Spring!. Karina Förster. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karina Förster
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745097528
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kann ich seitdem nicht mehr, was mir sehr schmerzt und mir fehlt. Aber die Ärzte nahmen mich aus dem Rennen. Im Kindergarten ohne Stimme tätig sein zu wollen ist undenkbar.

      Demnächst werde ich wohl das übliche Programm mit Reha durchlaufen. Dort wird sicher mein Beruf zur Debatte stehen. Gelegentlich sorgt mich die Zukunft, weil mich die Aussicht in einem anderen Beruf zu arbeiten wenig erfreut.

      Da war die Idee von Uta gar nicht mal so schlecht, zu verreisen. Eine kleine Auszeit, etwas frische Luft und die Ostsee. Andere Gedanken.

      »Entschuldigung«, sagt eine Stimme, die von Gang des Zuges ertönt. Die Klangfarbe klingt ähnlich wie die, mit der ich ein wunderbares Wochenende erlebt habe. Verblüfft schwenke ich meinen Kopf und erstarre.

      Ich werde aus meinen Tagträumen gerissen. Yanick. Er steht im Gang und schaut freundlich zu dem Mann, der mir gegenüber sitzt und vergeblich versucht hat mit mir in Blickkontakt zu treten. Der legt nun sein Buch auf den Tisch und sieht Yanick fragend an, wobei er innerlich hin- und hergerissen darüber wirkt, ob er gemeint ist. Er mustert ihn schnell.

      Im Anzug sieht er aus, wie frisch aus einem Meeting entsprungen. Er wirkt imposant. Am Handgelenk trägt er eine Schweizer Armbanduhr. So habe ich ihn auch noch nicht gesehen. Letzten Sommer trug er Shorts und unweigerlich wirkt er so in diesem Zweite-Klasse-Abteil fehl am Platz. Er sprüht förmlich vor Energie, die es unmöglich macht, unbeeindruckt von ihm zu bleiben.

      Am Hemd ist der obere Knopf geöffnet und das kleine Stück Haut genügt, um in mir Erinnerungen an seinen Geruch zu wecken. Mein Magen dreht sich vor Aufregung auf links. Der Geschmack seiner salzigen Haut liegt auf meiner Zunge und mir läuft tatsächlich das Wasser im Mund zusammen. Ich weiß genau, was unter diesem Hemd steckt. Oft genug hat mich der Gedanke an seinen wohlgeformten und ästhetischen Körper um den Schlaf gebracht.

      Der Mann vor mir räuspert sich. Durch die Störung in meiner Fantasien fährt mein Kopf zu ihm herum.

      »Ja. Was gibt’s denn?«, fragt er zögerlich.

      Yanick lächelt einnehmend. Unschlüssig, aber neugierig richtet sich der Mann auf.

      Verblüfft sehe ich wieder zu Yanick. Er hier? Zufall?

      »Ich habe eine Fahrkarte bis Warnemünde. Die Lounge in der ersten Klasse.«

       Kein Zufall! Ich werd nicht mehr!

      »Ich würde viel lieber hier sitzen. Sehen Sie, ich kenne die junge Frau, Ihnen gegenüber und würde gern ein wenig mit ihr plaudern.«

       Plaudern? Ich kann nicht plaudern!

      Jetzt sieht er zu mir und ich sterbe, weil ich mich unter seinem Blick schwitzend auflöse.

      Er spricht laut genug, dass die Reisenden in den umliegenden Sitzen auf ihn aufmerksam werden und ihre Köpfe recken.

      Ruhelos und irritiert mustern mich jetzt zwanzig Paar Augen. Die blaugrauen, die dem jungen Mann gegenüber gehören auch. Er checkt sicher, ob ich so einen vornehmen Mann kenne und ich hebe die Augenbrauen zur Bestätigung. Zu dem Schluss gekommen, dass Yanick die Wahrheit sagt, sieht er enttäuscht zu ihm zurück.

      Yanick lächelt ihn geduldig an. Oder ist es triumphierend?

      »Ich weiß, mein Wunsch muss Ihnen närrisch vorkommen. Wer tauscht schon ein Erste-Klasse-Lounge-Ticket gegen ein Zweite Klasse Ticket …?«

      Er wird ernst und senkt seinen Kopf leicht: »Aber es ist von äußerster Wichtigkeit für mich, dass ich den Rest der Fahrt bei ihr sitze. Wären Sie so freundlich und tauschen mit mir Ihren Platz?«

      Die Reisegäste mit den spitzen Ohren reißen zum Teil ihre Münder auf und beginnen den jungen Mann auf diese schlichte Art zu nötigen, seinen Platz doch gefälligst zu räumen.

      Hinter Yanick steht eine Armee, die er sich in wenigen Sätzen geschaffen hat. Berufskrankheit?

      Langsam erhebt sich der so Vertriebene. Er schielt bedauernd und geknickt zu mir. Erstaunt habe ich den ganzen Hergang verfolgt. Ich bin die Letzte, die weiß, was hier vor sich geht.

      »Ich danke Ihnen«, sagt Yanick erleichtert. Er hilft dem jungen Mann seine Sachen zu sortieren. Lächelnd drückt er ihm sein Ticket in die Hand und zeigt ihm die Richtung zum Erste-Klasse-Lounge-Abteil. Das liegt das am anderen Ende des Zuges.

      Yanicks Armee hat inzwischen genug Zeit mich zu mustern. Sie wollen wissen, für wen der strahlend weiße Ritter in seiner strahlend weißen Rüstung sein teures Ticket verschenkt.

      Für wen interessiert sich dieser Held?

      Für mich. Für die, die ihre Stimme verloren hat.

      Schnell sehe ich zum Fenster, um den indiskreten Blicken zu entfliehen. Gleichzeitig setzt sich Yanick mir gegenüber und lächelt zufrieden in die Runde seines Heeres. Es fehlt nur noch der Jubelruf der Masse. An Joris Oma gewandt, die ihn schmunzelnd und bewundernd betrachtet, meint er in Gewinnerlaune: »Schade für ihn, nicht wahr? Ich habe bemerkt, dass er schon arg interessiert war.«

       Wie auf der Brücke. Total von sich eingenommen und arrogant! Aber zum Schmelzen.

      Joris Oma nickt und antwortet: »Ja, das war mir auch aufgefallen. Sie aber nicht an ihm.«

      »Sehen Sie! Genau das habe ich auch bemerkt. Ich beginne Sie sympathisch zu finden«, entgegnet er und lacht fröhlich auf. Das mildert die Arroganz gleich wieder und macht ihn sympathisch. Sein Blick wandert zu mir. Aus den Augenwinkeln schiele ich zu ihm und schüttele meinen Kopf.

      Er ist so dreist.

      Und doch … mein Magen hüpft vor Freude. In ihm tummeln sich die Schmetterlinge. Aus meiner Tasche ziehe ich einen Schreibblock samt Stift hervor und schreibe etwas auf. Anschließend drehe ich den Block um, damit er lesen kann.

       Ich kann nicht plaudern.

      Yanick nickt und antwortet: »Ich weiß.«

      Eine Bewegtheit in meinem Gesicht verrät ihm meine Überraschung.

      »Eine gute Freundin, die sich Sorgen macht«, ergänzt er.

      Ich schnelle nach vorn und schreibe: Uta?

      Als Yanick den Namen liest, bestätigt er. Ich muss diese Information sortieren und schweife gedanklich in die Ferne. Ich erinnere mich an einige Sätze von Uta. Augenblicklich erkenne ich den Zusammenhang. Aber erst jetzt wird mir klar, dass sie Kontakt zu Yanick hatte.

      Darum wollte sie mir die Vorbereitungen abnehmen. Sie hatte alles organisiert. Ständig hat sie mich ermahnt mich genau an den Plan zu halten. Dann die Verabschiedung vor dem Bahnhof und die Weigerung mich zum Bahnsteig zu bringen.

      »Ich habe mich bei ihr gemeldet. Anfangs war sie echt sauer auf mich, wollte wissen, was vorgefallen ist. Ob ich …«

      Ich sehe aus dem Fenster. Ob er was mit mir gemacht hatte? Ja, das hatte er, aber nicht so, wie Uta dachte. Anders. Und dieses Anders verhindert, dass ich ihn in diesem Moment ansehen kann. Meine Mimik würde ihm zu viel verraten.

      Dass die Mitreisenden zuhören, kann ich schlecht verhindern. Dazu hat Yanick ihre Neugier bis zum Äußersten getrieben. Aber ich kann verhindern, was jetzt in meinem Blick für alle offensichtlich wäre. Also sehe ich hinaus und hoffe, dass die Bilder, die ich von jenem Wochenende habe, schnell wie die Bäume vorbeiziehen.

      Zuerst schöne Bilder, dann schmerzliche und dann absolut erfüllende.

      »Was ich mit dir gemacht habe …«

      Schnell hebe ich meine Hand und winke ab, deute auf mich.

      »Ich weiß.« Mit diesen Worten umreißt er leise, wer wen gehen ließ. Zu genau wissen wir, dass ein Zeichen von mir genügt hätte. Oder ein Wort. Irgendetwas, was ihm signalisiert: Geh nicht !

      Ich war es, die gesagt hatte, dass er Montag wieder gehen müsste. Ich war es, die ihm