Tödliche Habsucht. Martin J. Fredrikson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin J. Fredrikson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035087
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Decke stammt aus des Goden Kammer und was darin eingewickelt ist, habe ich in seinem Bett gefunden.« Indem Asleif die Decke auseinander schlug, entfloh Jarl Harald schlagartig sämtliche Gesichtsfarbe.

      »Beim Schädel! Also hatten wir beide Recht«, presste er tonlos durch die geschlossenen Zähne.

      Vor ihnen auf der Tafel lag ein Kreuz – ein etwa 1½ Fuß langes Chrissenkreuz, gearbeitet aus massiver Bronze.

      »Ich hatte Recht mit meiner Vermutung, dass die Chrissen dahinter stecken und du mit deinem Verdacht betreffs des Goden«, fuhr der Blaufuchs erschüttert fort. »Wer hätte das gedacht? Mithin hat Teit nicht nur Birkuna verraten, sondern ist auch noch, ungeachtet der Tatsache das religiöse Oberhaupt der Stadt zu sein, ein Chrisse geworden. Dies erbost mich über die Maßen, denn wie es scheint, hat er uns, zumindest was den Glauben an unsere Götter anbetrifft, die ganze Zeit über für dumm verkauft. Und das auch noch mit Erfolg!« Jarl Harald wurde beinahe schlecht bei dem Gedanken, dass der Gode Birkunas Schicksal womöglich über Jahre hinweg nicht in die Hände der Nornen gelegt, sondern stattdessen in aller Heimlichkeit diesen verweichlichten Chrissengott angebetet hat.

      Er gab sich einen Ruck. »Wächter«, donnerte er Richtung Doppeltür, »hol mir auf der Stelle den Ari und Hauptmann Thorsteinson her, und wenn die nicht auf der Stelle hier antraben, werde ich meinen Met statt aus dem Silberpokal demnächst aus deinem Schädel schlürfen, hast du mich verstanden?«

      »Ja, Herr, ganz klar«, antwortete der Bemitleidenswerte, derweil er umgehend die Tür aufriss, um eiligst loszustürzen.

      »Ab sofort verlässt niemand mehr die Stadt ohne auf das Gründlichste durchsucht zu werden, Asleif – weder durch die Stadttore, noch auf dem Wasserweg!«, erklärte Harald Blaufuchs seinen jähen Ausbruch – er war fest entschlossen durchzugreifen. »Des Weiteren werde ich das Chrissenviertel durchkämmen lassen – wollen doch mal sehen, was sich dort so alles finden lässt, beim Schädel!

      Und was dich anbetrifft, Asleif, so wirst du jetzt schnurstracks zu Kaufmann Thorfinn Erikson gehen, dessen Haus du in der Birkstraße findest. Erikson hat bereits mehrfach mit den Chrissen Handel getrieben, daher kennt er sie leidlich und verfügt über einige gute Kontakte zu ihnen. Da ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann und er Birkuna überdies treu ergeben ist, wird er dich mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, dabei unterstützen, den Vertrag wiederzuerlangen. Richte ihm meine Grüße aus, aber sag ihm auch, dass es eilt und uns nur wenige Tage Zeit bleiben. Ich hingegen werde versuchen, ibn Fadin zu besänftigen und ihn davon zu überzeugen, dass noch nicht alles verloren ist.«

      Dermaßen ausgiebig instruiert zögerte Asleif keinen Augenblick, sondern machte sich unter heftigem Stirnrunzeln eilends auf den Weg.

      Alldieweil Thorfinn Erikson seinen Hof betrat und sich der Haustür zuwandte, streifte sein Blick kurz über das Anwesen: Umschlossen von einem knapp 5 Fuß hohen Flechtzaun gruppierten sich auf dem Grundstück – gelegen an der Birkstraße im südlichen Teil des Kaufmannsviertels – drei Gebäude: das Wohnhaus, ein Viehstall sowie ein Schuppen. Das Haus, in etwa dreizehn Schritt lang und sechseinhalb breit, verfügte über einen Wohnraum, ein Kontor, zwei Kammern sowie einen Abort und stand mit seiner Längsseite parallel zur Gasse, weniger als zwei Schritt vom Zaun entfernt. Im Stall, der mit dem Haus einen Winkel bildete, fanden eine Kuh, ein Schwein sowie eine Schar Hühner ihr Auskommen, derweil im Schuppen – dem Wohngebäude gegenüberliegend – Geräte zur Bestellung des kleinen Hausgartens, diverse Werkzeuge sowie Vorräte lagerten. Sämtliche Gebäude waren in der landestypischen, nordischen Bauweise errichtet worden, wobei deren tragende Konstruktion aus Holz bestand, die Wände aus Lehmflechtwerk und das Dach aus Reet. Trotzdem die Bauten bereits Jahrzehnte auf dem Buckel hatten, wiesen sie – ob der guten Behandlung und sorgfältigen Pflege – keinerlei Anzeichen von Abnutzung auf. Lediglich der große, aus derben Bohlen gefügte Brunnenkasten, der den Mittelpunkt des gepflasterten Hofes bildete, hatte vor drei Sommern auf Grund von Altersschwäche erneuert werden müssen.

      Als Thorfinn die robuste Haustür aus massivem Eichenholz entriegelte, protestierte sein Magen zum wiederholten Male laut und deutlich. Tyr sei Dank, seufzte er, dass gleich Mittag ist. Er durchquerte rasch den zuvorderst liegenden Raum – sein Kontor – und betrat alsdann den Wohnraum, welcher mit sechs mal sechs Schritt der größte des Hauses und gleichzeitig sein Mittelpunkt war. Hier traf man sich, um das Tagesgeschehen zu besprechen, um gemeinsam zu musizieren oder miteinander zu spielen. Hier wurde gekocht und gegessen, gesponnen und gewebt – kurzum, hier schlug des Hofes Herz.

      Mit einem fröhlichen Nicken begrüßte Thorfinn seine Haushälterin und fragte, noch auf der Schwelle stehend: »Thurid, welcherlei Delikatessen gedenkst du aufzutischen? Ich trage einen Mordshunger in mir.«

      »Ach Thorfinn, du Schlingel! Das weißt du doch ganz genau. Musst du mich denn immer auf den Arm nehmen?« Thurid Varinsdottir schmunzelte übers ganze Gesicht, derweil sie drohend ihren erhobenen Zeigefinger schwenkte.

      Sie war etwas über vierzig Sommer alt und für Thorfinn weit mehr als nur eine Wirtschafterin. Er vermochte sich das Haus ohne Thurid gar nicht vorzustellen, lebte sie doch schon länger auf dem Hof, als Thorfinn denken konnte. Als Thurid drei Jahre alt war, wurde ihre Mutter von Thorfinns Großvater als Magd eingestellt; viele Sommer später – der Großvater und Thurids Mutter waren längst tot, erlag völlig unerwartet die Mutter des kleinen Thorfinn einem tückischen Fieber und Thurid – gerade in ihrem fünfzehnten Sommer – nahm sich ohne zu Zaudern des Jungen an. Diese Aufgabe versah sie genau wie alle anderen häuslichen Tätigkeiten mit Hingabe und viel Liebe und somit entpuppte sie sich für Erik, Thorfinns Vater, als ausgesprochenes Juwel. Nachdem Thorfinn im vergangenen Jahr von seinem verstorbenen Vater das Geschäft übernommen hatte, stand sie auch ihm wie selbstverständlich mit Rat und Tat zur Seite. Und obschon sie sich früh entschieden hatte, keine eigene Familie zu gründen, war sie mit ihrem Leben durchaus glücklich und zufrieden.

      Ihren rundlichen Körperbau und die stets rosigen Wangen hatte sie von ihrer Mutter geerbt; das strohblonde Haar, welches sie immer zu zwei langen Zöpfen flocht, war das Vermächtnis ihres Vaters Varin, der – zu Thurids Leidwesen – noch vor ihrer Geburt von den Walküren nach Walhall geleitet wurde. Mit einer Größe von fünf Fuß wirkte sie eher klein, doch mit ihrer Kraft und der unbändigen Energie, die ihr zu eigen war, hatte sie nicht nur ihren Haushalt fest im Griff, sondern sie wurde auch spielend mit jedermann fertig, der sich ihr, gleichviel ob versehentlich oder gewollt, in den Weg zu stellen gedachte.

      Thorfinn schob entrüstet die Unterlippe vor: »Aber Thurid, ich dich auf den Arm nehmen? So etwas fällt mir doch im Traum nicht ein. Was denkst du nur? Fakt ist, der Speiseplan ist mir, wohl infolge meiner über Gebühr hohen Gedankentätigkeit heute Vormittag, leider entfallen.«

      »Also gut, du Schleckermaul«, gab Thurid schließlich nach, »auf dass dir das Wasser im Munde zusammenläuft: Es gibt gepökeltes Rindfleisch und geräuchertes Schweinefleisch, dazu Bohnen und Linsen als Beilage. Des Weiteren frisches Roggenbrot sowie speziell für Nachbar Gatisson eine große Portion Ziegenkäse. Hernach dürft ihr euch noch an frischen Pflaumen und Kirschen laben. Doch nun setz dich, trink einen Becher Bier und schweig Stille, damit ich in Ruhe weiterbrutzeln kann. Du weißt genau, dass unser Nachbar jedes Mal mürrisch wird, wenn das Essen mit Verspätung den Weg auf seinen Teller findet.«

      Derweil sie Gerstenbier aus einem großen Krug schöpfte, in einen Tonbecher füllte und diesen auf den Tisch stellte, stimmte Thorfinn ihr nickend zu und ließ sich somit gehorsam auf seiner mit Buchenholz verkleideten Erdbank nieder.

      Obschon er als Hausherr seinen Platz – wie in ganz Skandland üblich – in der Bankmitte hatte, war dieser gleichwohl nur unwesentlich erhöht und wurde überdies auch nicht von fein geschnitzten Säulen flankiert, wie dies bei den überreich verzierten Bänken vieler seiner Kaufmannskollegen der Fall war, welche nur allzu gern mit ihrer glanzvollen Ausstattung prahlten. Genau wie sein Vater Erik sah jedoch auch Thorfinn wenig Sinn darin, Reichtum offen zur Schau zu stellen. Schlicht, aber gediegen war sein Haushalt ausgestattet, über den er nun seinen Blick schweifen ließ: Die Möbel waren aus solidem Buchen- oder Eichenholz getischlert, Töpfe und Pfannen aus robustem Speckstein geschnitten und Schüsseln, Teller sowie