Tödliche Habsucht. Martin J. Fredrikson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martin J. Fredrikson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738035087
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wusste, trank er aus lauter Verlegenheit noch einen weiteren Schluck Bier.

      Asleif, seines Zeichens Schreiber in Diensten von Jarl Harald, war alles andere als ein Krieger. Und das, obschon er bereits seit zweiundzwanzig Sommern, gleich nachdem er das Licht von Midgard erblickt hatte, hier auf der Burg lebte. Er besaß eine schlanke Statur, hatte dunkelblonde Haare und seine Körperhöhe von knapp 5½ Fuß entsprach in etwa der durchschnittlichen Größe seiner Landsleute. In seinem länglichen Gesicht mit dem zumeist stoischen Ausdruck fanden sich blaugrüne Augen, eine leicht gebogene Nase und ein gerader Mund. Sein energisches Kinn hielt er – für einen Skandländer durchaus unüblich – frei von jedem Barthaar. In seiner ihm ganz eigenen Art versuchte er von vornherein jedem Streit aus dem Wege zu gehen. Im Falle dass er aber doch mal in einen hineingeriet, bemühte er sich stets den Hader so schnell als möglich mit besonnenen Worten zu beenden.

      »Nichts für ungut«, beschwichtigte ihn der Blaufuchs soeben, »mir ist natürlich ebenso klar wie dir, dass sich Thor nicht ins Handwerk pfuschen lässt; weder von seinen Götterkollegen – vom durchtriebenen Loki mal abgesehen – noch von uns mickerigen Menschlein hier unten auf Midgard. Wenn dir der Schreck wieder aus den Gliedern gefahren ist, sag mir einfach Bescheid und wir beginnen dann in aller Ruhe mit dem Brief.«

      Mittlerweile hatte der Regen begonnen ein munteres Liedchen aufs Dach der Halle zu trommeln und sowohl Jarl Harald als auch sein Schreiber empfanden allein das gleichmäßige Rauschen schon als überaus willkommene Erfrischung.

      Während Gunni nunmehr den frisch gefüllten Silberpokal kredenzte, setzte Asleif sich zurecht, brachte eine Tranlampe zum Brennen, spitzte die Schreibfeder mit seinem Dolch und gab Jarl Harald schließlich das Zeichen, dass er bereit sei.

      Der Blaufuchs erklomm wieder seinen Thron, nahm einen großen Schluck Met und begann dann folgendermaßen: »Also schreib: Birkuna, im Erntemond des Jahres 73 seit Knuts Einigung; Sei gegrüßt, Vetter Olaf! Zunächst meinen Dank für dein Schreiben vom Heumond. Es freut mich zu hören, dass bei Euch alle wohlauf sind. Wie es um meine Familie steht, kann ich dir leider nicht mitteilen, da – abgesehen von meiner Wenigkeit – derzeit alles auf Reisen ist. Mir jedenfalls geht es prächtig!

      Zu der von dir erwähnten politischen Lage vermag ich durchaus mehr auszusagen: So stimme ich mit dir darin überein, dass man auf die Ausbreitung der Chrissen-Religion bald mehr Acht geben muss, als am Ruder eines Drachens bei stürmischer See. Dass die Chrissen bereits erste Erfolge in Keltenstädten nahe der aquitanischen Grenze zu verzeichnen haben, war mir bislang noch nicht bekannt, allein ich vermag dergleichen zu berichten: Wir haben nämlich zurzeit einen besonderen Gast in der Stadt – einen Sassirab. Er heißt Dschafar ibn Fadin und ist Gesandter des mächtigen Emirats, welches die Region östlich und südlich des Schwarzmeers beherrscht. Um uns zu verständigen, bedienen wir uns der Hilfe eines ionischen Übersetzers, den der Sassirab vorausschauend mitgebracht hat. Nebenbei bemerkt, gaben wir vorgestern zu Ehren unseres Gastes in der Halle ein Festmahl – dergleichen ist dem armen Kerl wohl noch nie widerfahren. Den ganzen Abend kam er aus dem Staunen nicht heraus; besonders beeindruckt war er von den Gesängen der Krieger sowie, mehr noch, vom Vortrag des Skalden. Nachdem dieser zehn Strophen dargebracht hatte, fragte der Sassirab verwundert, wann die Saga denn zu Ende sei; nach fünfzig Strophen teilte er mir mit, diese Ode sei so immens lang, dass er glaubte, zu träumen; nach hundert Strophen schlief er tatsächlich; nach zweihundert wurde er geweckt und in eine Gästekammer gebracht, damit er in Ruhe weiterschlummern konnte, derweil meine Mannen genüsslich der zweiten Hälfte der Saga lauschten. Erst spät am gestrigen Vormittag war er in der Lage in sein Haus zurückzukehren. Offensichtlich hat der Met eine höchst nachhaltige Wirkung auf den Gesandten …«

      An dieser Stelle unterbrach sich Jarl Harald, stand auf und trat neben Asleif, um einen Blick auf das bislang Geschriebene zu werfen.

      »…Wirkung auf den Gesandten«, echote Asleif. »Hab ich, hab ich. Wie geht’s weiter?«

      »Warte mal … ja, schreib: Bevor ibn Fadin den geistigen Getränken Tribut zollen musste, fand er noch Gelegenheit mir zu berichten, dass die Chrissen auf etlichen kleineren ionischen Inseln Kirchen errichtet hätten und große Teile der dortigen Bevölkerung bereits dem neuen Glauben huldigten!

      Da können unsere Götter wahrlich von Glück sagen, dass der Große Knut, nachdem es ihm vor nunmehr 73 Sommern gelungen war die Nordländer zu vereinen, seinen Untertanen befohlen hat, sämtliche Sklaven freizulassen und überhaupt jeglichen Sklavenhandel sowie das Darbringen von Menschenopfern unverzüglich aufzugeben. Ich denke diese Maßnahme hat den Vormarsch der Chrissen nach Skandland zum Erliegen gebracht, denn wie mir scheint, sind es vorwiegend derartige Gräueltaten, die ihnen den Weg ebnen. Die Chrissen prangern diese Unsitten an und erringen damit die Sympathien des gemeinen Volkes. Wenn sie dieses erst einmal hinter sich geschart und gar erste Kirchen errichtet haben, ist es nur noch eine Frage der Zeit bis die alteingesessenen Götter vertrieben sind. Nimm nur das Beispiel Keltien: Nach wie vor opfern die Druiden Jungfrauen in den heiligen Hainen, oder Ionien: Wie mir Paxiklos, der Übersetzer des Sassirab gestern noch bestätigte, sind die adeligen Ionier unter gar keinen Umständen bereit, auf ihre Sklaven zu verzichten. Wohin das führt, hat man ja gesehen. Mit ibn Fadin habe ich übrigens einen vortrefflichen Vertrag ausge… Beim Schädel! Was ist denn nun schon wieder?«

      Ein Wächter war durchs Portal geschlüpft und näherte sich eiligen Schrittes der Jarlstafel. Der Blaufuchs, empört ob der neuerlichen Störung, holte aus, um seinen kostbaren Silberpokal vor lauter Wut an die Wand zu pfeffern. Allein zu Asleifs Überraschung ließ Jarl Harald am Ende der Wurfbewegung den Kelch nicht los, sondern schloss im letzten Augenblick seine Finger ganz fest um dessen Stiel. Als der Blaufuchs den verblüfften Blick seines Schreibers gewahrte, beugte er sich verschwörerisch hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Ganz im Vertrauen, Asleif. Hätte ich losgelassen, würde jetzt gewiss eine prächtige Beule meinen Pokal zieren und Leif Thordarson, mein Silberschmied – bei weitem der Beste in ganz Svera – hätte hernach die Delle wieder hinaustreiben müssen. Odin sei Dank, fiel mir im letzten Moment wieder ein, dass mir der Schmied jedes Mal furchtbar die Leviten liest, wenn ich es wage, ihn mit derartigen Kleinigkeiten zu belästigen. Du brauchst gar nicht so blöde zu grinsen, ich will und kann es mir mit ihm nicht verscherzen. Tatsache hingegen ist, dass Leif nach jeder – aus seiner Sicht – unnötigen Reparatur stets dermaßen geladen ist, dass selbst Thor leibhaftig Skrupel hätte, der Schmiede Schwelle zu überschreiten, um den ausgebesserten Pokal wieder abzuholen! Von meinen Knechten wagt es deshalb niemand, beim Schädel! Diese Aufgabe bleibt stets mir selbst vorbehalten, obwohl es mir auch so schon an Zeit mangelt.«

      Der Wächter hatte zwischenzeitlich die Jarlstafel erreicht und trat ungeduldig wartend von einem Bein aufs andere bis Jarl Harald wieder auf seinen Thron saß und ihm endlich Gehör schenkte.

      »Ohm, Ohm, da draußen wartet …«

      Weiter kam er nicht, denn er musste sich rasch ducken – der Blaufuchs hatte mit dem Kelch nach ihm gezielt, sich jedoch im letzten Augenblick abermals besonnen. Er tauschte mit Asleif einen wissenden Blick und donnerte alsdann: »Beim Schädel! Wie wagst du Wurm es mich anzusprechen? Haben neuerdings die Flöhe bei dir das Denken übernommen? Noch einmal so eine Frechheit und du wirst bei der nächsten Mahlzeit gebratene Zunge essen – deine eigene! Ich warne dich. Mir ist mitnichten entgangen, dass ihr mich alle hinter meinem Rücken Ohm nennt, allerdings darf einzig und allein mein Schreiber Asleif es auch wagen, mich so anzureden. Und damit ihr Taubnüsse das ein für alle Mal kapiert, erklär ich dir jetzt nochmal, warum. Sein Vater Gelli gab im Kampf aufopferungsvoll sein Leben, um meines zu retten. Dadurch wurde Asleif zum Waisenkind. Und da er als kleiner Junge schon mehr Hirn besaß, als in eure Hohlschädel jemals reinpassen wird, nahm ich ihn kurzerhand unter meine Fittiche. Er ist mir ans Herz gewachsen, erst recht, nachdem ich ihn in meine Dienste genommen habe, und er mir seine außerordentlichen Fähigkeiten bewiesen hat. Und nur deshalb darf er sich mir gegenüber Dinge erlauben, von denen ein so holzköpfiger Moortrottel wie du nicht mal zu träumen wagen darf. Hast du mich verstanden? Was willst du hier überhaupt?«

      Der Wächter, welcher inzwischen, um sich möglichst unsichtbar zu machen, vor Jarl Harald auf den Knien lag, hob probeweise den Kopf.

      »Herr, edler Herr, hoher Jarl Harald Blaufuchs, Gebieter