Die Herren von Telkor - Die Trollhöhle. Daniel Sigmanek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniel Sigmanek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844267891
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und den Fußboden aus Edelsteinen, ehe sie sich von dem Anblick losrissen, um ihren Marsch durch den gemauerten Gang weiter fortzusetzen, der eine gute halbe Stunde geradeaus führte, ehe er einen sanften Bogen nach rechts beschrieb. An deren Ende wurde der Boden uneben, und Tado begann, etwas zu spüren: Das beängstigende Gefühl fremder Präsenz erfüllte ihn von Neuem, doch auf eine andere art als vorhin. Ein eisiger Blick schien ihn zu treffen, der sich wie ein kalter Schatten über den Sinnen ausbreitete und einen einzigen Gedanken immer stärker werden ließ: Gefahr. Doch bevor die Panik, die aus dem Gespürten und Gedachten hervorging, endgültig seine Sinne einhüllte und ihn einfach zum Weglaufen zwang, wurde Tado plötzlich aus seinen Überlegungen gerissen, als jemand seinen Namen rief. Es kostete ihn große Mühe, den Kopf zu drehen, um zu Spiffi zu blicken, dessen Worte ihn im allerletzten Moment davor bewahrt hatten, sich ziemlich schmerzhaft den Kopf an einer jäh aufragenden Wand zu stoßen.

      „Du wärst eben beinahe gegen die Mauer gelaufen“, meinte sein Retter verwundert. „Ist dir schlecht oder so?“

      Tado musste sich ein Grinsen verkneifen.

      „Nein, ich... hatte eben nur so ein komisches Gefühl“, sagte er schließlich ausweichend. Er zog es vor, Spiffi lieber nicht zu erzählen, was für ein Gefühl das war, vermutlich wäre dieser sofort in Panik verfallen. Stattdessen besah er sich die vor ihnen liegende Wand. Sie sah so aus wie der Rest des Labyrinths. Allerdings war in ihr eine mannshohe Öffnung eingelassen, die von schweren Holzbohlen versperrt wurde. Tado klopfte prüfend gegen die Tür, die prompt mit einem Ächzen und einem sonderbar hohlen Geräusch antwortete, welches verriet, dass das Holz ungefähr zehn Holzwurmfamilien als Wohnstätte dienen musste, während Kaher einen wahrlich gigantischen Schlüssel von einem Haken nahm, der seitlich des versperrten Durchganges angebracht war, steckte ihn ins Schloss und drehte das völlig verrostete Kleinod im wahrscheinlich noch mehr verrosteten Schloss. Nichts. Die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Auch als der Goblinkönig wie verrückt am Griff zerrte, gab das rotbräunlich zerfressene Metall nur ein beleidigtes Quietschen von sich, ehe es einfach abbrach. Kaher blickte verdutzt auf das Etwas in seiner Hand, das einmal ein Türgriff gewesen war, während Allo und Spiffi ihn beinahe entsetzt ansahen.

      Währenddessen hatte Tado einige Schritte Anlauf genommen und blickte nun starr auf die Tür. Regan sah ihm misstrauisch zu. Schließlich rannte er auf den Ausgang zu und warf sich mit der Schulter gegen die Bretter. Zumindest wollte er das, doch kurz vor dem Aufprall begannen die Angeln plötzlich zu quietschen, während sich mit einem Ruck die Holzbohlen nach außen drehten und Tado wieder einmal unsanft und mit einem beunruhigend knirschenden Geräusch in den Schultern auf dem nackten Labyrinthboden aufschlug. Spiffi sah verwundert von der offenen Tür zu Tado und wieder zurück, während Regan mit einem spöttischen Lächeln an ihm vorbei trat. Als auch die anderen den Durchgang durchschritten hatten, schloss sich das Tor wie auf magische Weise (und mit einem in den Ohren schmerzenden Quietschen) wieder.

      Danach war es still. Sie befanden sich in einem Gang, der vermutlich seit Jahrhunderten nicht mehr betreten wurde. Auf dem Boden lag zentimeterdicker Staub und die Luft roch modrig und verbraucht. Die wenigen sichtbaren Mauerflecken, die nicht von Schmutz und Spinnenweben übersät waren, glichen dem hinter ihnen liegenden Labyrinth allerdings wieder wie ein Ei dem anderen. Schließlich brach Spiffi das langsam unangenehm werdende Schweigen mit einer sinnlosen Frage: „Wo sind wir?“

      Er hatte nicht wirklich eine Antwort erwartet, doch er bekam sie - wenn auch von jemandem, von dem er es am wenigsten erwartete. „Ihr seid in meiner Gefangenschaft!“, dröhnte eine unwirklich widerhallende Stimme aus einer nicht zu ortenden Richtung. Plötzlich griff eine kalte Hand von hinten nach Tados Schulter und er spürte die scharfe, metallene Klinge eines großen Messers an seinem Hals. Die Kreatur, die ihn festhielt, trat nur soweit aus dem Schatten heraus, dass ihr Gesicht unkenntlich blieb. „Eine falsche Bewegung und euer Freund büßt seinen Kopf ein!“, raunte das Etwas. „Ihr werdet euch jetzt alle schön...“

      Weiter kam er nicht. Tado hatte mit seiner freien Hand den Messergriff von seiner Kehle wegbefördert und dem Unbekannten gleichzeitig einen saftigen Stoß mit dem Ellbogen in die Magenkuhle gegeben, sich blitzschnell umgedreht und ihm mit seiner Faust unters Kinn geschlagen, sodass einige seiner Zähne abbrachen. Das Etwas sank unter einem halb enttäuschten, halb schmerzvollen Schrei zusammen, machte aber noch Anstalten, Tado mit dem riesigen Messer zu erstechen, sodass dieser sich gezwungen sah, ihm noch einen zweiten und dritten Fausthieb zu verpassen, unter dem wahrscheinlich sämtliche übrig gebliebenen Zähne zerschmettert wurden. Als es schließlich vollends zu Boden sank, und er einige Schritte zurückwich, sah er, dass es weder ein Mensch noch ein anderes ihm bekannten Wesen war.

      Spiffi, Allo und die beiden Goblins hatten ihm entgeistert zugesehen und fanden ihre Fassung erst wieder, als ihr Angreifer nach einigen Sekunden zu sich kam. Er spuckte auf den Boden, wobei das, was er dort auswarf, hörbar klimperte. Als er hochsah und Tado erblickte, stieß er einen erschrockenen Laut aus und huschte in der Dunkelheit des verstaubten Ganges vor ihnen davon. Sie bekamen es nie wieder zu Gesicht.

      „Was war denn das?“, fragte Kaher entsetzt und sprach damit genau das aus, was jeder von ihnen in diesem Moment dachte.

      „Vermutlich eine wahnsinnige, verlorene Seele in der ewigen Dunkelheit des Labyrinths.“, antwortete Allo nach einigen Sekunden des Zögerns. „Ein verirrter Wanderer, der seinen Verstand langsam zu verlieren beginnt“, fügte er hinzu, als er die entsetzten Blicke der anderen gewahrte. „Wir sollten jetzt weitergehen, ehe uns ein ähnliches Schicksal ereilt“, fuhr er dann mit veränderter Stimme fort.

      Die Fünf setzten sich erneut in Bewegung und folgten dem Gang eine weitere halbe Stunde. Die Spinnenweben und der Staub nahmen sogar noch mehr zu (was Tado schon auf der Hälfte der Strecke für unmöglich gehalten hatte), je tiefer sie in das Labyrinth eindrangen. Schließlich kamen sie an eine Stelle, an der das Staubgeflecht sich über die gesamte Breite des Tunnels erstreckte und sie sich mühsam einen Weg bahnen mussten, sodass Tado und die anderen bald von einer grauen Schicht Staub und klebrigen Fäden bedeckt waren. Doch nach ungefähr zweihundert Metern lichteten sich die Weben und die Fünf drangen nicht mehr knöcheltief in Staub und Schmutz. Auch die Wände wurden nun langsam wieder sichtbar. Einmal begegnete ihnen sogar ein Höhlenkäfer einer, wie Allo behauptete, besonders seltenen, und, wie Tado in Gedanken hinzufügte, auch besonders großen Art.

      Trotzdem ließ es sich der Kobold nicht nehmen, ihn einzufangen, um ihn zu rösten und in Honig zu backen. Der Gedanke löste einen leichten Brechreiz in Tado aus. Doch bevor sich der Ekel in ihm weiter manifestieren konnte, blieb Allo erneut stehen und deutete auf einige Stacheln an der Decke des Tunnels. „Wir haben es gleich geschafft“, sagte er schließlich. „Das sind Fledermäuse. Sie nisten nie weit vom Ausgang entfernt, auch wenn dies hier ihr Lebensraum ist und sie ihn niemals verlassen.“

      Hoffnung machte sich in Tado breit. Vielleicht würden sie es ja doch noch schaffen, aus diesem endlosen Labyrinth herauszukommen. Der Gang verengte sich vor ihnen, sodass sie nun alle hintereinander gehen mussten. Als sie an einer Abzweigung vorbeikamen, stellte Allo fest, dass dies der Weg sein musste, den er bisher normalerweise immer gegangen war und gab gleichzeitig zu, seit dem geheimnisvollen Gang mit dem Edelsteinpflaster nicht mehr zu wissen, wo sie sich eigentlich überhaupt befanden. Dies beunruhigte Tado nicht wenig, versetzte ihn jedoch ebenso wenig in Panik, da sie sich nun offenbar wieder auf dem richtigen Weg einher schritten.

      Regan nutzte die Gelegenheit, um Allo zu fragen, wohin der Ausgang führte. Der Kobold schien mal wieder etwas verwirrt, offensichtlich hatte er nicht mit einer solchen Frage gerechnet, denn er antwortete mit einigen Sekunden Verspätung und mit merklichem Zögern: „Das weiß man nicht. Am Ende ist eine Tür, doch niemand ist je durch diese gegangen und ich werde es auch nicht tun. Vielleicht kommt ihr direkt an die frische Luft, vielleicht gelangt ihr aber auch in einen viel schrecklicheren Teil des Labyrinths. Wie auch immer, von dort an seid ihr auf euch allein gestellt.“ Diese Antwort schien dem Goblin nicht so zu gefallen, doch bevor er etwas erwidern konnte, verbreiterte sich der Gang wieder und gab den Blick auf eine schwere Holztür frei.

      „Endlich!“, rief Tado erfreut und lief auf die Tür zu. Die anderen folgten ihm. Doch natürlich war der Ausgang verschlossen und natürlich fand sich nirgends ein Schlüssel.