Clockwise - Reise durch Traum und Zeit. Carola Hipper. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Carola Hipper
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847622826
Скачать книгу
Türklinken herumzuspringen.« Hoheitsvoll setzte sich die Katze auf ihr wohlgeformtes Hinterteil und begann, sich mit der rechten Vorderpfote den Schlaf aus den Augen zu wischen. Dabei schnurrte sie selbstverliebt vor sich hin.

      »Scht«, machte Emma, die immer wieder vergaß, daß ihre Eltern Pepperonis Stimme gar nicht hören konnten, »nicht so laut! Du weckst ja das ganze Haus auf!« flüsterte sie. »Und nimm endlich wieder eine normale Farbe an, dieses Orange steht dir überhaupt nicht!«

      Pepperoni blickte erschrocken auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, daß das Königsblau sich in ein knalliges Orange verwandelt hatte. Eine Sekunde später war sie so pechschwarz wie bei ihrer Geburt.

      Emma öffnete die Tür zum Windfang langsam und vorsichtig, damit nur kein Geräusch die Eltern aufweckte. Kaum war die Tür einen Spalt geöffnet, huschte etwas Schwarzes zwischen Emmas Beinen hindurch in die Garderobe. Von dort sprang Pepperoni wie ein geölter Kugelblitz auf das Waschbecken der Gästetoilette. Die eitle Katzendame nahm auf dem Waschbeckenrand Platz und warf einen ausgiebigen Blick in den Spiegel. Mit selbstverliebter Miene begann sie, sich zu putzen, während ihre Schwanzspitze vergnügt auf- und niederglitt. Emma verdrehte die Augen.

      »Was für eine eitle, kleine Diva sie ist«, dachte sie und griff nach Schal und Mantel. Als ihr Blick in den Spiegel fiel, hatte Emma für einen kurzen Moment den Eindruck, daß der kleine, weiße Hautfleck unterhalb ihres Halses ein klein wenig größer geworden sei. Sie zog den V-förmigen Ausschnitt ihres Pullovers gerade und wickelte sich den Schal um den Hals.

      Pepperoni kippte ihren kleinen Kopf hin und her, wobei sie ihrem Spiegelbild mit den Augenwimpern zuklimperte.

      »Also wirklich, Pepps! Du bist schön genug!« bemerkte Emma. »Es ist noch nicht mal richtig hell draußen – und du?« Doch Pepperoni ließ sich nicht beirren. In aller Seelenruhe setzte sie ihre Morgentoilette fort.

      »Was meinst du, steht mir das?« fragte die Katze und strich ihre Barthaare in einem großen Bogen himmelwärts.

      »Ha! Jawoll! Das paßt zu Eurer verschnupften Hochnäsigkeit, Majestät«, grölte Paddy, der wie aus dem Nichts hinter den beiden aufgetaucht war. Offenbar hatte der kleine Kaktus seine Meinung geändert und Lust auf einen Spaziergang bekommen. Also war er flugs aus seinem gemütlichen Schlaftopf hinausgesprungen, und nun stand er auf seinen kurzen, grüngelben Wurzelfüßchen in der Tür und hielt sich den stacheligen Bauch vor Lachen.

      »Grüner Wicht!« schimpfte Pepperoni, die sich aufgebracht zu Paddy umgedreht hatte. Unwillkürlich hüllte sich ihr Körper in ein giftiges Grün, das ihr gar nicht gut »zu Fell« stand.

      »Hahahaha!« feixte Paddy. »Sieh mal in den Spiegel, Durchlauchtigste! Wer im Glashaus sitzt, sollte seine Geschäfte besser im Keller erledigen!«

      »Oh!« Empört blickte die Katze in den Spiegel, der ihr den wenig schmeichelhaften Farbton entgegenhielt. Vor Schreck hatte sie ihre zuvor mit Spucke in Form gebrachten Barthaare losgelassen, und nun sträubten sie sich in alle Richtungen.

      »Mach dir keine Sorgen, Teuerste. Es gibt ganz bestimmt irgendwo einen streunenden Kater, der auf deinen Damenbart abfährt!« Paddy bog sich vor Lachen.

      »Du! Oh, du!« Pepperoni war mit einem Satz vom Waschbecken auf den Boden gesprungen. Nun sah sie wütend auf Paddy herab.

      »Giftiges Insekt, du!«

      Mit der offenkundigen Absicht, dem frechen, kleinen Kaktus eine Lektion zu erteilen, hob sie drohend ihre Pfote. Blitzartig fuhr Paddy seine goldgelben Stacheln aus, und Pepperoni schreckte zurück.

      »Warte nur, Zwerg! Irgendwann krieg ich dich schon!« versetzte die Katze und stolzierte hoch erhobenen Hauptes und mit wehenden Barthaaren auf die verschlossene Haustür zu.

      »Hört endlich auf zu streiten!« sagte Emma und schritt entschlossen an den beiden vorbei. Sie öffnete die Haustür und blickte hinaus. Eine fast magische Stille lag über der schneebedeckten Landschaft. Pepperoni nutzte die Gelegenheit und schlüpfte an Emma vorbei ins Freie. Draußen angelangt, fuhr die vor Schreck ganz weiß gewordene Peppi ihre Krallen aus, um ihre unerwartete Rutschpartie abzubremsen. Buckelnd und fauchend schlitterte sie auf ihrem schneeweißen Hinterteil die vereiste Auffahrt hinab.

      »Iiiiiih! Ist das kalt!« hörten Emma und Paddy sie kreischen. Emma griff sich geschwind den Hausschlüssel, schubste Paddy, der seine Stacheln wieder eingefahren hatte, durch die Tür hinaus in den Schnee, und beide rannten Pepperoni hinterher.

      »Ist dir auch nichts passiert?« fragte Emma besorgt, als sie die Katze eingeholt hatte. Doch Pepperoni, die vor Ärger gleich wieder grün geworden war, hatte sich längst aufgerichtet. Sie zog die Augenbrauen empor, ganz so, als sei gar nichts geschehen.

      »Bloß ein unbedeutendes Malheurchen«, säuselte sie, um von ihrer alles andere als grazilen Landung im Schnee abzulenken. »Wollen wir nun ein wenig gymnastiziiiieren?« Paddy war den beiden atemlos hinterhergeeilt. Mit seinen kurzen Beinchen hatte er Mühe, sich im Schnee fortzubewegen, und so war er in einigem Abstand hinter Emma zurückgeblieben. Nun erreichte er die beiden gerade noch rechtzeitig, um Pepperonis Bemerkung angemessen zu kommentieren:

      »Ach, gymnastiziiiiiieren nennen wir das?« übertrieb er mit gespitzten Lippen. »Du meinst wohl ›herumstolzieren und unverheiratete Kater anbaggern‹, ist es nicht so, Eisprinzessin?!«

      Pepperoni beschloß, diese unwürdige Bemerkung nicht zu beantworten und Paddy statt dessen für den Rest des Tages mit Nichtachtung zu strafen. Aufrecht, das hübsche Näschen hoch in die Luft erhoben, schritt sie mit elegantem Hüftschwung den anderen voraus in die Winterlandschaft.

      Etwa eine halbe Stunde lang waren die drei durch den Schnee gestapft bzw. gehüpft, denn Paddy mußte sich springend und hüpfend fortbewegen, um nicht mit seinen kurzen Wurzelfüßchen im tiefen Schnee steckenzubleiben, da begann Emma unvermutet zu weinen. Mitten im eisigen, schneebedeckten Wald war sie stehengeblieben, denn ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Pepperoni war bereits vorausgelaufen und hinter einer kleinen Anhöhe verschwunden. Der kleine Paddy aber hatte Mühe, Emma zu folgen. Durch die anstrengende Hüpferei war er ziemlich aus der Puste geraten, und als er Emma endlich einholte, bemerkte er zu seiner Bestürzung ihre großen, blauschimmernden Tränen, die, zu winzigen Eisperlen gefroren, wie ein salziger Hagelschauer zu Boden fielen.

      »Emma! Du weinst ja!« rief der kleine Kaktus besorgt aus, während er hektisch hin und her hüpfend den herabfallenden Eistränen auszuweichen versuchte. »Was ist denn nur geschehen?!«

      »Ach«, schluchzte Emma leise, »es ist ... Mama und Paps ... Ich weiß es ja auch nicht ...«

      »Was denn bloß?« fragte Paddy bestürzt.

      »Ich glaube ... Ich fürchte, sie werden mich fortschicken ...« brachte Emma weinend hervor.

      »Abbaabbaabba, wieso denn das?« stammelte Paddy, »woher ... wie kommst du plötzlich darauf?«

      »Ich weiß es nicht genau ... Es ist ... eine Ahnung, vielleicht ist es aber auch mehr als das ...« druckste Emma verzweifelt, während Paddy, auf der Flucht vor dem eisigen Tränenhagel, wie ein kleiner, grüner Schneeball vor ihren Füßen auf- und niederhüpfte.

      »Emma, bitte hör doch mal ...« japste Paddy in den Pausen zwischen Emmas Schluchzern. »Bitte, hör mir doch zu! Nimmst du mich auf deine Schulter? Ich kann nicht mehr.« Das Mädchen lächelte traurig, hob den kleinen Kaktus vom schneeweißen Boden auf und setzte ihn sich auf die Schulter.

      »Ach, Emma, deine Eltern streiten sich, seit du denken kannst. Wieso sollten sie dich ausgerechnet jetzt fortschicken, hm?«

      »Weil ... nun, vielleicht gibt es keinen richtigen Grund. Aber in der letzten Zeit, da habe ich immer wieder denselben Traum gehabt ...«

      »Aber Träume haben doch gar nichts zu bedeuten. Sie haben mit dem wahren Leben nichts zu tun«, unterbrach Paddy.

      »Ich weiß nicht, Paddy, manchmal sehe ich in meinen Träumen klarer als im wirklichen Leben. Glaubst du nicht, daß Träume doch eine Bedeutung haben können?« fragte Emma hilflos.

      »Also,