Spring!. Karina Förster. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karina Förster
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745097528
Скачать книгу
betreuen jetzt die Kinder von ihren ehemaligen Kindern. Das will ich später auch mal. Kinder sind so natürlich. Nicht aufgesetzt. Sie werden erst von der Umwelt verdorben.«

      So, jetzt habe ich meine Ziele auch erklärt und ihm dürfte klar sein, dass ich bodenständig bin. Was wollte er denn schon mit einer Kindergärtnerin?

      »Ella!«, flüstert er nach einer Weile, die wir uns stumm ansehen. »Kannst du bitte mit mir? Darf ich noch einmal?«

      Ein Schauer überrollt mich. Das passiert in einer Geschwindigkeit, dass ich nicht einmal die Gefühle dazu benennen kann. Alles was ich weiß ist, dass ich es ebenso möchte. Darum rutsche ganz dicht zu ihm heran. Ich küsse jeden Zentimeter seines Gesichtes. Dann verweile ich zärtlich bei seinen Mund. Danach erhebe ich mich und ziehe ihn hoch. Er folgt mir an der Hand in mein Bad. Wie am ersten Abend entkleide ich mich und steige in die Dusche. Wie am ersten Abend erwarte ich dort seinen anziehenden Körper, der näher tritt.

       Weitere rostige Nägel lösen sich aus dem morschen Holz des Sarges. Zahlreiche rostige Nägel, liegen vor dem Sarg …

      Mittlerweile habe ich genug Stellen an seinem Körper erkundet. Ich weiß, was ich tun muss, damit er anspringt.

      Meine Finger gleiten über seine weiche Haut, die einen Geruch ausströmt, der einfach alles überragt, was ich kenne. Das allein verführt mich schon ungemein. Mit ihm scheint alles Unmögliche möglich. Alles Unvorstellbare wird vorstellbar. Grenzen sind nur dazu da, um über sie hinauszuwachsen. Eigentlich passt alles.

      Und dennoch …

      Yanick stöhnt ergriffen von meinen Zärtlichkeiten auf. Je aufgewühlter er wird, desto elender wird mir und das Erschreckende daran ist, dass ich nicht weiß, was mit mir los ist.

      Geradezu unheimlich gedankenleer ist mein Kopf. Dennoch kann ich die Tränen nicht stoppen, die mir aus den Augen laufen. Ich hoffe, er entdeckt sie nicht. Es können ja genauso gut Tropfen des Duschregens sein, dass auf uns rieselt.

      Irgendwann wird es so übermächtig, dass ich gleich schlapp mache und mich auf nichts anderes konzentrieren kann. Dies ist der Zeitpunkt, wo es nicht unbemerkt bleibt, denn selbst ihn zu lieben geht plötzlich nicht mehr. Meine Beine geben gleich nach. Kopflos halte ich inne und rücke von diesem Mann ab, der meine Ordnung stört, seit ich in seine Augen sah.

      Yanick hebt mein Kinn, doch ich halte die Lider gesenkt, damit er den Aufruhr nicht entdeckt. Warme Rinnsale haben sich entlang meiner Wange gebildet. Es sind die Tränen des Feuers, das er in mir entfacht hat und doch nicht entfachen durfte.

      Zwei Hände packen energisch meinen Kopf, doch noch immer schlage ich die Lider nicht auf. Er soll nicht sehen, was ich noch nicht einmal zu fühlen wage.

      »Ella!«

      Ich versuche, mich von ihm loszureißen, doch es gelingt mir nicht. Er zieht mich zu sich, küsst meine Lippen und flüstert in sie hinein: »Spring!«

      Ich öffne meine Augen und ein Schwall zurückgehaltenen Feuers rollt auf seine Finger hinab. Ich kann nicht springen. Ich werde nicht springen, doch auch das kann ich nicht einmal mehr sagen.

      Nicht einmal mehr Proch .

      Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Besorgt sieht er mich an.

      Jetzt fährt sein Blick an mir hinab und da scheint etwas nicht zu stimmen. Angst steht in seinen Augen, die mich weit aufgerissen ansehen.

      »Ella, ganz ruhig!«, sagt er leise und hebt seinen Kopf leicht.

       Was meint er damit? Ich bin ganz ruhig! Warum sieht er mich so an?

      Ich will nach unten sehen, um zu nachzusehen, was ihn ängstigt. Er lässt mich nicht, zieht meinen Kopf so, dass ich ihn ansehen muss. Ich bin in einem unnachgiebigen Schraubstock eingezwängt und das ängstigt mich schrecklich. Ich will doch nur wissen, was los ist.

      »Ganz ruhig! Sieh mich an!«, bittet er mich und seine Augen flehen. Ich greife zu seinen Händen, doch er lässt mich nicht los. Ich bekomme keine Luft, alles geht zu schnell und mir wird ganz komisch.

      »Ganz ruhig! Sieh mich an! Ein … aus … ein … aus… Weiter so! Immer in deinen Bauch atmen. Ja, gut«, er nickt, als er nach unten sieht. Vermutlich folge ich seinen Anweisungen und mache das, was er mir gesagt hat. Aber es fällt schwer und ich kann nicht einmal mehr sprechen.

      Nicht sagen geh! Nicht sagen bleib.

      Die Angst in seinen Augen nimmt nach einem endlosen Zeitraum ab. Er sieht zufriedener an mir hinab, bis er mich irgendwann in die Arme schließt. Vorsichtig drückt er mich an sich. Küsse bedecken meine Wangen, auf denen noch die warmen Rinnsale kleben.

       Was ist los?

      Ich will sprechen, doch ich kann es nicht. Keuchend halte ich mich wie ein nasser Sack an ihm fest, weil meine Beine ihren Dienst versagen.

      Mehr getragen, als selbst gehend, verlässt er die Dusche mit mir. Yanick wickelt mich in ein Handtuch ein. Er setzt mich auf den Wannenrand ab, sammelt meine Haare zusammen und windet ohne Hast einen provisorischen Zopf. Ich zittere wie Espenlaub. Ich sehe ihm dankbar für seine Hilfe an. Danach trägt er mich in mein Bett und legt mich behutsam hinein. Ich fühle mich so kraftlos, wie noch nie, müde wie noch nie und will nur aufhören zu existieren. Nicht mit und nicht ohne ihn. Wie soll das gehen?

      »Was war los, Ella?«, fragt er, beugt sich über mich und studiert mein Gesicht.

      Ich kann dir erstens nicht antworten, zweitens hast du doch an mir hinab gesehen. Woher soll ich das also wissen?, saust es mir gereizt durch meinen Schädel.

      »Was war los?«, flüstert Yanick. Besorgt streichelt er zärtlich mein Gesicht, streift mir den Pony hinter das Ohr und küsst mich.

       Ich kann dir doch nicht antworten!

      Geschockt öffne ich meinen Mund. Tränen der Hilflosigkeit rollen, als ich meine Sprachlosigkeit begreife.

       Ich kann dir nicht antworten! Scheiße noch mal! Was mache ich jetzt?

      Erschöpft winde ich mich in seine Armbeuge und will mich dort verstecken und verkriechen. Seine Hand fährt meinen Rücken auf und ab und drückt mich an sich.

      »Hast du das schon einmal gehabt?«, höre ich ganz leise frage und ich schüttele meinen Kopf.

      »Das war ein Panikanfall.«

       Mir egal was es war. Ich kann nicht mehr sprechen!

      Er zieht mich fester zu sich und die Wärme seines Körpers und sein Geruch beruhigen mich. Langsam dämmere ich ein.

      »Du bist das perfekte Geschenk«, haucht er mir und küsst meinen Kopf. Ich öffne die Augen wieder.

       Moment mal! Das hatte Kai doch auch gesagt, als er mit mir nach dem Lostanz gesprochen hat.

      Ich muss nachdenken, kann aber nicht. Yanick rutscht so, dass ich ihm in sein Gesicht sehen kann. Er nimmt jetzt meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

      »Es war wunderbar.«

      Ich blinzele einmal zur Antwort, ohne zu wissen, ob er mein Zeichen versteht. Dann drifte ich weg. Zu wunderbar fallen mir tausend Dinge ein und ich gehe sie alle durch. »Irgendwann. Elisa … die, die gesprungen ist«, träume ich.

      Als ich am Morgen, vom Handyalarm aus dem Schlaf gerissen werde, ist das Bett neben mir leer.

      Genau wie meine Wohnung. Genau wie mein Herz. Yanick ist gegangen.

      Durch die leere Wohnung schlendernd, sehe ich abwesend in alle Zimmer.

      Gerade so, als hoffe ich, er habe sich nur irgendwo versteckt. Ich finde einen Brief, der im Flur vor der Eingangstür liegt. Wie angewurzelt stehe ich und starre ihn an.

      Ich bin unfähig mich zu beugen, um