Clockwise - Reise durch Traum und Zeit. Carola Hipper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carola Hipper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847622826
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hat es je vermocht, zu den Quellen der Erkenntnis vorzudringen. Ihr dunkler Wächter besitzt drei Köpfe: es sind die Häupter eines Hundes, einer Katze und das eines Adlers, sein Schwanz aber, ist eine lebendige Schlange. Sein schwarzes Fell ist von spitzen Stacheln durchsetzt, die allesamt aus reinem Gold geschaffen sind! All jene, die ihr Glück versuchten, den Höllenhund zu überlisten, fanden den Tod. Mit dem Gift seines schuppigen Schwanzes lähmt Xerberos den Eindringling. Hernach wird sein Hals vom gräßlichen Fang des Hundehauptes niedergerungen, so daß das Opfer bewegungslos dem grausamen Tun der beiden anderen Häupter ausgeliefert sei. Mit ihren kleinen, spitzen Zähnen beginnt die Katze das Fleisch von den Knochen ihres Gefangenen zu nagen, während der Adlerschnabel dem Opfer erst das Augenlicht raubt und ihm dann bei lebendigem Leibe Stück um Stück die Leber herausreißt. Die Folge ist ein langsamer und äußerst qualvoller Tod.

      Die Weltengötter allein wissen den grausamen Wächter zu bezwingen. Überliste ihn, und beschaffe mir eine Kotule des kostbaren Naß aus den heiligen Quellen! Doch hüte dich, Layos, mich zu betrügen und mir etwa das Wasser einer anderen Quelle darzubringen! Ich verlange einen untrüglichen Beweis: Als Zeichen deines Erfolges bringe mir einen der goldenen Stachel vom Leib des Wächters. Wage es nicht, mich zu täuschen! Nun denn! Viele haben ihr Glück versucht. Doch keiner ist von seiner Mission heimgekehrt. Hunderte meiner tapfersten Kriegerinnen liegen in den Tiefen des Höhlenreiches begraben. Die Luft an diesem Ort ist süß vom Gestank der Verwesung. Denn niemand vermag Xerberos, den Höllenhund, zu überwinden!«

      Kaum hatte die Übersetzerin ihren Vortrag beendet, sagte Layos entschlossen:

      »So mag mein Name fortan ›Niemand‹ lauten, meine Königin! Denn ich werde der Niemand sein, der das Unmögliche vollbringt!«

      Der Phargonäer verlangte nach seinem Rucksack, den die Bediensteten der Königin sogleich von seinem Schiff holten. Sodann wurde der Todgeweihte von den vedayanischen Kriegerinnen bis an die Schwelle der Furt von Rhogeda geleitet. Nun war auf sich gestellt. Um das Zentrum des heiligen Ortes zu erreichen, mußte sich Layos in das unterirdische Höhlensystem vorwagen.

      Unter der Erde war die Luft feucht und mit einem seltsam süßlichen Geruch behaftet. Der Abenteurer tastete sich mühsam vorwärts, denn auf diesem Teil des Weges war er von Finsternis umfangen. Nicht lange, da hatte Layos einen höhlenartigen Raum erreicht, der von einem schmalen Lichtstrahl, der durch eine Spalt in der steinernen Decke einfiel, spärlich erhellt wurde. Kurz darauf entdeckte er das Ungeheuer. Es lag schlafend vor einem steinernen Torbogen, um seinen Hals eine Kette, die das Höllenwesen an diesen Ort zu fesseln schien. Das Tor, das Xerberos bewachte, besaß keine Tür. Es war von einem hauchdünnen, blauschimmernden Vorhang verdeckt, der, obgleich transparent wie die Oberfläche eines stillen Gewässers, keinen Blick auf die andere Seite zuließ.

      Das Höllenvieh schien zu schlafen: Sein Brustkorb hob und senkte sich in regelmäßigem Abstand, die drei Häupter ruhten mit geschlossenen Augen auf seinen Vorderläufen. Layos rüstete sich zum Kampf. Er nahm ein Wollknäuel, eine Phiole mit Azansalz und einen Spiegel aus seinem Gepäck. Sein Schwert zog er langsam und geräuschlos aus der Scheide. Dann versicherte er sich ein letztes Mal, daß die mitgebrachte Feldflasche fest mit seinem Gürtel verbunden war. Nun näherte er sich dem dämonischen Wächter. Layos nahm das Wollknäuel und warf es vor die Nase des Katzenkopfes. Als die Katze die Augen öffnete, erwachte sogleich ihr Spieltrieb. Sie schnappte nach dem Spielzeug und versuchte, es mit den Zähnen einzufangen. Da ließ Layos das Knäuel, dessen anderes Ende er in seiner Hand hielt, hochschnellen und die Katze konnte nicht anders, als dem Spielzeug mit ihren Augen zu folgen. Indes regte sich das schuppige Hinterteil der Bestie. Layos hielt seinen Rucksack parat, während er mit einer kühnen Bewegung vorstürmte und dem spielerisch abgelenkten Katzenkopf einen Fausthieb zwischen die Augen gab, daß es in tiefe Ohnmacht sank. Geschwind riß er dem Höllentier einen seiner goldenen Stachel aus dem Fell, doch schon hatte sich am hinteren Ende die giftige Schlange zur Verteidigung aufbäumt. Als das Reptil wütend seine Zähne vorschnellen ließ, trafen sie nur auf den Rucksack, den Layos schützend vor seinen Leib hielt. Das lähmende Gift entlud sich an dem Gepäckstück.

      Layos ergriff seine Chance und stürmte an der Bestie vorbei. Kaum war er durch den Vorhang hindurchgetreten, da bot sich ihm ein wahrhaft paradiesischer Anblick: Ein Blütenmeer, dessen Farbenpracht alles bisher Gesehene überstrahlte, lag vor ihm. Inmitten solcher Pracht erblickte er die drei Wunderquellen. Geschwind zückte er seine Feldflasche und befüllte sie mit dem kostbaren Quellwasser. Die Flasche verschnürte er fest mit seinem Gürtel. Alsdann trat er zurück in die Höhle des Xerberos, aus der er soeben glücklich entkommen war.

      Das höllische Katzenhaupt war noch immer bewußtlos, doch nun regte sich der Hundekopf des Xerberos. Als Layos sich an ihm vorbeistehlen wollte, fletschte er drohend die garstigen Zähne. Doch der Phargonäer war gewappnet. Wagemutig stürzte er sich auf den Hund und preßte ihm die Kiefer fest aufeinander, so daß dieser nicht zubeißen konnte. Das Vieh rollte wild mit den Augen, während sich die spitzen Zähne des Reptilienschwanzes in Layos Wade bohrten. Der Schlangenbiß verfehlte jedoch seine Wirkung, denn das tödliche Gift hatte sich eben erst an Layos Rücksack entleert. Gleichwohl war die Wunde äußerst schmerzhaft. Der Abenteurer biß die Zähne zusammen und träufelte dem Hundekopf das beißende Azansalz auf die empfindliche Nase. Das Vieh heulte kurz auf, bevor es in eine tiefe Ohnmacht sank. Inzwischen war auch das Adlerhaupt aus seinem Schlaf erwacht. Der Raubvogel stieß zum Angriff einen gellenden Schrei aus. Layos zückte den mitgebrachten Spiegel, und mit seiner reflektierenden Oberfläche fing er das Licht der Sonne auf, das aus der kleinen Öffnung hoch über seinem Kopf in die Höhle einfiel. Geschickt lenkte der Abenteurer den Lichtstrahl in die Augen des Widersachers und blendete ihn. Mit einem spitzen Schmerzensschrei versuchte der Adler nach dem Feind zu hacken, doch da der Vogel seines Augenlichts beraubt war, traf sein Schnabel ins Leere. Layos raubte dem ohnmächtigen Katzenhaupt noch rasch eines seiner silbernen Barthaare, dann entfernte er sich von dem gespenstischen Ort.

      Wenig später erreichte Layos entkräftet, aber glücklich die Erdoberfläche. Das Licht der Sonne ergoß sich warm und wohlig über seine erschöpften Glieder. Die vedayanische Eskorte geleitete den Abenteurer sicher zurück zum königlichen Palast. Dort wartete Königin Irhavana bereits auf Nachricht. Die Herrscherin war offenkundig sehr erstaunt über den unerwarteten Erfolg der Mission. Ohne Zögern ließ sie ihre Leibärztin kommen, damit die Wunde, die das Höllentier Layos geschlagen hatte, versorgt werde. Ihre Bewunderung für den kühnen Phargonäer, der sich so ganz und gar von den blutleeren Männern ihres Landes unterschied, verbarg die Königin hinter einer Miene von majestätischem Gleichmut.

      »Wohlan, Layos von Argant«, sprach die hohe Frau, »zwei Prüfungen liegen hinter dir. Höre nun die dritte und schwerste: Wähle aus deiner Gefolgschaft drei Männer, und töte sie! Sodann sei dir die Freiheit geschenkt!« Layos ahnte nicht, daß die Regentin keinesfalls beabsichtigte, drei seiner Gefährten dem Tode zu überantworten. Königin Irhavana verfolgte ein anderes Ziel. Die letzte Aufgabe sollte die Geisteshaltung des Helden auf eine harte Probe stellen. Würde er auf seine Freiheit verzichten und sich in die lebenslange Gefangenschaft fügen, um seine Gefährten vor ihrem grausamen Schicksal zu bewahren? Oder würde er tatsächlich drei seiner Gefolgsleute opfern?

      Wie erwartet war Layos entsetzt über die ihm gestellte Aufgabe. Doch bald hatte er seine Fassung wiedergewonnen. Die Züge des Weltenumseglers erstarrten zu Stein, als er das Wort an die Herrscherin richtete: »Euer Wunsch, oh Herrin, soll mir Befehl sein! Doch eine Bedingung stelle ich!«

      »Sprich!« forderte die Regentin.

      »Jeder der drei Unglücklichen soll seine Todesart selbst wählen dürfen«, sagte Layos. Die Königin zögerte kurz, während sie überlegte, wie Layos Gesichtsausdruck zu deuten sei. Dann antwortete sie: »Nun gut! Deine Bitte sei gewährt!«

      Layos wählte die drei klügsten unter seinen Kameraden aus. Es waren Godehard, Arialdus und Theonas. Mit unverändert regungsloser Miene gab Layos der königlichen Leibgarde zu verstehen, die drei Todgeweihten herbeizuholen. Ohne zu ahnen, welches Schicksal ihnen bevorstand, ließen sich die drei in den Thronsaal führen. Kaum waren sie dort eingetroffen, richtete die Königin das Wort an sie:

      »Gefährten des Layos von Argant! Ihr seid des Todes! Höret nun