wie er mit mir zum Traualtar geht!
Soll ich mit ihm glücklich sein,
laß ihn erscheinen mit Kuchen und Wein,
soll ich mit ihm leiden Not,
laß ihn erscheinen mit Wasser und Brot.
Soll ich mit ihm ziehn durch’s Land,
gib ihm den Wanderstab in die Hand.«
»Noch mal – noch mal«, riefen alle. »Den Vers müssen wir lernen.«
Wanda wiederholte ihn; zeilenweise sprachen ihn die jungen Mädchen nach.
»Jetzt kann ich den Vers«, sagte Pommerle.
»Ich weiß einen besseren«, meinte Elfriede Bauer. »Man weiß gleich, was man für einen bekommt. – Aber das geht nur in Erfüllung, wenn man einige Zweiglein von der Andreastanne hat.«
»Andreastanne – die kenne ich nicht«, meinte Pommerle.
»Die Rottanne heißt in manchen Gegenden auch Andreastanne.«
»So! – Na, ein paar Zweige einer Rottanne können wir uns leicht beschaffen, sie wachsen hier genug.«
»Und was geschieht, wenn wir die Zweige haben?« forschte Karin. »Wir brauchen vierzehn kleine Zweiglein. An jedes wird eine Nummer gebunden. Mit geschlossenen Augen muß man einen Zweig ziehen, und weiß, was für einen Ehemann man bekommt.«
»Das verstehe ich nicht«, meinte Pommerle. »Man muß natürlich den Andreasvers wissen.«
»Schon wieder einen Vers«, murrte Ilse.
»Bei meinem Vers stimmt es immer. Meine Tante hat durch eine Andreastanne ermittelt, wen sie einmal heiraten wird. Sie hatte die Nummer sieben gezogen und bekam einen Lehrer.«
»Dann sage uns rasch deinen Vers.«
»Also, paßt gut auf. Mit Nummer eins fängt er an, und mit Nummer vierzehn endet er:
Einer, der die Regimenter führt,
Einer, der die Jura hat studiert,
Einer, der das grüne Feld bestellt,
Einer, der nichts tut, doch hat er Geld.«
»Den nehme ich!« rief Wanda. »Ich wünschte, ich zöge Nummer vier! Das wäre so recht nach meinem Geschmack!«
»Ich habe viel bessere auf Lager. Dir würde ich die Nummer vierzehn gönnen!«
»Also, laß hören!«
Elfriede Bauer fuhr fort:
»Einer, der der edlen Kunst verfallen,
Einer, der im Sport steht über allen,
Einer, der auf dem Katheder sitzt,
Einer, der bei einem Handwerk schwitzt,
Einer, der in seinem Laden steht,
Einer, der des Nachts auf Raub ausgeht,
Einer, der die Kranken macht gesund,
Einer, der mit finstern Mächten ist im Bund,
Einer, der des Amtes Bürde trägt,
Einer, der die Frau belügt und schlägt!«
Bei der letzten Zeile hatte sich Elfriede zu Wanda gewandt. »Da hast du deinen Zukünftigen! Nummer vierzehn!«
»Und ich wünsche dir den, der des Nachts auf Raub ausgeht. Dann werdet ihr beide eingelocht. – Was möchtest du für einen, Pommerle?«
»Für mich ist keiner darunter. – Ich nehme mal einen Gärtner, wenn ich überhaupt einen heirate.«
»Dann nimm Nummer drei: ›Einer, der das grüne Feld bestellt‹ – Ein Landwirt hat immer einen Obst- und Gemüsegarten. Dort findest du viel Arbeit.«
»Ach, das ist ja alles Quatsch!«
»Vielleicht stimmt es doch ein bißchen«, sagte Ilse Torlege. »Es gibt immer Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir uns nicht erklären können. Ich bin dafür, daß wir Andreastannenzweige abbrechen und auch den anderen Vers sagen. So wissen wir wenigstens ungefähr, was uns die Zukunft bringt. Kommt uns einer dieser vierzehn Männer in den Weg, so können wir ihn mit anderen Blicken betrachten und auf seine Brauchbarkeit hin prüfen.«
»Dann können wir ja auch an die Hühnerställe klopfen. Bei meinem Mütterchen hat es gestimmt.«
Pommerle mußte eine genaue Erklärung geben, und so beschlossen die sechs Freundinnen, morgen, am späten Nachmittag, die Vorbereitungen zu treffen. Es war nicht weit zu den Rottannen, die gab es hier genug. Die geschriebenen Nummern wollte Elfriede mitbringen, dann sollte noch im Walde das Orakel stattfinden.
Am nächsten Tage, gegen sechs Uhr abends, machten sich die sechs jungen Mädchen auf den Weg.
»Wir brauchen nicht weit zu gehen«, meinte die träge Maria, »in den Anlagen stehen auch Rottannen, dort schneiden wir die Zweige ab!«
»Wir dürfen doch die Anlagen nicht beschädigen.«
»Pommerle ist immer ein Angsthase«, tadelte Maria. »Pommerle will wegen einiger Zweige in der Dunkelheit bis zum Hausberg laufen. – Nein, wir holen die paar Zweiglein aus den Anlagen.«
So schlugen die sechs den Weg nach den Anlagen ein und suchten eine geeignete Tanne aus. Da aber immer wieder Menschen kamen, wurde Ilse Torlege ungeduldig. »Wir hätten unser Orakel längst in den Händen, wenn wir nicht ewig warten müßten.«
»Ich schneide eben einige Zweige ab«, sagte Wanda, »und kümmere mich um keinen.«
Kaum bog sie einen Ast herab, als ein Herr stehenblieb und zu ihr herüberrief: »Was machen Sie denn da?«
Da hielten es die jungen Mädchen für angebracht, rasch fortzulaufen, um hinaus vor die Stadt zu gehen und die Zweige zu holen.
Die vierzehn Nummern wurden angebunden, dann stellte sich Elfriede Bauer hin und rief: »So, heiliger Andreas, du siehst unser Tun und Lassen. Jetzt künde uns den Ehegemahl und seinen Stand! Hilf uns, lieber Andreas, hilf, Andreas! – Hilf, Andreas! Laß jede von uns das richtige Zweiglein erwischen. – So, nun fängt die erste an. – Du, Ilse, machst die Augen zu und nimmst von der Erde einen Zweig auf. Du mußt aber dabei sprechen: ›Andreas, leite meine Hand – leite meine Hand, Andreas – o leite meine Hand, Andreas!‹«
Langsam, mit geschlossenen Augen, beugte sich Ilse nieder und griff in das Häufchen grüner Zweige: »Andreas, leite meine Hand – leite meine Hand, Andreas – o leite meine Hand, Andreas!«
»Nummer sechs«, rief der Chor. Elfriede setzte hinzu:
»Einer, der im Sport steht über allen!«
»Fein«, meinte Ilse, »ich bin mit dem Andreas zufrieden. Einen Sportsmann habe ich mir immer gewünscht. Im Auto dahinrasen, mit hundertundzwanzig Stundenkilometern, oder das Wasser durchqueren. – Rekordleistungen oder gar einen Olympiasieger! – Paßt mal auf, was mir beschieden sein wird!«
»Warte ab, was du heute nacht träumen wirst«, lachte Pommerle.
»Nun die nächste!« Das ist Elfriede Bauer. »Wirf deinen Zweig nieder auf den Haufen, Ilse. – So! – Jetzt ist alles wieder durcheinandergewühlt. – Nun los, Elfriede!«
Der Spruch wurde von dem braunäugigen Mädchen gemurmelt; dann ertönte der Ruf: »Nummer fünf! Einer, der der edlen Kunst verfallen!«
»Oooch …«, meinte Elfriede, »mir wäre einer, der die Regimenter führt, viel lieber gewesen. Aus der Kunst mache ich mir nicht viel! Vielleicht kann ich es ihm als junge Frau abgewöhnen.«
»Jetzt Maria Bergell!«
Langsam griff das junge Mädchen in die Zweiglein. Helles Lachen wurde laut. »Nummer sieben! – Einer, der auf dem Katheder steht! – Das ist dir recht, Maria! Der soll dir dein Leben lang Unterricht