Kai fragt Lisa, die jetzt hinter die Kamera eilt: »Bist du nun bald fertig, Lisa Mäuschen?«
»Ja, habe euch drauf. Kann losgehen!«, trällert Lisa und hatte schon damals diese sinnliche Stimme.
»Okay. Yanick, willst du etwas Bestimmtes wissen, oder soll ich was raus suchen?«
Der Angesprochene zuckt mit den Schultern. »Such du was raus!«
»Also gut«, sagt Kai. Nach einer Weile stellt er sich hinter Yanick und legt ihm beide Hände auf die Schulter. So hatte er das auch bei mir gemacht. Kai schweigt eine Zeit. »Du bist in einer Küche, alles aus Holz … Wow, es ist meine Küche! Hey Leute ich werde ein Hausboot haben!«, ruft er erfreut aus.
Gemurmel im Publikum. Auch Yanick sieht zu Leuten. Von ihnen sind jedoch nur die Beine an rechten Bildschirmrand zu sehen.
»Du … Bohaaa …«, angewidert neigt Kai sich leicht nach vorne. Es wirkt, als müsse er sich übergeben. »Mir wird schlecht, Nicky.«
Yanick bekommt große Augen. »Was denn Kai?«, will er wissen. Er scheint ungeduldig zu werden.
»Du vögelst gerade eine … Bohaaa! Ich darf nicht vergessen die Arbeitsplatte zu desinfizieren! Ihr vögelt auf meiner Arbeitsplatte, Mann!«, posaunt Kai los und wirkt angewidert.
Ich reiße meine Augen weit auf, suche den Pausenknopf und bitte Uta um den Schreibblock. Als sie ihn mir reicht, schreibe ich hektisch: Das habe ich in dem Moment auch gedacht.
»In welchen Moment und was gedacht?«, hakt Uta nach. Mir wird klar, dass ich ihr sehr wenig erzählt habe, was damals geschah.
Als Yanick und Ninette in der Küche … Ich überlegte, ob ich Kai sagen soll, dass er lieber seine Arbeitsplatte desinfizieren soll.
Uta blickt verwirrt drein und ich kritzele hastig weiter: Ich dachte, Kai ist ein Schwindler, der sich nur eins und eins zusammenreimt. Ich dachte immer, dass Yanick Kai erzählt hat, was in der Küche passiert ist.
»Weiß Null, was du mir sagen willst. Mach mal weiter!«, sagt sie und zieht ihren Kopf in den Hals.
Play.
Das kleine Publikum lacht.
»Nein Gina, dich vögelt er nicht. Tut mir leid, aber du bist da längst Geschichte.«
Kai ist sehr direkt in seiner Wortwahl. Die Brünette zieht einen Schmollmund und die Kamera fängt ihre Geste ein. Enttäuscht schaut sie zu Yanick.
Pause. Ich spule zurück.
Enttäuscht schaut sie zu Yanick.
Pause.
»Ich habe sie schon einmal gesehen«, flüstere ich und erinnere mich, wie er unten an den Treppenstufen zu ihr sagte: Sei still Gina!
»Wann?«, fragt Uta.
»Die Beerdigung von Mutter«, raune ich und erzähle Uta von der ersten Begegnung mit Yanick. Ich berichte von meiner Eifersucht auf die Frau, die ihn küsste und mich kleines Baby nannte. Unter Tränen schildere ich Uta, dass ich damals schwor mein Herz nie für jemanden zu öffnen und es in den Sarg meiner Mutter legte. Gut geschützt und aufbewahrt, bis irgendjemand kommt, der es von mir geschenkt bekommt. Falls ich es jemals wieder verschenken wollte.
»Du hast dich selbst vor dir verschlossen. Vielleicht solltest du es dir holen, wenn du kannst«, schlägt Uta vor und streift mir ihre Hand über meinen Rücken. »Jetzt verstehe ich besser, warum du Yanick von dir gestoßen hast. Du hast das verdrängt?«
Mir war das alles nie bewusst. Ja, ich erkannte ihn am Küchenfenster und auf seiner Terrasse war ich die glücklichste Frau der Welt, als ich ihn küssen konnte. Mein geheimer Wunsch seit jenem Tag vor der Kapelle. Bei aller Liebe, die ich für ihn empfinde, war ich zeitgleich immer zornig auf ihn und konnte es mir nie ganz erklären.
Es ist der zweite Dorn.
Tief Luft holend, drücke ich Play.
»Können wir uns alle bitte mal wieder konzentrieren!«, nörgelt Kai mit donnernder Stimme. »Es geht nämlich noch weiter! Wo waren wir?«
»Ich vögele gerade auf deinem Hausboot, in deiner Küche, auf deiner Arbeitsplatte.«
»Ja genau! Sie will deinen Dödel gerade bei sich … Ich kann sie echt nicht leiden … sorry Nicky. Aber du selbst magst sie ja auch nicht.«
Alle lachen wieder über die Art, wie Kai diese Situation beschreibt. Nur ich nicht denn ich war dabei. Aufmerksam verfolge ich das Video und senke leicht meinen Kopf vor Anspannung. Yanick wird rot. Ihm ist anzusehen, dass die Situation peinlich zu werden droht.
»Deine Augen sind zu. Sie fragt dich was. Ganz wichtig … und jetzt hör mir genau zu Nicky! Höre mir genau zu! Sie hat dich was gefragt. Du hast zwei Möglichkeiten. Du kannst sie vögeln, deine Augen geschlossen halten und schweigen. Oder du öffnest sie. Dann siehst du jemanden. Am Fenster. Sie sieht euch zu. Ihr kannst du antworten.«
Ich erschrecke bei Kais Worten. Er hat die Situation vom Küchenfenster auf seinem Hausboot beschrieben.
Pause.
Mein Atem geht schnell. Meine Augen suchen irgendwo Halt, während ich diese Information verarbeite, sortiere und verknüpfe.
Uta wartet geduldig und beobachtet mich.
Kai hat das 1994 gesehen? Also lange bevor … Yanick hat ihm das gar nicht an dem Abend erzählt, brauchte er gar nicht. Ich habe beiden immer unterstellt, dass sie Spiele spielten. Ich habe immer geglaubt, dass sie sich abgesprochen hatten. Ein fataler Irrtum meinerseits.
»Moment. Du? Er redet 1994 von dem Tag, an dem du zum Boot gesprungen bist und beobachtest beide, wie sie …?«, setzt Uta an, stockt jedoch. Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen.
Einmal blinzeln.
Sie löst diese Anspannung und bekommt große Augen.»Hat er geantwortet?«
Einmal blinzeln und Utas Augen weiten sich samt Augenbrauen. »Was?«
»Ich liebe dich«, flüstere ich.
»Ich liebe dich?«
Einmal blinzeln.
Uta sieht zum Bildschirm und murmelt: »Ist ja krass. Ich hätte vermutlich gedacht, dass der nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.«
Play.
Kai spricht weiter: »Also die, die am Fenster steht. Die wird dich erst dadurch beachten. Ihr beide werdet … Springen.« Kai lächelt ganz verzückt und scheint zu genießen, was er sieht.
Stopp.
Ich spule zurück.
»… dich erst dadurch beachten. Ihr beide werdet … Springen.« Kai lächelt ganz verzückt und scheint zu genießen, was er sieht.
Stopp.
Ich spule zurück. »… ihr beide werdet … Springen.«
Pause.
Mein Oberkörper beugt sich zum Boden und ich halte mir meine Hände über den Kopf. Die Gedanken rasen. Ich habe ihm nie geglaubt, ihn immer als Spinner abgetan.
»Alles okay?«, höre ich die besorgte Uta.
Einmal Nicken.
»Ja. Alles okay. Mir geht es gut.«
»Was meint er damit?«
Ich setze mich wieder auf und wische meine Hände über mein Gesicht. »Kai ist der Wahnsinn. Ich habe ihm nie geglaubt.«
»Was meinst du?«, will Uta wissen.
»Dir das zu erklären, würde Stunden dauern und selbst dann würdest du mir wahrscheinlich nicht glauben«,