Die Freunde machten sich in Australien keine Sorgen um ihr persönliches Wohlergehen. Sie waren weder religiös noch politisch indoktriniert, so konnten sie die Entwicklungen in der Welt ohne Scheuklappen beobachten. Andererseits beendete jeder erfolgreich in der Heimat eine fundierte Ausbildung an der Polytechnischen Universität und verstanden ihre Berufe als Berufung.
Die Vorstellung von geregelter Arbeit und der klassischen Karriereleiter brachte sie nur in Verlegenheit, weil der australische Kontinent mit so vielen Abenteuern lockte, dass eine langfristige Anstellung bei einem Unternehmen mit der damit verbundenen Monotonie, ihren Träumen in keiner Weise entsprechen konnte.
Entgegen der europäischen Denkweise, die in Deutschland besonders ausgeprägt war, wo man arbeiten musste, um leben zu können, war es bei den jungen Leuten in Australien eine weit verbreitete Gewohnheit, nur dann zu arbeiten, wenn man unbedingt musste. Den Unternehmern war es nur recht in Stoßzeiten genügend Arbeitskräfte zu bekommen, die sich dann in ruhigen Zeiten selbst ausklinkten, um einige Zeit zu surfen, oder im Outback zum Schafscheren anheuerten.
Don José und seine zwei Freunde waren hoch qualifizierte Ingenieure, die gegen hohe Gagen als freischaffende Mitarbeiter Spezialaufträge für einige wenige Unternehmer tätigten. Deshalb hatten sie die Wahl diese Aufträge anzunehmen, oder sich anderen interessanten Abenteuern anzuschließen.
Don José war Bergbauingenieur, ein auf Schwermetall Erze spezialisierter Geologe. Er war sehr bald in Australien ein angesehener Fachmann mit Rang und Namen. Seine Aufträge, die hauptsächlich in den unerforschten Gegenden Zentralaustraliens und in den Norden führten, trennten ihn immer wieder für Monate von seinen Freunden und dem süßen Leben in Sydney.
Bei seinen Aufträgen ging es meist darum Erzvorkommen ausfindig zu machen, zu erwartende Vorkommen grob einzuschätzen, damit dann Fachleute der beauftragenden Gesellschaft präzise Untersuchungen unter Einsatz von kostenaufwendigen Gerätschaften durchführen konnten. Don José war demnach ein talentierter Prospektor, der mit Hilfe von einfachen Probeentnahmen, anhand der Oberfläche und Beschaffenheit des Gesteins, schon einen wagen Hinweis auf vorhandene Erzvorkommen liefern konnte. Er liebte sowohl die Einsamkeit in der endlosen Wüste und die damit verbundenen Abenteuer, als auch aufregende Grillpartys in den Orten in denen er sich erholte.
Wenn er danach mit vollgeladenem Kastenwagen nach Sydney zurückkehrte, verbrachte er einige Wochen damit, die Gesteinsproben gründlich zu analysieren. Die Aufzeichnungen und Skizzen übergab er einer befreundeten jungen Dame, die alles sauber abschrieb, um dann seinen Bericht in professionell erarbeiteter Form dem Auftraggeber zu überreichen.
Für jeden einzelnen Fund sicherte er sich bei der jeweiligen Behörde einen Anspruch, womit er als berechtigter Teilhaber der zukünftigen Bergbaugesellschaften eingetragen wurde. Für die Funde, an denen die Auftraggeber interessiert waren, bekam er stattliche Summen und finanzierte damit die relativ geringen Unkosten und ein paar bequeme Wochen der Entspannung.
Von seinen ausgedehnten Reisen brachte er seltsame Gegenstände nach Sydney, die er sorgfältig katalogisierte. Zu den Fundorten und über die Umstände unter welchen er die Sachen gefunden hatte, schrieb er interessante Geschichten auf. Insbesondere seine Begegnungen mit den Ureinwohnern Australiens, den Aborigines, in den von Weißen unbesiedelten Gebieten des Zentral- und Northern Territory schilderte er mit Hochachtung und Bewunderung für die Ureinwohner.
Seine Begeisterung für diese Menschen, die in der Unendlichkeit der trockenen, für die Ansiedlung von weißen Europäern kaum denkbaren weiten Gebiete des Kontinents, entwickelte er schon als zwölfjähriger Junge in seiner alten Heimat. Sein Geographielehrer, ein gewisser Rudolf Blazeck, der als junger Wissenschaftler einige Jahre mit den Aborigines in diesem Gebiet gelebt hatte, wusste endlos viele Geschichten zu erzählen. Er brachte zum Unterricht Bilder der primitiven Werkzeuge und Waffen dieser seltsamen Geistermenschen mit. Während seine Schulkameraden sich bei solchem Unterricht langweilten, stellte sich der junge Don José alle diese Geschichten vor, er träumte nachts von ihnen in wilden Träumen. Als er dann, achtzehn Jahre später, den sagenumwobenen Aborigines in Sydney auf den Straßen begegnete und deren zivilisationsbedingte Verelendung sah, war er bitter enttäuscht. Er empfand eine tiefe Trauer für diese Menschen, deren kulturelles Erbe sich mit Alkohol und Prostitution seinem Ende näherte.
Um so mehr war er überrascht und erfreut, als er bei seiner ersten Reise in die nordwestlichen Gebiete Australiens, in denen Aborigines in staatlich zugewiesenen Reservaten lebten, ihm ganze Stämme begegneten, die ihre ursprüngliche Lebensform weitgehend beibehalten konnten. Diese Menschen erzählten ihm von den grausamen Schlachten mit den Siedlern, die zwar anfangs zahlenmäßig unterlegen waren, aber dank ihrer Feuerwaffen und List schnell die Oberhand gewannen.
Dieser unaufhaltsame Drang der weißen Rasse, sich überall auszubreiten, alles in Beschlag zu nehmen und so viele alte Kulturen durch kurzlebige Befriedigung ihrer Habgier zu zerstören, wurde ihm bei solchen Begegnungen sehr eindringlich bewusst. Das Eroberungsmuster ähnelte bis ins Detail der Besiedlung anderer Kontinente, wo die weißen Eroberer und die sendungsbewussten Missionare den Boden und die Seelen der Ureinwohner versklavten und enteigneten.
Was Bleikugeln und Schwerter nicht fertig brachten, vollendeten die von Europäern eingeschleppten, ansteckenden Krankheiten und Seuchen. Oft logierte Don José in einer Mission im Landesinneren, wo weiße Nonnen den Kindern der Aborigines ihre eigene Kultur ausredeten und die Ideologie über den gekreuzigten Jesus einredeten. Die kranken Kinder wurden dann gegen Krankheiten behandelt, die die frommen Nonnen selbst eingeschleppt hatten. So zeigte sich der Kreis der prophetischen Empfehlung „Macht euch die Erde untertan“, die einmal als Universallüge erdacht wurde und durch Enteignung, Entwürdigung und Zerstörung von Kultur und Umwelt ihr wahres Gesicht zeigte.
Wie oft hat er dieses leidige Thema mit den Missionaren diskutiert, die selbst von Gewissensbissen geplagt waren, sich jedoch zielstrebig an der Ausbeutung des Kontinents mitbeteiligten. Die Gespräche mit den Nonnen brachten Don keinen Nutzen. Diese Nonnen, vom enthaltsamen Leben gezeichnet, von der Kirche in die Wüste geschickt, mit Züchtungsvollmachten ausgestattet, ließen ihren spirituellen Frust an den armen Aborigineskindern aus.
Don José war bemüht das Land so authentisch, noch unberührt natürlich zu erkunden. Aus Begegnungen und Erfahrungen entwickelte er seine Erkenntnisse, formte darüber seine eigene Philosophie. Dieser Kontinent, der sich in so vielen Eigenschaften von anderen Kontinenten unterschied, gab ihm das Gefühl nur hier den Code oder die spirituelle Formel, nach der sich das Dasein der Lebewesen entfalte, ergründen zu können. Viele, die diesen Kontinent bereisten und sich vom kristallklaren Sternenhimmel am Lagerfeuer verzaubern ließen, hatten ähnliche Gefühle in zahlreichen Büchern beschrieben.
Seine Unbefangenheit und Offenheit, in der er seine Gedanken mit den alten Nonnen austauschte und sein aufmerksames Zuhören und Hinterfragen förderten in ihm die Erkenntnis, dass die Menschheit von sich selbst als Teil der Natur kaum etwas wusste. Er war entsetzt, wie wenig die alten Nonnen über Anatomie und Funktion der menschlichen Organe wussten, zugleich aber endlose Geschichten von heiligen Männern aus der Vergangenheit erzählten, deren Gebote und Verbote sie auswendig kannten und wie sie diese Nutzlosigkeit mit erhabenem Starrsinn an die Aborigines vermittelten.
Die Aborigines, insbesondere die alten Frauen, erklärten ihm vieles in gebrochenem Englisch und einfachen Bildern, die sie kunstvoll in den Staub des Bodens zeichneten. Sie vermittelten viel mehr Sachverhalte als die Nonnen, auch wenn er zunächst nicht alles verstand. Diese Bilder waren unvergleichbar einleuchtender, als die stereotypen Wiederholungen der Nonnen, die sich auf angeblichen Weissagungen von Propheten und Heiligen gründeten, die möglicherweise nie existierten. Don José konnte vieles von den Aborigines praktisch anwenden, denn er befand sich oft alleine in einer Umgebung, wo jeder Tropfen Wasser und etwas Essbares weit mehr zum Überleben beitrug, als das Anbeten von mystischen,