Clockwise - Reise durch Traum und Zeit. Carola Hipper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carola Hipper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847622826
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schien das Gemüt der Königin aufzurühren. Zornesröte durchfuhr ihre Wangen, als sie das Wort an sich riß:

      »Du rühmst dich, große Schlachten geschlagen zu haben?! Kriege, die ohne Zweifel den Tod Unschuldiger zur Folge hatten, nennst du ›glanzvoll‹? Wahrlich! Deine Geisteshaltung entspricht jener Anmaßung und Einfalt, wie nur ein Mann sie zeigen kann! Aggressoren wie deinesgleichen, Layos von Argant, werden hierzulande den Geiern zum Fraß vorgeworfen!«

      Mit einem Anflug von zornigem Aufbegehren erhob Layos sein Haupt. Die Königin strafte ihren Gefangenen mit einem stählernen Blick, bevor sie weitersprach: »Vier große Zeitalter hat das vedayanische Volk überdauert, und unsere Welt ist noch immer frei von Krieg. Wir trachten nicht nach Weisheit, wir bauen keine Himmelsleitern, denn die Weisheit des Himmels wohnt in unseren Herzen!«

      »So seid Ihr eine der Glorreichen?« Layos verneigte sich tief. Er glaubte noch immer, auf Elyandrien gelandet zu sein und eine der Großen Ahnen vor sich zu haben.

      »Einfältiger Tor!« sagte die Königin. »Das Antlitz deiner Schöpfer wirst du auch heute nicht erblicken!«

      Die hohe Frau gebot ihrem Gefangenen, sich aufzurichten. »Nicht vor Elyandrien ankert dein Schiff. Du befindest dich auf dem Boden Auroras, der vergessenen Insel, und ich bin weder Weltengöttin noch Angehörige des Rates der Großen Ahnen. Du stehst vor Irhavana, Königin des vedayanischen Volkes und Herrscherin über den Goldenen Kontinent!«

      Layos blickte die Königin verwundert an. Dann faßte er sich und sagte: »So ist dies nicht der Kontinent der Unsterblichen?!«

      »Nein!« sprach die Herrscherin. »Aurora, das Goldene Eiland, ist die Heimat des Volkes der Vedayana. Weder sind wir unsterblich noch unverwundbar. Und doch wird es keinem weltlichen Feldherrn je gelingen, uns zu bezwingen! Wir sind eins mit den Elementen, eins mit der Zeit, doch nein, Unsterblichkeit ist nicht unser Geschick!« Königin Irhavana erhob sich voller Stolz von ihrem Thron. »Sprich denn, Sohn Libranûrs, was soll ich tun mit dir und deinen Gefährten? Lasse ich euch ziehen, so werden andere nach euch kommen und danach trachten, Aurora, die Goldene, zu erobern. Es wäre also nicht klug, dich gehen zu lassen. Andererseits entspricht es nicht den Gepflogenheiten meines Volkes, Gefangene zu machen. Wenn ich dir untersage, in deine Heimat zurückzukehren, wirst du mir freiwillig dienen?« Die Herrscherin sah Layos fest in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand und sagte:

      »Verzeiht, oh Königin! Nicht mein Geschick allein steht auf Messers Schneide. Meine Männer zogen aus, den Kontinent ihrer Schöpfer zu entdecken! Es sind treue Gefährten, die nicht verdient haben, als Gefangene ein glanzloses Dasein zu fristen! Daher ersuche ich Euch, hohe Herrin, wenn schon nicht mir, so schenkt wenigstens meinen Männern die Freiheit!«

      Die Königin bedachte sich für einen Moment. Sie war klug und erfahren genug, abzusehen, daß Layos nicht der letzte Seefahrer sein würde, der Aurorien erreichte. Kehrte er nicht in die Heimat zurück, so würden andere Schiffe aufbrechen, um nach ihm zu suchen. Früher oder später würde einer der nordischen Weltenbummler das Goldene Eiland finden. Für Aurorien war die Zeit der Vergessenheit vorüber. Es galt nun, sich der Welt mit all ihren Gefahren zu öffnen und das Wissen von Generationen mit anderen Völkern zu teilen. Königin Irhavana tat einen tiefen Atemzug. Schließlich sagte sie:

      »Höre denn meine Entscheidung, Layos von Argant! Drei Prüfungen sollst du bestehen. Dreimal sollst du deinen Mut und dein Gottvertrauen unter Beweis stellen! Gelingt es dir, alle drei Aufgaben zu erfüllen, sollst du als freier Mann mein Reich verlassen, und mit dir deine Mannen!«

      »Welche Prüfung Ihr mir auch auferlegen werdet, große Königin, ich werde sie meistern, und in das Land meiner Väter heimkehren«, erwiderte Layos schlicht.

      »So lasse denn deinen Worten Taten folgen, Phargonäer!« Die Herrscherin ließ ihre Schleppe mit einer entschlossenen Bewegung durch die Luft fahren, bevor sie kehrtmachte und den gewohnten Platz auf ihrem Thron einnahm. »Erfahre nun deine erste Aufgabe: Begib dich an die Ufer des Flusses Eoh Aldabra. Dort schlage dein Lager auf, und baue ein Floß. Überquere den Strom, suche die Sümpfe von Vallejah, und bringe mir einen Korb voll mit Früchten des Adansobaumes!«

      »Das ist alles?« rief Layos freudig aus. »Nun, das dürfte ein Leichtes sein!«

      »Freue dich nicht vor der Zeit, Abenteurer!« gab die Königin ungerührt zurück. »Die Sümpfe werden bewacht von den schrecklichen Nictilioniden, geflügelten Ungeheuern mit Krallen und Zähnen aus Eisen. Die Nictilioniden sind fürchterliche Monstren, die die Früchte der Adansobäume nach Kräften zu verteidigen geschworen haben! Wer den Eoh Aldabra zu überqueren sucht, wird von den ehernen Waffen der Bestien zerfetzt. Kein Sterblicher hat es je fertiggebracht, den Fluß an dieser Stelle zu überqueren!«

      »So will ich es dennoch wagen!« sagte Layos. Nach kurzem Bedenken fügte er hinzu: »Gewährt mir nur eine einzige Gunst, oh Königin! Auf all meinen Abenteuern habe ich stets einen magischen Stein mit mir geführt, der mein Glücksbringer ist. Lasset mir diesen Stein bringen, und ich will mich noch heute auf den Weg machen!«

      »Deine Bitte sei dir gewährt!« sprach die Herrscherin. »Drei meiner treuesten Kriegerinnen gebe ich dir zur Seite. Sie werden dich begleiten und dir den Weg zum Fluß weisen. Überqueren mußt du ihn jedoch allein! Mögen die Götter mit dir sein!«

      In Begleitung der königlichen Eskorte begab sich Layos zu den Ufern des Eoh Aldabra. In seinem Gepäck hatte er eine Streitaxt, ein Katar und den magischen Stein, der alles Metall in seiner Nähe magnetisch anzog. Die vedayanischen Kriegerinnen führten Proviant, Wasser und Takelgarn mit sich. Nach zwei Tagesmärschen hatten sie ihr Ziel erreicht. Die Vedayana übergaben dem Abenteurer das Garn, das er für den Bau des Floßes benötigte und einen kleinen Vorrat an Proviant und Trinkwasser. Sodann zogen sie sich zur Jagd in die Wälder zurück und überließen Layos seinem Schicksal. Der Phargonäer eilte sich, Bäume und Gesträuch zu fällen. Aus den Stämmen und Ästen zimmerte er ein Floß samt Ruderwerk. Im Zentrum des Floßes errichtete er einen starken Mast, an dessen Spitze er den magischen Stein befestigte. Als es vollbracht war, nahm der Phargonäer seinen Mut zusammen und ließ das Gefährt zu Wasser. Er hatte kaum die Mitte des Flusses erreicht, da drang auch schon ein ohrenbetäubendes Kreischen an sein Ohr. Sein Blick fuhr auf. Hoch in den Lüften entdeckte er die Bestien. Es waren drei an der Zahl. Schrecklicher und bedrohlicher als Layos es sich in seinen kühnsten Befürchtungen ausgemalt hatte, waren die Monstren anzusehen: Aus den garstigen Fledermausköpfen ragten Zähne lang wie Dolche, ihre spitzen Krallen glichen Messerklingen. Mit Schwingen von gigantischer Spannweite näherten sich die Monstren dem schutzlosen Wasserfahrzeug.

      »Die Götter mögen mir beistehen!« flehte der Abenteurer. Doch kaum hatten sich die Höllenvögel dem Floß bis auf wenige Plethrone angenähert, da schien es, als gerieten sie aus dem Gleichgewicht. Sie schlugen plötzlich wild mit den Flügeln, als wehrten sie sich gegen einen unsichtbaren Sog. Es war der magische Stein, der die schwarze Brut mit magnetischer Kraft zum Mast des Floßes zog. Der Magnet zog ihre eisernen Krallen und Zähne mit unüberwindlicher Macht zu sich heran, und kurz darauf waren die drei Nictilioniden hilflos am Mast des kleinen Floßes gefangen. Layos stürzte sich auf die gräßlichen Wesen und machte zwei von ihnen den Garaus. Das dritte Höllentier aber entwischte ihm. Im Gemenge wurde es von dem Magneten losgelöst und flog davon. Den zwei erlegten Tieren entfernte Layos die Krallen und heftete sie als Trophäen an seinen Gürtel. Dann ruderte er zum anderen Ufer und ging an Land. Wenig später hatte er die Sümpfe erreicht. Geschwind erntete er die verbotenen Früchte. Darauf kehrte er glücklich und erleichtert zum Fluß zurück. Auf der anderen Seite erwarteten ihn, mit erstaunter Miene, die königlichen Kriegerinnen. Sie waren gekommen, seinen zerfetzten Leichnam aus dem Wasser zu bergen, hatten sie ihn doch tot geglaubt. Zurück im Palast war auch die Herrscherin höchst verwundert über Layos’ glückliche Wiederkehr. Mit Siegermiene reichte ihr der Phargonäer die begehrten Früchte. Die Königin nahm seine Gabe dankend entgegen. Dann stellte sie Layos ohne Umschweife die nächste Aufgabe:

      »So höre denn deine zweite Prüfung: Inmitten der roten Wüste, unweit des Berges Chosioz, befindet sich der Zugang zu den heiligen Quellen. Es heißt: ›Wer aus diesen Quellen trinkt, wird das Geheimnis der Schöpfung gewahr‹. Die Furt