Mord im Zeppelin. Ulli Schwan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ulli Schwan
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742796295
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Ton als auch den richtigen Titel gefunden. »Setzen Sie sich, Lord Conroy.«

      Ihr Blick ging zu den anderen beiden Männern. »Möchten die Gentlemen sich vielleicht auch vorstellen oder gelten die guten Sitten in diesem neumodischen Transportmittel so gar nichts mehr?«

      »Direkt ist sie, das muss man ihr lassen«, murmelte Miro.

      »Naturellement.« Der jüngere der beiden warf sich in Positur. »Gestatten, dies ist Général Frederic Patérre und mein Name ist Alric Robichaude. Zu Ihren Diensten.« Mit dem Kopf deutete er eine kleine Verbeugung in die Runde an.

      Erstaunlich, er hat seinen Rang nicht genannt, dachte Becky. Sie sah sich den jüngeren Mann genauer an. Es war offensichtlich, dass auch er zum Militär gehörte, aber sie hatte noch nie einen Mann aus dem Militär getroffen, der sich nicht über seinen Rang definiert hatte.

      Die Gräfin nickte ihrem Begleiter zu, der umgehend mit der Vorstellung begann. »Die Gräfin von Brauntroet. Mein Name ist Bleibtreu. Ich bin ihr Sekretär.«

      Miro machte keine Anstalten, sie vorzustellen. Er schien den jüngeren der beiden Franzosen abzuschätzen. Wie es aussah, würde sie die Vorstellung übernehmen.

      »Mein Name ist Rebeka Berlioz und dies ist mein Mann, Miroslav Berlioz.« Sie wappnete sich für das, was nun in der Regel kam.

      »Ah, gut, gut«, entgegnete wider Erwarten nicht Robichaude, sondern der General. »Landsmänner, feine Sache, hätte ich hier nie erwartet.«

      Innerlich seufzte Becky und überlegte, ob sie nicht für die wenigen Tage damit durchkommen würde, einfach zu lächeln und zu nicken. Aber auf einem so kleinen Luftschiff, mit so wenig anderer Ablenkung, würde das Thema früher oder später wahrscheinlich doch zur Sprache kommen. Also Augen zu und durch, munterte sie sich auf und blickte kurz zu ihrem Mann hinüber. Er lächelte sie ermutigend an, sein Lächeln erreichte jedoch nicht seine Augen. Auch er kannte den Drill.

      »Das liegt vermutlich daran, dass ich keine Landsmännin von Ihnen bin«, entgegnete sie in ihrem charmantesten Ton. »Aber ich weiß Ihr Kompliment dennoch zu schätzen. Bevor Sie fragen: Ich bin Deutsche, mein Mann ist Franzose.«

      »Ah, verstehe.« Der Gesichtsausdruck des Generals strafte seine Worte jedoch Lügen.

      »Oh, wie wunderbar, mein lieber Kapitän. Sie verstehen es, ihre Gäste zu umsorgen. Der Speisesaal ist ja excusemoi.« Nicht nur die drei Franzosen in der Runde zuckten bei diesen Worten unwillkürlich zusammen. Die Dame, die sie ausgestoßen hatte, und nun den Raum am Arm des Kapitäns betrat, wurde ihnen allerdings absolut gerecht.

      »Oh mein Gott, was ist das?« Kaum hatte er die Worte gesagt, sah Quebec Norris auch schon so aus, als würde er sie gerne zurücknehmen.

      »Das ist Madame Silva«, kommentierte Miro die Szene trocken. »Unser berühmtes Medium für diese Reise, wie kaum zu übersehen ist.«

      Madame Silva war tatsächlich schwer zu übersehen in ihrem rotgoldenen Gewand, das eine Mischung aus knielanger Robe und Haremshose war. Es war mit Goldfäden durchwirkt und im Licht der Lampen funkelte und glitzerte es mit dem Kristall auf dem Tisch um die Wette. Dazu hatte sie einen goldenen Turban angelegt, der vorne von einer juwelenbesetzten Brosche gehalten wurde. Um den Hals trug sie drei auffällige Ketten mit verschiedenen seltsamen Symbolen. An ihren Armen klingelten eine Reihe von Armreifen unterschiedlicher Art und Breite.

      »Und sie hat sich ein ganz besonderes Accessoire besorgt: den Kapitän.« Becky schmunzelte, als sie das ungleiche Paar betrachtete, den adretten Kapitän in seiner schlichten Uniform und die exotische Madame Silva an seinem Arm.

      Quebec sah die beiden Berlioz' an und lachte schallend. Dann nahm er sein Glas in die Hand und hob es. »Ich glaube, wir werden auf dieser Fahrt sehr viel Spaß haben.«

      Als Ben Truman seine Kabine betrat, war er durchaus zufrieden mit dem, was er bisher erreicht hatte. Er war einigen anderen Passagieren gefolgt und hatte sich bereits den Laderaum angesehen. Verrückt, dass dort ein ganzes Flugzeug verstaut war. Danach war er noch ein wenig im Luftschiff unterwegs gewesen. Zugegeben, er wusste nicht genau, wonach er eigentlich suchte. Das machte es schwer, sich eine Strategie zu überlegen. Aber wie sagte der Chef doch immer – »Augen auf und aufmerksam zugeschaut, das ist die halbe Miete«.

      »Also gut, Ben«, feuerte er das Spiegelbild über der Waschnische an, »dann mal los und zusammenfassen, was du bisher weißt. Irgendwas ist faul mit diesen Flügen, und du wirst rauskriegen, was es ist!«

      Er lockerte die Krawatte und setzte sich auf das schmale Bett, die einzige bequem aussehende Sitzgelegenheit in der Kabine. Dann zog er sein kleines blaues Notizbuch aus der Innentasche des Jacketts. Nachdenklich biss er auf das Ende des darin steckenden Bleistifts und dachte nach.

      Was genau wusste er zu diesem Zeitpunkt? Die Luftschifffahrtslinie, zu der die Demetrio gehörte, war vor fast genau einem Jahr gegründet worden und hatte drei Luftschiffe in ihrem Dienst, die regelmäßig zwischen Nord- und Südamerika, aber auch transkontinental nach Europa flogen. Nein, korrigierte er sich, nicht fliegen, Luftschiffe fahren ja. Das hatte er zumindest in den Unterlagen gelesen, die die fleißige Gloria ihm zusammengestellt hatte.

      Das und die interessante Info, dass es vor allem auf den Flügen nach Europa immer wieder zu ungewöhnlichen Vorfällen kam: ungeplante Kursänderungen, Verspätungen bei klarster Wetterlage, plötzliche Ausfälle in der Crew. Und die Linie machte einen erstaunlichen Gewinn, dafür, dass sie bei hohen Betriebskosten so wenige Gäste beförderte. Gut, die Reisen waren teuer – Luxusreisen eben – aber für die Zahlen, die er gesehen hatte, einfach nicht teuer genug.

      Er sah sich in der Kabine um. Sie war relativ klein, aber elegant eingerichtet. Neben dem allgegenwärtigen Aluminium, aus dem die meisten Gegenstände hier an Bord gefertigt waren, hatte man nur beste Materialien für den Rest der Einrichtung verwendet: Seidentapeten für die Wände, Handtücher aus ägyptischer Baumwolle und die Bilder in den Gemeinschaftsräumen waren, soweit er es beurteilen konnte, alles echte Malereien, keine billigen Drucke. Hier hatte jemand guten Geschmack bewiesen und eine Menge Geld investiert.

      Er sah wieder auf das Notizbuch in seiner Hand und zog eine senkrechte Linie in der Mitte der Seite und schrieb über die linke Seite »Aufklären«. Dann listete er auf:

       Mehrfach Kursänderung trotz Wetterwarnung und ohne Grund

       Verspätungen – Grund?

       Sichtungen Zeppeline vor allem über Frankreich, nicht reguläre Route – warum?

       4 verletzte Crewmitglieder in den letzten 3 Monaten

       Hohe Gewinne – wenige Passagiere

      Über die rechte Spalte schrieb er »Beobachtungen an Bord« und begann eine weitere Liste:

       Einrichtung teuer, keine Kosten gespart

       eine Menge Personal, muss ich befragen

       Gäste: Mindestens 2 haben Zugang zum Lagerraum. Warum?

      Er hielt inne und überlegte. Viel hatte er sich bisher noch nicht angeschaut. Er hatte zwar mit den beiden Gästen, dem Flieger und diesem Berlioz, einen Blick in den Laderaum werfen können, aber einfach nicht genug Zeit gehabt, um genauer hinzuschauen.

      Er musste unbedingt mit einem der Männer sprechen, die dort arbeiteten. Er ergänzte auf seiner Liste den Punkt »Lagerarbeiter finden und befragen«. Vielleicht konnte er ja vor dem gemeinsamen Dinner noch ein wenig mehr herausfinden und zumindest ein paar Kontakte mit der Crew schließen.

      Er biss wieder auf den inzwischen arg zerkauten Bleistift und versuchte, sich den Aufbau des Luftschiffs vor Augen zu rufen: Er war auf dem Passagierdeck ganz oben, darunter lagen die Waschräume und Duschen und wenn er sich richtig erinnerte, auch die Räume der Crew. Zumindest die Jungs in der Küche müssten ja an Bord sein, dachte er und spürte, wie