ick mir mit Toki, die Tempeldiener unterhalt’n hab. Aber ick konnt’ seh’n, dat die Gode die Blätter nich rausgenomm’n hat, sondern sein’n Spruch nur über’n Kasten gemacht hat. Zum Schluss hat er mich dat Kästchen in die Hand gedrückt un’ mich gesagt, wo ick et abliefern soll.«

      »Ohne Schlüssel konnte er die Schatulle ja auch nicht mehr öffnen!«, sagte Asleif, mehr zu sich selbst, und dann wieder an Ari gewandt: »Hat er dir vielleicht erzählt, wo er hin wollte oder hast du zufällig gesehen, in welche Richtung er anschließend ging?«

      »Als ick zur Stadt lostrabte, sah ick noch, wie der Gode in die Tempelumgang verschwand, mehr hab ick nich von ihn geseh’n. Wo er jetzt steckt, weiß ick nich. Ick bin dann zu diese Sassirab gegang’n, un’ hab ihn eigenhändig die Kasten gegeb’n, genau wie mich der Gode dat gesacht hat.«

      »Der Gode hat dir also befohlen, das Kästchen nur dem Sassirab zu übergeben! Na immerhin. Hast du gesehen, wie ibn Fadin die Schatulle geöffnet hat?«

      »Nee. Sein Übersetzer, der wo so komisch redet, gab mich ’ne Münze un’ bracht’ mir gleich wieder vor die Tür. Da bin ick natürlich zurück zur Burg.«

      »Ari, tust du mir einen Gefallen, einen großen Gefallen?«

      »Sicher, Asleif, für dir tu ick doch alles. Aber, sag doch nicht immer alles doppelt.«

      Der Schreiber runzelte die Stirn und verzog erbost seinen Mund. »Bei Balder! Wer sagt was doppelt? Bist du noch ganz bei Trost? Oder willst du mich gar foppen? So etwas kann ich ganz und gar nicht ausstehen, Ari! Ich sage doch nichts doppelt!«

      Ari hob beschwichtigend seine Hände. »Lass gut sein, war nich so gemeint, Asleif. Schon in Ordnung. Wat is’n dat nu für’n Gefallen?«

      Die Schwere seiner Aufgabe vor Augen, beruhigte sich Asleif wieder und erklärte: »Wie ich es eben bereits angedeutet habe, ist diese Angelegenheit