Spring!. Karina Förster. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karina Förster
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745097528
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schaut auf den Schreibblock, auf dessen Papier er langsam etwas schreibt.

       Manchmal überlege ich, ob es richtig war zu gehen. Auch wenn du mir nicht sagen konntest, dass ich bleiben soll.

      Ich lese und schließe vor Gram meine Augen. Können ist das eine. Es zu machen etwas anderes. Er hatte seine Gründe zu gehen. Genauso, wie ich meine Gründe hatte, ihn nicht zu bitten er solle bleiben.

      Der Block unter meinen Fingern bewegt sich. Kurz darauf spüre ich ihn wieder und öffne meine Augen einen Spalt.

       Ich ahnte nicht, dass du vermutlich schon gar nicht mehr sprechen konntest.

      Nachdem ich diese Zeilen überflogen habe, schließe ich meine Augen wieder. Ihn ansehen kann ich nicht. Er hätte darin die endlose Leere gesehen, die ich in den Tagen, Wochen und Monaten danach gefühlt habe. Schreckliche Leere. Und ja, seit wir zusammen in der Dusche waren, fehlt meine Stimme.

      Der Block bewegt sich wieder.

      Ich sehe aus dem Fenster, ohne die grünen Felder und Wiesen zu wahrzunehmen, die vorbeifliegen. Gedanklich bin ich in der Dusche. Wie oft stand ich darin und schloss meine Augen in dem Gefühl, er stünde wieder vor mir. Aber das wäre er nur, wenn ich gesagt hätte, er soll bleiben und das konnte ich mir noch weniger vorstellen.

      Der Block schiebt sich wieder langsam zu mir und ich sehe hinab.

       Aber selbst wenn deine Stimme noch funktioniert hätte … Du hättest es nicht gesagt, obwohl du mit Sicherheit daran gedacht hast.

      Ich hebe meine Lider, um ihn anzusehen. Warum sie geschlossen halten, wenn er so viel von mir weiß. Also nicke ich und bestätige seine Vermutung. Ja, ich habe daran gedacht. Lange sieht er mich schweigend an und ich lehne mich zurück. Kommt es mir nur so vor oder werde ich in seiner Gegenwart ruhig und ausgeglichen?

      Ich sehe ihn an und mein Kopf ist leer. Nicht negativ leer – beruhigend und wohltuend leer.

      Ich sehe zu, wie er die nächste Nachricht für mich schreibt und den Block umdreht.

       Hatte gehofft, du bist mit unserem Sohn schwanger!

      Stumm lache ich mich schlapp und er grinst wie ein Honigkuchenpferd. Ich erinnere mich.

      Pille , kritzele ich kaum leserlich durch meinen Lachanfall. Er liest und zuckt entschuldigend mit seinen Achseln.

      »Hallo, mein Junge«, richtet er sich nun an Joris. »Wie wäre es für dich hier am Fenster zu sitzen und Ausschau nach Warnemünde zu halten? Magst du?«

      Joris horcht begeistert auf, sieht aber fragend zu seiner Oma.

      »Das ist aber sehr nett von dem Mann. Schau mal, da kannst du neben mir sitzen und aus dem Fenster sehen.«

      Kurzerhand werden die Sitzplätze getauscht und Yanick bedankt sich bei der Frau, als er neben mir Platz genommen hat. Er nimmt meine Hand und führt sie zu seinem Mund. Ich schmelze als ich zusehe, wie seine weichen Lippen meine Fingerspitzen berühren.

      Ich drücke meine Hand nach unten und rutsche mit meinem Gesicht näher. Er versteht und küsst mich wie es der Anstand an dieser Stelle erlaubt. Atemlos sind wir danach allemal.

      »снова – Snowa (Wieder)!«, japst er aus der Puste und strahlt mich an.

      Er bekommt immer alles, was er sich wünscht. Egal ob er seinen Wunsch-Geburtstag hat oder nicht. Dazu braucht er keinen Wunsch Geburtstag.

      Angestrengt überlege ich, was im letzten Juli auf der Brücke schief gelaufen war. Seiner Bitte, nach einem weiteren Kuss, komme ich nur zu gerne nach.

      Erneut lege ich meine Lippen auf seine. Dieses Mal hält er seinen Kopf so, dass wir halbwegs geschützt vor aufdringlichen Blicken sind.

      In meinem Magen tanzen die Schmetterlinge und von seinem Parfum wird mir ganz wirr im Kopf. Seine Bernsteinaugen sehen mich danach zufriedengestellt an. Die Pupillen sind größer als vor unserem Kuss und ich frage mich, ob mir meine Aufregung auch so deutlich anzusehen ist.

      Joris sieht unverblümt zu uns und ich muss mich jetzt zu ihm vorbeugen, um seine Wange zu berühren. Die Haut fühlt sich zart und weich an. Mit seinen wachen Kinderaugen mustert er mich.

      »Ich heiße Joris und bin schon so alt«, sagte er, hebt drei Fingerchen und dreht den Kopf zu seiner Oma, die zustimmend nickt. Joris freut sich, dass er die richtige Anzahl von Fingern gehoben hat.

      Ich ziehe den Block zu mir und schreibe hastig: Ich heiße Ella. Joris ist ein sehr schöner Name.

      Seine Oma liest ihm meine Zeilen vor. Für ihn startet ein spannendes Spiel auf diese Weise zu sprechen und es geht eine geraume Zeit hin und her.

      »Das ist Schnuffi. Wir fahren zu Mama und Papa nach Warnemünde.« Er hebt seinen Teddy hoch und zeigt ihn mir.

      Ich zeige das Daumen-hoch-Zeichen und deute auf sein Malbuch. Auf diese Weise lade ich ihn ein, mit mir zu zeichnen. Seine kleinen Finger kramen einen Stift für mich aus dem Rucksack. Zusammen malen wir, während sich Yanick angeregt mit seiner Oma unterhält.

      Als Joris keine Lust mehr hat, liest ihm seine Oma leise eine Geschichte vor.

      Ich lehne mich zurück und lächele Yanick an. Seine Finger fliegen mit dem Kugelschreiber über den Schreibblock, der uns räumlich voneinander trennt und ich kann mitlesen, was er schreibt.

       Ich liebe es, wenn du so lächelst. Du ziehst leicht deine Mundwinkel nach oben und dein ganzes Gesicht strahlt dabei.

      Ich lächele wieder wie eben. Er fährt erfreut mit seinen Augen über mein Gesicht und schreibt dann weiter.

      Ich denke viel an dich .

      Ich lese es und nehme mir einen eigenen Stift aus meiner Tasche.

       Warum bist du hier, Yanick?

      »Du weißt, warum ich hier bin!«, sagt er.

       Nein!

      »Ella, doch!«

       Nein!

      Er atmet schwer aus und der Block fliegt in die Mitte des Tisches, wie damals seine Serviette vor dem Döner Imbiss.

      »Entschuldigung«, raunt Yanick, als er bemerkt, dass Joris sich erschrocken hat. Behutsam holt er den Block wieder zu sich und sieht mich wieder an. Doch ich schweife mit meinen Augen zum Fenster. Ich spüre, wie er meine Hand nimmt und sie streichelt. Dann verschränkt er seine Finger in meine. Diese Berührung ist sanft.

      »Du weißt sehr wohl, warum ich hier bin«, spricht er leise und doch klingt es nachdrücklich. Seine Geste sagt mir, was er damit meint.

      Ich weiß, ich lag mit meiner Vermutung falsch, dass er nur wegen der Wette das Wochenende mit mir verbracht hat. Spätestens als sein zweiter Brief in meinem Briefkasten lag, wusste ich es.

      Eine Woche später kam ein Dritter. Eine weitere Woche danach ein Vierter. Jetzt liegen über zwanzig Briefe auf meinem Regal neben der Träne der Götter. Alle ungeöffnet. Den Bikini hatte er als Geschenk angenommen, nicht als Trophäe. Gegangen war er, weil er von mir kein Bleib gehört hatte.

      Und dennoch …

      Joris regt sich. Die Geschichte ist zu Ende. Er malt.

      »Was malst du denn Schönes, Joris?«, fragt seine Oma und beugt sich über sein Bild.

      »Ein Bild für Ella«, antwortet er und sieht mich aus seinen kleinen blauen Kulleraugen an.

      Yanick unterhält sich mit seiner Großmutter. Sie ist pensionierte Lehrerin in einer Grundschule. Joris war zu Besuch und nun bringt sie ihn zu ihren Kindern zurück. Ich finde, dass der Beruf gut zu ihr passt. Sie ist ruhig und liebevoll. Ihr Enkel scheint ihr Augapfel zu sein und sie beschäftigt sich sehr aufmerksam mit